Claudia am 05. August 2014 —

Von der irrsinnigen Liebe zur totalen Arbeit

In einem Artikel über zuwenige weibliche Gründerinnen und StartUps auf t3n geht es am Ende um die Arbeitsbelastung, die eine Familiengründung kaum zulasse. Der Schlusssatz lautet:

Clue-Gründerin Tin kann als Gegenbeispiel herhalten. Sie ist derzeit schwanger und hat mit Kind gegründet – ihr Sohn war damals anderthalb. „Ich glaube, man kann Familie haben und ein Startup gründen“, sagt sie. „In gewisser Weise hilft es einem, nicht verrückt zu werden. Denn sonst würde ich einfach immer arbeiten.“

Nicht als „verrückt“, sondern als begrüßenswerten Lifestyle abseits vom „süßen Gift“ der Festanstellungen beschreibt der Journalist Richard Gutjahr in „Arbeit to go“ seinen Arbeitsalltag:

Klack-klack-klack-klack-klack. Mein Rollkoffer. Um genau zu sein, einer meiner Rollkoffer. Ich habe 3 davon. Zur Zeit sind wieder alle 3 Trolleys im Einsatz. Komme ich spät nachts nach Hause, mache ich mir gar nicht erst die Mühe, ihn auszupacken. Gleich neben der Eingangstür wartet schon Koffer Nummer 2, fertig bestückt für den nächsten Tag. Auspacken und Wäsche waschen kann ich wann anders. Die wenigen Stunden Schlaf, bis der iPhone-Wecker läutet, sind einfach zu kostbar.
New York, München, Düsseldorf, Köln, Tel Aviv, Jerusalem, Frankfurt, Saarbrücken, Hannover, München, Berlin – das alles in 14 Tagen, keine Seltenheit. Senator-Lounges, Business-Upgrades, FlugbegleiterInnen, die mich mit Namen grüßen (okay, die haben einen Sitzplan mit allen Vielfliegern vor sich liegen). Es kommt vor, dass ich morgens denselben Stellplatz im Flughafen-Parkhaus belege, den ich selbst erst wenige Stunden zuvor nach meiner Ankunft freigemacht hatte.

Mit solchen Zitaten könnte ich weiter machen, denn der Virus der „totalen Arbeit“ hat sich seit den 90gern massenhaft verbreitet. Was ist TOTALE ARBEIT? Es ist jene Art zu arbeiten, die niemals aufhört, die uns zu jeder Zeit in Gestalt innerer ToDo-Listen umgibt, egal was wir gerade tun oder lassen. Arbeit, die mit 1000 Möglichkeiten und Chancen lockt, die keinen Feierabend kennt, nur Erschöpfung. Jene so wunderbar „selbstbestimmte“ Arbeit, die keine anderen Götter neben sich duldet, weil sie alles umfasst und sich einverleibt, was früher in sogenannten „Hobbys“ in der „Freizeit“ ausgelebt wurde.

„Keine Zeit!“ ist denn auch das Mantra, das man als selbstbestimmte neue Arbeitskraft im niemals wirklich abzuarbeitenden totalen Arbeitskosmos vor sich hinmurmelt, wenn irgend etwas einzubrechen droht, das nur einfach „Zeit kostet“. Man HAT keine Zeit, denn man IST ja in Bewegung, selbst dann, wenn sich das Arbeiten nicht auf Flughäfen, im „Workspace“ und auf Meetings abspielt, sondern allein zuhause vor dem Monitor.

Lebenslänglich!

„Werde ich niemals mehr Feierabend haben? Lebenslanges Arbeiten – online bis zum letzten Atemzug? Viel Zeit, darüber nachzugrübeln, habe ich nicht – der Flieger ruft. Klack-klack-klack-klack-klack.“, schließt Gutjahr seinen Artikel. Mich rufen statischere Arbeitsprojekte, ihr Chor wird zeitweise recht laut, weil ich mich erdreiste, nicht mehr bis tief Nachts am Gerät zu sitzen. Nicht wirklich freiwillig, die Energie reicht einfach nicht mehr für einen 14-Stunden-Tag. Hätte mich nicht der glückliche Zufall im Jahr 2005 mit einem Garten beschenkt, hätte ich damals nicht beherzt zugegriffen und mir so eine „Anderwelt“ erschlossen, die mich immer wieder leibhaftig auf dem Boden der einfachen Tatsachen landen lässt, hätte ich vermutlich den zweiten Burnout längst hinter mir.

