Menachem schrieb auf GEMEINSAMLEBEN (!) ein paar sehr nachdenklich stimmende Sätze:
Erst in diesen Tagen unserer Vergangenheitsreise habe ich erkannt, wie viele Menschen und Freunde früher um mich herum waren, und wie viele es heute noch sind. Diese deprimierende Entwicklung, die ich wahrscheinlich nicht alleine so erlebe, verstärkte sich in dem anschließenden Besuch meines Vaters, im SENIORENHEIM Frankfurt auf der Bornheimer Landwehr. Seit 2 Jahren versucht mir mein Vater zu erklären, mit seinen nunmehr bald 94 Jahren, was Einsamkeit ist. Natürlich verstehe ich seine Worte. Doch zum Glück, bleibt das Gefühl dafür nur ein Gefühl. Die letzten, mit denen er erzählen und spazieren gehen konnte, sind in den vergangenen 4 Jahren nach und nach gegangen. Niemand mehr, der ihm Anerkennung ausspricht. Niemand mehr, der ihn wahrnimmt.
Auch er hat, wie ich, nicht genügend in die Lebens- und Altersversicherung der Freundschaften einbezahlt. Der Preis den es zu zahlen gilt, wenn nicht in diese Versicherung investiert wird, ist eine Art der Altersarmut. Armut – an teilnehmender freundlicher, herzlicher und aufrichtiger Mitmenschlichkeit.
Nun ist 94 ein wahrlich hohes Alter, in dem es nicht wundert, dass alle Freude „weggestorben“ sind. Aber: Warum ist es eigentlich so, dass sich Menschen fast ausschließlich mit Gleichaltrigen (plusminus wenige Jahre) befreunden? Und je älter, umso weniger „Neue“ kommen hinzu.
Wer Kinder und Enkel hat, ist – mal angenommen, der Familienfrieden hält und es sind nicht alle in andere Städte gezogen – über diese Nachkommen noch ins Geschehen jüngerer Generationen verstrickt. Ansonsten scheint das Gesetz „gleich und gleich gesellt sich gerne“ immer drastischer zu wirken, je älter die Menschen werden – mit Abstrichen beim Willen, sich auf neue Menschen einzulassen, selbst wenn sie ähnlich alt sind.
Die Alten und die Jungen
Kürzlich war ich in einem kleinen Theater, ein in etwa gleichaltriger Humorist trat auf, dessen Zielgruppe aus der Szene „spirituell Interessierter“ als nahezu homogene Alterskohorte den Raum füllte. Alles sehr tolle Menschen, soviel ich in der kurzen Zeit wahrnehmen konnte, mit allen Wassern der Weisheit und Selbstfindung gewaschen, quasi im positiven Sinn „austherapiert“.
Dennoch fühlte ich mich nicht wirklich wohl: soviel Selbstgewissheit und ausgestrahltes „Angekommen sein“ – mir fehlen leider die richtigen Worte, aber ich fühlte mich wie eine Durstige unter kundigen Genießern edler Weine, die Lust auf einen Energy-Drink oder eine böse Zucker-Cola hat. Oder anders gesagt: Die haben und wissen selber schon alles – was soll ich da noch?
Das totale Kontrastprogramm erlebe ich auf den Festen und Arbeitsterminen der KuB. Dort sind vor allem junge Menschen aktiv, mehrheitlich Studierende, dazwischen ein paar Ältere so bis 35, sowie wenige „Ausreisser“ im 50plus-Alter, die man an einer Hand abzählen kann.
Anders als unter den Gleichaltrigen und Älteren fühle ich mich da nicht überflüssig, ganz im Gegenteil, es gibt sehr viel, was ich beitragen und vermitteln kann, hab‘ ich doch selbst viele Jahre in solchen Initiativen zugebracht. Was aber nicht heißt, dass ich mich überall als Besserwisserin einmischen muss, ganz im Gegenteil ist es sehr angenehm, nicht mehr selber „tragende Säule“ sein zu wollen und zu müssen: die machen das schon und sogar erstaunlich GUT! Also beschränke ich mich auf mein dort angesiedeltes Hilfsprojekt (sie finden es durchaus staunenswert, wieviel Spenden ich in kurzer Zeit sammeln konnte) und genieße ansonsten den lockeren Umgang, das Unfertige und nie Perfekte, sowie die oft erstaunlich aufgeschlossenen jungen Frauen und Männer, die ein ganz anderes Verhältnis zu Älteren zu haben scheinen als es in meiner Generation üblich war.
Es freut mich jedenfalls, da nützlich sein zu können – bis in alltägliche Kleinigkeiten hinein, wie etwa mit dem Tipp, die Pellkartoffeln für den Party-Salat vor dem Schälen in kaltem Wasser abzukühlen, um das nervige „Wegzupseln“ der Schalen in ein leichtgängiges Abziehen zu verwandeln. :-) Nicht lachen: Die Basics des Kochens lernt man ja heute nicht mehr zwangsläufig von den Müttern!
Eine Mittfünfzigerin, die ich in der KuB kennen lernte, ist kürzlich verunfallt und wird etliche Wochen im Krankenhaus und in der REHA zubringen. Natürlich wird sie von den „Kubbies“ besucht!
Kurzum: ich rate allen Älteren, sich nicht auf Gleichaltrige und noch Ältere zu beschränken, sondern immer auch irgendwo anzudocken, wo deutlich Jüngere zugange sind. Ohne selbst auf „zwanghaft jung“ zu machen oder ihnen als zickige Alte mit 1000 Ansprüchen auf den Senkel zu gehen, sondern das beitragend, was man eben kann, was erwünscht ist und gebraucht wird. Schon allein interessiertes Zuhören scheint ja eine knappe Ressource zu sein und kommt bei suchenden jungen Menschen gut an. Und wer „mit sich im Reinen“ ist, hat auch Antworten auf viele ihrer Fragen – man muss nur warten, bis diese Fragen von selber auftauchen, niemals ungefragt die eigenen Weisheiten aufdrängen.
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13 Kommentare zu „Die andere Altersarmut: Einsamkeit“.