Fefe hat mal wieder einen blogpublizistischen Knaller gelandet, indem er einen Text seziert, der im Stil des „feministischen Sprachhandelns“ gehalten ist. In diesem Text heißt es zum Beispiel:
Was wir* und dixs Studierxs kritisieren, ist zum Beispiel die Re_produktion von problematischen Wörtern wie zwei Be_griffe die mit „W“ und „S“ beginnen, wir* aber nicht re_produzieren wollen, da diese kolonialrassistisch und somit diskriminierend für Schwarze und People of Color und gleichzeitig privilegierend für weiße Menschen sind.
Sternchen und Unterstriche kannte ich ja schon, wobei sich mir der Sinn in geschlechtsneutralen Worten wie „re_produzieren“ nicht erschließt. Aber Dixs? Studierxs?
„Wir* hoffen nun unseren* Stand_Sitz_Liegepunkt noch einmal klar und verständlich machen zu können.“
Ganz gewiss erreichen derlei „kreative“ Sprachverformungen, seien sie auch noch so gut gemeint, eines nicht: die Texte leicht verständlich zu machen. Ganz im Gegenteil stolpert man (ich müsste hier korrekt „eins“ sagen) fortwährend über die seltsamen Unterstriche, ixe und Sternchen. Sie lenken vom Inhalt ab und stoßen Grübeleien über den jeweiligen Sinn an dieser Stelle an. Mehr noch: sie verärgern, denn damit wird mir das Thema „Gender in der Sprache“ fortwährend „reingewürgt“, ganz ohne Konsens.
Nun werden jene, die diese Schreibweisen promoten, einwenden, dass die „Normalsprache“ mit viel größerer Kraft und ebenfalls ganz ohne expliziten Konsens mir auch allerlei „reinwürgt“, was durch die anderen Schreibweisen ja gerade bewusst gemacht werden soll. Stimmt! Allerdings ist Sprache zuvorderst ein Mittel zur Kommunikation, das zum jeweiligen Zweck nur funktioniert, solange die verwendeten Begriffe, Wort- und Satzbildungen vom Üblichen nicht allzu weit abweichen. So wurden z.B. die Werke Arno Schmidts nie massenkompatibel, sondern nur für eine kleine elitäre Fan-Gemeinde goutierbar, die Freude daran hat, seine in der Literaturszene viel gelobte Sprachgestaltung zu entziffern:
ajá;« (erwiderte Sie dramatisch) : »Unsereins erst mittn in ein’n grooßn Wald führ’n – unter Verschprechungn S—gut mit Ei’m zu mein’n – & dänn : ?!«; (und tat, wie wenn Sie sich nur ganz allein : ni Dieu ni Maitresse!. (Nach 5 Schratschrittn sah man sich kaum noch) / Unterholzijes, von dürren Axentn starrend; (der Fußbodn dagégn mit zartestn Farbdornen besprenkelt) : ›kurz-weilijer Alter‹; das höchste Prädi-kat, das Unsereins; pff : FREUD schwatzt immer vom ›zweizei….
– Arno Schmidt, Zettels Traum –
Gendern als Schreibblockade
Wie man sieht, ist das neo-feministische Gender-Sprech sogar noch vergleichsweise verständlich. Dennoch fühle ich mich von beiden Sprachgestaltungen gleichermaßen abgestoßen. Und beim Bloggen ergeht es mir immer öfter wie der Tausendfüßlerin, die das Laufen verlernt, indem sie bei jedem Schritt überlegt, wie er RICHTIG zu setzen sei. Das gutwillige Bemühen, allzu „männlich Konnotiertes“ zumindest zurück zu fahren, dabei aber auch die Sprache nicht allzu sehr zu vergewaltigen, erweist sich als echter Stolperstein fürs spontane Schreiben.
Mission accomplished, könnte man sagen, Glückwunsch! Aber ich mag es nicht, es stört und nervt mich, denn ich will ja meist etwas ausdrücken, was die Geschlechterproblematiken nicht mal am Rande streift. Mit Worten und Sätzen, wie sie „von selber“ kommen, im Fluss des Schreibens entstehen. Diesen Fluss empfinde ich immer öfter als blockiert, bzw. es ist mit den Sätzen und Worten fast so, als müssten sie zunächst durch eine Schleuse, wo sie mühsam auf ein anderes Niveau gehoben werden. Wobei dieses „andere Niveau“ hoch umstritten ist und die Schwelle zur Nerverei sehr leicht überschritten wird.
Diskriminieren im Kampf gegen Diskriminierung
Fefes spöttischem Zerpflücken des massiv gegenderten Textes hält „Ephemera“ folgende Gedanken über aussichtslose Kämpfe entgegen:
Manche Menschen kämpfen aussichtslos gegen sprachliche Diskriminierung, manche kämpfen aussichtslos gegen staatliche Überwachung.
Beide stecken zu tief im System – die Diskriminierung in der Sprache, die Überwachung im Staat –, um sie zu besiegen, ohne das System selbst zu zerstören.
Mit dem gleichen Recht kann man sich über beides lustig machen (weil: von Außen sieht beides so herrlich komisch nach einem Kampf gegen Windmühlen aus).
Und mit dem gleichen Recht kann man beides respektieren (weil: von Innen sieht selbst ein aussichtsloser Kampf besser aus als eine Kapitulation vor den Verhältnissen).
Ok, das ist ein Argument! Ich respektiere ja auch die Intention, niemanden per Sprache diskriminieren, bzw. auf solche Diskriminierungen aufmerksam machen zu wollen. Für mich sind die Methoden und Ergebnisse allerdings weit entfernt von „alltagstauglich“ – und zudem erreichen sie ihren Zweck nicht vollständig, sondern erschaffen sogar neue Diskriminierungen.
Man gebe einfach mal den oben genannten Satz („Was wir* und dixs Studierxs kritisieren….“) in den Natural Reader ein! (Vorher auf „Deutsch“ umstellen, evtl. den „Speed“ reduzieren). Was beim Vorlesen heraus kommt, ist definitiv unerträglich! Und das will man also jetzt Blinden und Sehbehinderten zumuten, die sich Texte aus dem Web vorlesen lassen müssen?
Der per Sprache umgesetzte „Stand_Sitz_Liegepunkt“ gegen Diskriminierung erreicht also zumindest bezüglich einer Gruppe sein genaues Gegenteil. Angesichts der ehrenwerten Motive geradezu tragisch!
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Siehe dazu:
- Was tun? Sprachhandeln – aber wie? W_Ortungen statt Tatenlosigkeit. Anregungen zum antidiskriminierenden Sprachhandeln, AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin. (Beim Verlinken dieses Kompendiums zeigt sich ein weiteres Problem: Unterstriche im Titel „verschwinden“, wenn der Link, wie vielerorts üblich, mittels Unterstrich formatiert wird)
- Vom großen I über gender-gap bis zum * – Die Entstehung von gendergerechten Schreibweisen
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31 Kommentare zu „Feministisches Sprachhandeln – mein Kommentar“.