Das Loblied der freien, selbstbestimmten, total entgrenzten Arbeit hab‘ ich lange gesungen – und sogar immer schon gelebt, mein ganzes Arbeitsleben lang. Die Jobs, die ich nach dem Abi und als Studentin jeweils ein paar Wochen oder Monate lang ausübte, verschafften mir einen Einblick in die Arbeitswelten der Angestellten und Chefs in Unternehmen und Behörden. Durchweg fand ich diese Art komplett entfremdeten Funktionierens und forcierten Zeit totschlagens (weil man ja nicht gerne tut, was man da arbeitet) so gruslig, dass meine Konsequenz immer klar und deutlich hieß:

„Mit mir nicht!“

Und wie glücklich war ich – allermeist! – dass es auch anders ging. Zwar immer prekär, nur selten mal gut verdienend, anfangs noch rotierend zwischen Projektarbeit, Honorarjobs, eigenen Kleinunternehmungen und „Stütze“ (damals noch die großzügige „Arbeitslosenhilfe“), mit dem Internet seit 1997 schließlich selbstständig als „Webworkerin“. Ich war angekommen, wo ich immer schon sein wollte: selbstbestimmt arbeitend in der Welt der schier grenzenlosen Möglichkeiten.

Jetzt brauchte ich gar keine Mitarbeitenden mehr und herrschte ganz alleine über die Produktionsmittel. Die virtuelle Welt verschluckte mich, mein Leben vor dem Monitor beglückte, inspirierte, faszinierte und befriedigte mich. Phasenweise verdiente ich jetzt auch mal ganz gut, jedoch nie soviel, dass dabei noch so etwas wie „Altersversorgung“ hätte herauskommen können. Meine heutigen Rücklagen würden bei meinem bescheidenen Lebensstil ohne Auto etwa zwei bis drei Monate reichen, wenn jetzt gar nichts mehr reinkäme. Momentan ist mir das zuwenig, ich würde das gerne auf sechs Monate erhöhen – und damit nicht mal das „Schonvermögen“ erreichen, dass einem Hartz4-Bezieher belassen wird. Irgendwie „besorgt“ bin ich deshalb aber nicht, war es mein ganzes Leben lang nicht.

Wenn ich dieser Tage im Web Blogpostings lese von Menschen, die sich mit der Problematik der „Leere“ nach dem Übergang in die Rente befassen, empfinde ich das wie den Einblick in eine versunkene Welt, an der ich nie Anteil hatte und auch nie haben werde. Selbstverständlich werde ich arbeiten bis ich die Tastatur nicht mehr bedienen kann – und dann werde ich schauen, welche Möglichkeiten mir das „Texte diktieren“ lässt. Eines Tages werde ich vielleicht um Spenden bitten müssen für Medikamente, die ich mir nicht leisten kann, doch werde ich mich dafür nicht schämen, denn meine Arbeitskraft ist oft genug „ganz kostenlos“ in sinnvolle, der Gesellschaft dienende Felder geflossen.

Kurzum: Ich bereue keine Sekunde, kein anderes, zwar langweiligeres aber gesichertes und besser verdienendes Leben geführt zu haben. Aber allen, die das glorifizieren und bereitwillig als für alle wünschenswert betrachten, möchte ich doch sagen: Es hat seinen Preis! Die Begeisterung für immer wieder Neues lässt irgendwann nach, man möchte sich dann mehr konzentrieren, entschleunigen, mehr die eigene Lebenserfahrung kondensieren und vermitteln als am Fortgang der Wachstumsmaschine kreativ mitzuwirken, sei es auch noch so selbstbestimmt. Doch dem sind dann Grenzen gesetzt, denn solche Bedürfnisse kollidieren mit eben jenem Mantra, das die totale Arbeit kennzeichnet:

Keine Zeit!

***

Auch lesenswert:

Sinn der Arbeit: Ich arbeite, also bin ich – Patrick Spät;

Ausbeutung 2.0 Die coole Schinderei der Zukunft – Dietmar Dath;

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Diskussion

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24 Kommentare zu „Von der irrsinnigen Liebe zur totalen Arbeit“.

  1. Da sagst Du was, aber echt :-)
    Nicht nur das ständige Reisen, aber auch das Leben nach der Uhr, diese wunderbare Verdichtung und Komprimierung von Zeit , beschert ein traumhaftes Arbeitsklima.
    Wohl dem, der da ein Hobby hat!
    Aber was bringt das Hobby, wenn man keine Kraft mehr dafür hat?! Wie ich unlängst von einer Kursleiterin hörte, brach eine Teilnehmerin abends einen Keramikkurs ab, weil sie sich völlig entkräftet fühlte.
    Das stakkatoartige Ableisten von 1000 Dingen tagsüber hatte seine Spuren hinterlassen.

