Immer mehr Videos und Podcasts werden im Netz verbreitet. Zwar hab‘ ich nicht das Gefühl, dass deshalb die Textmenge abnimmt, doch begegnen mir immer öfter Diskussionsbeiträge in Form solch „zeit-dominierender“ Formate. Damit hab‘ ich als diskussionsfreudige Netzteilnehmerin grundsätzliche Probleme – was bitte nicht als Kritik an Podcasts und Videos verstanden werden soll. Weit eher wäre es Selbstkritik: mangelnde Hingabefähigkeit und -Willigkeit, Konzentrationsmängel, Beschleunigungs- und Klicksucht und was mir da noch alles mit einigem Recht vorzuwerfen wäre.
Egal, es ist wie es ist; Schon ein einziger aktiver Gesprächsteilnehmer, der Hörformate zur Illustrierung und Weiterführung eigener Meinungen postet, reicht, um die eigenen Grenzen in Sachen Zuhör-Willigkeit drastisch ins Bewusstsein zu heben. Ein guter Grund, das Thema mal breiter anzugehen.
Wo ist das Problem? Lebenszeitvergewaltigung!
Einen Podcast muss ich durchhören und kann mich währenddessen mit nichts Anderem beschäftigen. Was ja nicht schlimm wäre, wenn die in einem Hörstück verbreiteten Gedanken und Fakten konzentriert, komprimiert, kurz genug daher kämen. Dem ist aber fast nie so, was ja auch die Qualität des Mediums ausmacht – für jene, die es gewohnt sind, sich die Zeit zu nehmen, Zeit für all das andere, was so ein Hörstück neben den dürren mentalen Aussagen üblicherweise füllt.
Für mich ist es jedoch – ähnlich dem unangekündigten Telefonieren – eine Art Lebenszeitvergewaltigung: weil ich nicht selbst bestimmen kann, in welcher Geschwindigkeit ich die Inhalte aufnehme und in welcher Tiefe, wie ich es vom Umgang mit unzähligen Texten gewohnt bin. Gibt mir jemand einen Textlink, erkenne ich an den Überschriften, am Gesamtbild des Textes (Gliederung, Länge, evtl. Bebilderung, Aufteilung auf mehrere Seiten, Optik des Umfelds) und am ersten Absatz, ob ich den Text ganz lesen werde. Ein Link zu einem Video oder Podcast mutet mir zu, einfach mal so die Hör- oder Sehzeit zu investieren, oft gar ohne jede Angabe, wie lange es dauern wird.
Dazu bin ich nur seltenst geneigt, das ist die traurige Wahrheit. So hab‘ ich z.B. nur zu Beginn der Serie mal in einen einzigen Podcast mit Antje Schrupp im Gespräch mit Benni Bärmann reingehört und kurz nach Start auch wieder beendet. Denn: bis die überhaupt mal zu einem Thema kommen – und das plätschert dann so dahin…. so zumindest mein Eindruck, der in Sachen selber hören aber nun mal ausschlaggebend ist. Wobei ich Antje Schrupp sehr gerne LESE – in ihren Artikeln kommt sie zügig zur Sache und benötigt auch nie viel überflüssige Füllsel, um eine spannende Diskussion auszulösen (allein das Theme-Hopping bzgl. des Blogdesigns finde ich immer wieder irritierend, aber es hält mich nicht ab).
Prägnante Podcasts – schnelle Überforderung
Nun sind Podcasts bekannter Netz-Publizistinnen eher Amateur-Produkte, wogegen es ja auch eine Menge „Profi-Hörstücke“ gibt, die für Radiosender erstellt wurden. Solche verlinkt Hardy hier gerne, was dennoch die üblichen Vorbehalte und Irritationen im jeweiligen Gespräch auslöst.
Diese lässt sich mildern, indem dem jeweiligen Hörstück eine kleine Inhaltsangabe beigegeben wird, wie es Hardy in der Folge auch tut. Womit auch gleich ein gutes Beispiel für „Profi-Hörstück“ zur Verfügung steht:
“zukunftsprojekt europa” – ich habe diesen podcast jetzt zb. verlinkt, weil robert menasse als ausgesprochener europa-kritiker einen besuch in brüssel machte, um zu beweisen, was für ein fauler haufen da sich den hintern breit sitzt … aber “erleuchtet” zurück kam und nun so argumentiert wie in dem pod.
Um diesen Resonanzartikel zu schreiben, hab‘ ich mir das nun angehört und stelle fest: Klickt man auf den Link, erfährt man immerhin die Gesamtdauer von nur 4.14 Minuten. Die erste Hälfte entspricht der kurzen Inhaltsangabe, die zweite handelt von europäischer Theaterkultur und den vielen europäischen Sprachen als herrlicher Vielfalt. All das wird in einer Geschwindigkeit und „Dichtigkeit“ gesprochen, versehen mit ausführlichen Namens und Quellenangaben, dass ich nur mit äußerster Konzentrationsanstrengung zu folgen vermag. Vom „merken“ all der Namen und Fakten kann schon gar keine Rede sein! Kurzum: die erste Hälfte hätte ich nicht gebraucht, die zweite hat mich nicht interessiert – und in Sachen europäische Sprachen leide ich eher unter der größeren Schwierigkeit der internationalen Kommunikation (z.B. über „unser Europa“), die im anglo-amerikanischen Raum deutlich leichter fällt.
Fazit?
Keineswegs will ich mit diesem Posting erreichen, dass hier keine Podcasts mehr zitiert werden! Ganz im Gegenteil schätze ich die Zumutung, mich mit eher unbequemen Formaten auch mal auseinander setzen zu sollen. Schließlich bin ich Uveitis-Betroffene, eine chronisch wiederkehrende Augenerkrankung, die hierzulande häufige Ursache des Erblindens ist. Sollte mich das eines Tages treffen, werden Hörstücke, sowie diktieren und vorlesen lassen meine Rettung sein (ich hab nur eine „milde Form“ und fürchte das noch nicht wirklich).
Wird ein Hörstück oder ein Video ausreichend beschrieben, kann man mich auch durchaus verlocken, mir die Zeit zu nehmen. Wobei gilt: je kürzer, desto eher. Das mag auch am Alter liegen, denn viele lange Videos und Podcasts enthalten mehrheitlich Gedanken, die ich lange schon kenne. Da kommt dann so eine schier unerträgliche Ungeduld auf….
Tja, ich kanns nicht vom Kopf her ändern, bin aber immer wieder mal bereit, zumindest „reizuhören“…
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53 Kommentare zu „Keine Zeit – oder mein Problem mit Links zu Podcasts und Videos“.