„Frauen sind wertvoll für die Welt, denn sie sind zärtlich, fürsorglich, geduldig und gefühlvoll. Danke dafür & schönen Frauentag!“
Für „Dodo“ ist so ein Satz Murks, genau wie „80% rosa/pastellfarbener Kitsch…und ähnlicher Kackscheiß“, der Frauen zum internationalen Frauentag zugemutet wird. Ihr Kommentar steht unter dem kritischen Blogpost „Flower Power“ im Mädchenblog, in dem es heißt:
Der heutige Tag soll verdeutlichen wie weit der Weg zur gleichberechtigten Gesellschaft noch ist und wie nötig es ist, dass sich deshalb Frauen* empowern und alle mit ihnen kämpfen. Doch was wird stattdessen getan? Wir feiern diesen Tag indem wir sie darauf reduzieren, was doch eigentlich hinterfragt werden soll. Indem wir den Sexismus reproduzieren, der doch überwunden werden soll. Indem wir ein Bild von Frausein als das scheinbar einzige „feiern“, obwohl es doch nur eine Möglichkeit von unzähligen ist. Indem wir eine Weiblichkeit feiern, ohne uns im Klaren darüber zu sein, dass diese überhaupt keinen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat.
Man darf also nur feiern, was einen HOHEN STELLENWERT in der Gesellschaft hat? Also etwa die starke, ganztags berufstätige Frau, die niemals schwächelt, keine „femininen“ Gefühlsregungen zeigt und das mit den Kindern und der Familie im Hintergrund so hinbekommt, dass das geschäftige Getriebe niemals gestört wird?
Mir ist das Anliegen von Dodo und der „Schirmherrin“ durchaus klar und ich finde ihre Kritik im feministischen Kontext auch sehr nachvollziehbar und berechtigt. Auf Frauen wurden und werden Aspekte projiziert, die nur einen Teil des Mensch-Seins ausmachen: Emotionalität, Fürsorglichkeit, Sensibilität, Spontaneität, Zärtlichkeit, Harmoniestreben, Friedlichkeit – und wenn man sagt, eine Frau sei im Alter „jung geblieben“, dann ist oft damit gemeint, dass „das Mädchen in ihr“ noch immer gelegentlich spürbar ist. Das MÄDCHEN – nicht die erwachsene Frau. Zum Set der Erwartungen an die Weiblichkeit gehört also auch eine gewisse Kindlichkeit, zumindest das unerwachsene, spielerische Verhalten von Teenys.
Das traditionelle Geschlechterverhältnis gab diesen Projektionen 100% Raum durch die klare Trennung der Rollen: Frau sorgt für ein gemütliches Heim, kümmert sich um die Kinder und bietet dem Mann, der ermüdet von der Arbeit in der Welt da draußen nachhause kommt, ein optimales Erholungsumfeld.
Seit den 70gern ist, wie wir alle wissen und gewiss nicht bedauern, dieses Modell im Schwinden begriffen und heute in dieser Reinform kaum mehr anzutreffen. Frauen erkämpften sich den Auszug aus der traditionellen Rolle, eroberten die Berufswelt und können heute – im Prinzip – alles werden, was auch Männer werden können. Allerdings nur dann, wenn sie das mit dem Kinder-kriegen gleich ganz lassen (wie ich), oder es „irgendwie“ gebacken bekommen, ihre jeweilige Arbeit – sei es Beruf oder Berufung – mit ihrem Mutter-Sein zu vereinbaren.
Dass es dabei außerordentlich knirscht, muss ich sicher nicht weiter ausführen. Thema dieses Beitrags ist jedoch nicht nur die „mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, von der sich heute auch immer mehr Männer, die gerne gute Väter sein wollen, betroffen fühlen. Sondern die Frage: Wohin verschwindet die Zärtlichkeit? Wo ist in unserer heutigen, durchökonomisierten Welt noch Platz für spontane Gefühle, für spielerisches (=“kindliches“) Verhalten, für die schlichte Freude am Dasein, für Harmonie und friedliches, zweckfreies Miteinander? Also für all das, was früher „von Frauen geliefert“ und erwartet wurde – und für das man sich mit Blumen zum Muttertag (West) bzw. zum Frauentag (Ost) bedankte?
Wenn heute Frauen für „ehemals weiblich konnotierte“ Eigenschaften gelobt werden, nennt das die Feministin „positive Diskriminierung“. Und sorgt so dafür, dass Männer zumindest Frauen keine Türen mehr aufhalten, keine Blumen mehr schenken und schon gar keine „sexistischen“ Komplimente mehr machen. Gut so?
Wer bleibt eigentlich in dieser Situation übrig als mögliche Projektionsfläche für die Sehnsucht nach jenen Lebensaspekten, die früher von Frauen erwartet und ermöglicht wurden? Hier lasse ich die Leser/innen lieber alleine weiter denken und frage weniger brisant: Wo und wie soll sich das erfolgreiche, gefühlt autarke Individuum vom Stress der verdichteten und flexibilisierten Arbeit erholen – physisch und psychisch?
Natürlich im Konsum! „Weil ich es mir wert bin“ soll ich dies und das kaufen, in der Hoffnung, durch den Kaufakt etwas wieder zu gewinnen, was diese Gesellschaft aus dem realen Leben zunehmend verbannt. Und es gibt ja noch Wellness: baden, entspannen, saunieren, streicheln, massieren, sinnliches genießen und jede Menge Zuwendung – vermittelt von Dienstleistern und Dienstleisterinnen für alle, die es sich leisten können.
Das werden allerdings immer weniger, die „Care-Krise“ kann nicht kapitalistisch gelöst werden. Ein Dilemma, zu dem mir jetzt auch nichts Konkretes einfällt. Allenfalls die Hoffnung auf widerständige Frauen und Männer, die keine Lust haben, ihr Leben vollständig dem „Hamsterrad“ unterzuordnen, das sich immer schneller dreht, auf dass das Kapital sich rentiere.
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
28 Kommentare zu „Wohin verschwindet die Zärtlichkeit?“.