  2. Hi Gerhard, 1000 Dank für deinen Kommentar!

    Anschließend an den Dialog mit Peter zum Thema „keine Sau interessiert mein Blog“ kann ich hier nachtragen:

    Auch eine Verdreifachung der Besucherzahlen (wie momentan bei DIESEM Artikel) bedeutet letztlich gar nichts – vor allem nicht, dass irgend jemand (außer dir und manchmal noch drei Anderen, die hier Stammgäste sind) sich bemüßigt fühlt, etwas dazu zu sagen. Ist ja auch kein Wunder angesichts der Millionen Texte im Web…

    Zur Sache: Totale Arbeit hat es eben so an sich, die „Hobby-Interessen“ zu umfassen. Spiel und Arbeit werden tendenziell eins und das ist im Grunde beglückend, so lange es währt. Es geht aber nicht ewig so weiter, irgendwann ist auch das tollste Ereignis, das schönste Werk, die größte Resonanz nichts Anstrebenswertes mehr, denn was hat man davon? Man darf weiter machen…

    Knapp vor PC-Zeiten las ich fasziniert ein schmissig geschriebenes Buch über die Enwicklung eines (mittleren) Computers. Die Programmierer saßen in einem unterirdischen Bunker, schliefen oft auch dort und entwickelten wie die Irren – das Buch hieß im Untertitel „Von der Seele einer neuen Maschine“. Ein Rezensent machte sich darüber lustig, dass die Leute 18 Monate so extrem engagiert in diesem wenig menschenfreundlichen Ambiente malochten. Und ihre Belohnung war: Sie durften auch das nächste Modell entwickeln…

    Ich hab damals den Kopf darüber geschüttelt, war aber gleichzeitig fasziniert von der Story. Heute weiß ich, dass es nicht mehr nur unterirdisch arbeitenden Programmierern so geht. Sondern immer mehr Menschen der neuen totalen Arbeit verfallen, die nichts mehr neben sich kennt.

  3. So wie ich Dich verstanden habe, ist das Hobby die KOMPENSATION der Totalarbeiter. So wie sich Manager etwa eine Yacht zulegen. Ich fand es schon immer schief, harte Arbeit durch ein anspruchsvolles Hobby ausgleichen zu wollen. Man will womöglich ein zweites Leben neben der Arbeit, heftig und schnell gestrickt. Und das erzeugt zusätzlichen Druck.

    Das, was Du über Programmierer im Bunker schriebst, ging mir in letzter Zeit auch über Wissenschaftler nicht aus dem Kopf.
    Manch einer hat Großes entdecken können, durch vollkommen maßlose Arbeit unter Verschluß, über viele Jahre. Die Frage an diese Leute wäre: Hat es sich gelohnt? Nicht etwa durch Preise und Status, aber hat es sich im Nachhinein gelohnt – und zwar ausserhalb des Fakts, daß man sein Spezialthema tiefer kennt wie das Gros ähnlicher Wissenschaftler? Hat man das Gefühl, diese Maloche war es wert, wenn man die Natur in vielen Punkten besser versteht? Weil man etwa als Biologe und Chemiker weitgehend weiß, wie sich die Dinge im Mikro-und Nanobereich verhalten und welche Prinzipen da herrschen?!
    Ist genau das bleibend wertvoll und rechtfertigt PERSÖNLICH den manchmal jahrzehntelangen Verschluß?
    Gibt es überhaupt solche Fragen?

  4. Lieber Gerhard, es gibt alle Fragen, die du oder ich stellen! Wer sonst sollte darüber befinden?

    Die Frage nach der persönlichen Rechtfertigung kann nur die jeweilige Person beantworten. Die damit auch eine Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ gibt.

    Im Garten bin ich nicht diesselbe, die ich vor dem Monitor bin. Ist das nicht seltsam? :-)

    Man kann sich vollständig mit einem Thema, einer Aufgabe, einer Forschungsfrage identifizieren und „darin aufgehen“.

    Ich kann und will das seit meinem ersten „BurnOut“ (wie man das heute nennt) nicht mehr. Dennoch bin ich in den 90gern einer „Methode“ verfallen, nämlich dieser auf neue Art totalen Arbeitsweise, die alles umfasst – obwohl die Themen und Aufgaben wechseln,

    Der Garten ist meine Rettung, mein Ausgleich, mein Anker im natürlichen Geschehen. Der Manager mit der Jacht nutzt sie vermutlich nur zweimal im Jahr – das ist etwas anderes.

    Und „totale Arbeit“ muss keineswegs HART wirken, das würde der Anmutung von Selbstverwirklichung widersprechen. Man kann ja seine Pausen selber wählen – will sie aber eigentlich gar nicht mehr, sondern kritisiert die physische Körperlichkeit in ihrer begrenzten Leistungsfähigkeit als lästiges Schwächeln.

    Schon irre… und so viele leben derzeit so!

  5. Die so genannten freiwilligen Sklaven die Glauben, wenn sie sich mit dem Peiniger identifizieren, sie ihr Leid unter Kontrolle haben und es dann keins mehr ist. Nur die vorzeitig verbrauchten und kranken Körper wiederspiegeln die selbstverarschung und Selbstzerstörung

  6. Meine Frage, liebe Claudia, war ja auch: Gibt es eine solche Erhebung in Buchform?
    Ich erinnere mich (sinngemäss) an eine Aussage von Hoimar von Dittfurth, in einem seiner letzten Interviews: „Ich finde es als eine Anmaßung, jetzt abtreten zu müssen (wo manche wichtige wissenschaftliche Fragen vor ihrer Klärung stehen)“.
    Das heißt für mich, man möchte weiter forschen, letztlich nie aufhören wollen mit Forschung.
    Ich erinnere mich, ausgelöst durch Deine richtige Anmerkung, daß man als totaler Arbeiter gar keine Pausen mehr will, an einen frühen Belmondo-Film, in der er einen exzessiven Workaholic spielte. Plötzlich wurde der Film weiß. Für vielleicht 15 Sekunden. Danach sah man eine Prozession zu einem Friedhof.
    Die Psychologie liefert ja auch eine altbekannte Erklärung für das Verweigern von Pausen: Man würde sich stellen müssen, seine Herangehensweise ans Leben hinterfragen müssen. Das wäre recht unangenehm. Also malocht man weiter.

  7. @Cource:

    Wo wäre denn der „Peiniger“ des viel reisenden Journalisten Gutjahr, der sich selbst die Aufträge aussucht bzw. eigenen Stories nachgeht?

    Wo sind die Peiniger der erfolgreichen Pro-Blogger, die von ihren Projekten leben, die sie komplett selbst bestimmen? (Z.B. „Selbständig im Netz“.

    Wer „peinigt“ den engagierten Wissenschaftler, den neben seiner Forschungsfrage nichts anderes interessiert?

    Ich finde, mit dieser Art Schuldzuweisung an klassische „Ausbeuter“ ist das Phänomen nicht wirklich getroffen!

    @Gerhard: im Buch- und erst recht Wissenschaftssektor weiß ich nicht Bescheid. Evtl. könnte ich mal jemanden von den Science-Files fragen, ob sie das mal zum Thema machen wollen.

    „Die Psychologie liefert ja auch eine altbekannte Erklärung für das Verweigern von Pausen: Man würde sich stellen müssen, seine Herangehensweise ans Leben hinterfragen müssen. Das wäre recht unangenehm. Also malocht man weiter.“

    Recht unangenehm würde es doch nur dann, wenn man nicht wirklich einverstanden ist mit dem, was man tut und wie man es tut.

    Leider finde dich den Text / das Buch nicht mehr, das beginnt mit den Worten: Ein Gespenst geht um in Europa, das ist die LIEBE ZUR ARBEIT….

    Selber kann ich gut pausieren, indem ich mich im Garten auf die Liege lege und „meditiere“. Gedanken einfach kommen und gehen lassen, den Insekten und Vögeln lauschen… wie wunderbar!

  8. @Claudia, „Herangehensweise ans Leben“ war sehr unsauber von mir formuliert. Sorry. Ich meinte eher, sich seinen Ängsten zu stellen.

  9. Die Peiniger sind die Auftraggeber, die zu ihren Bedingungen die Leistungen der Selbständingen abkaufen

  10. @Cource: das ist eine etwas einseitige Sicht der Dinge, wenn ich auch nicht abstreite, dass es Bereiche gibt, wo das so stimmt.
    Aber mal ein Beispiel: ich schreibe inhaltstreiche gute Artikel für Unternehmensblogs und Magazine – für Honorare zwischen 100 und auch mal 200 Euro, je nach Aufwand. Sowohl für Menschen als auch für Suchmaschinen „gut gemacht“.
    Leider gibt es unzählige Menschen, die für Textbroker Texte ab lächerlichen 3 Euro schreiben – und wenn sie sich sehr anstrengen, kommen sie vielleicht auf einen Stundenlohn, der dem Mindestlohn knapp entspricht. Das ist wahre „Sklavenarbeit“, die es nicht gäbe, wenn sie niemand anbieten würde.

  11. @Claudia: es gibt Portale im Sinne von Angebot und Nachfrage, auf denen die Durchführung solcher Sklavenarbeit recht selbstbewußt angefordert wird. Ganze Agenturen bedienen ihre Kunden aus solchen Pools. Recht unverblümt werden Verstöße gegen Gesetze, Werte und Normen erwartet: Blogtexte sollen nicht als bezahlte gekennzeichnet und auch nicht so formuliert werden, sonst werden sie nicht abgenommen.
    Ich denke, Arbeitsplätze brechen weg und die Menschen sind verzweifelt auf der Suche, sich mittels unterbezahlter Tätigkeit, notgedrungen eine neue Arbeitswelt zu erschaffen. Wie der Esel, dem an einer Stange eine Möhre vor der Nase baumelt. Weil es tatsächlich ein oder zwei Personen gibt, die es in einem Metier schaffen. Und weil es viele gibt, die davon leben, dass sie behaupten, dass es zu schaffen sei.

  12. [..] vor allem nicht, dass irgend jemand
    [..] (außer dir und manchmal noch drei Anderen,
    [..] die hier Stammgäste sind) sich bemüßigt fühlt,
    [..] etwas dazu zu sagen.

    hihi, was soll ich sagen? ich hab‘ drei fantastilliarden hobbies und das einzige, was mich gerade in stress versetzen könnte (wohlgemerkt: könnte) wäre der umzug von einer garage in die andere … aber … hihi … nichts da! die comics sind vor ort (ca. 24 kartons …), die paar möbel werden wohl richtung wochenende in einem rutsch folgen, dann hier im haus noch mal alles in ordnung bringen, dann gemütlich nach trier, streichen und das war’s.

    ansonsten: ich kann mich nicht erinnern, in meinem berufsleben (sieht man mal vom zivildienst ab) je in stress oder in ein stadium geraten zu sein, daß magengeschwüre verursachen könnte. alles eine frage des kompromisses, den man macht, wem das eigene leben gehört.

    meins gehört mir ;-)

  13. Hardy, Du neigst wieder mal heftig zu Übertreibung! In Deinem Alter! Das erinnert mich an einen gealterten Altersgenossen, der meinte, die Freundinnen seines Sohns seien ihm gegenüber nicht abgeneigt….hihi.
    Das eigene Leben gehört, auch wenn Du es Dir gern anders denkst, nur in Portiönchen Dir selbst, da z.B. , wo Du träumst – von großen Möglichkeiten und großem Tun und Freiheit und Unabhängigkeit und den Fantastilliarden Möglicjhkeiten.
    Ein Freund von mir ist seit jeher, schon immer also, auf seine Phantasien umst-gestiegen. Die nähren ihn und die sind unter seiner Kontrolle. Und da erlebt er was!!!! Hei! DAS kann ihm niemand nehmen.
    ;-) :-) :-)
    Nix für ungut soacht moan hierr in bayern.

  14. So wie man nach der Wende die Regimeopfer der DDR entschädigte wird man u.U. auch irgendwann die Leiharbeiter/Sklaven in Deutschland entschädigen

  15. @gerhard

    sorry, aber ich glaube du hast keinen plan von meinem leben und wie ich es gestaltet habe. bitte nicht projezieren oder von dir auf andere schliessen …

    glaub’s mir einfach: es hat mir gehört und ich beweise just in diesem moment, daß es immer noch mir gehört …

    der trick war, etwas zu können, was sonst kaum jemand konnte … ich habe seit 1981 keinen mehr über mir, der mir da reinpfuschen könnte und ich bin resolut genug, jedem, der denkt, er müsse das probieren, zu sagen, wo er sich seine kommandiererei hinstecken kann.

    und, was freundinnen meiner töchter betrifft … für mich beginnt eine frau irgendwo jenseits der 35, darunter ist alles nur „kind“ ;-)

  16. @alle:

    Kurbelursel schrieb weiter oben:

    „Ich denke, Arbeitsplätze brechen weg und die Menschen sind verzweifelt auf der Suche, sich mittels unterbezahlter Tätigkeit, notgedrungen eine neue Arbeitswelt zu erschaffen.“

    Stimmt. Wobei das „notgedrungen“ ein diskussionswürdiger Begriff ist. Man fällt hier ja nicht ins Nichts und es gibt durchaus Menschen, die nicht „Not und Verzweiflung“ empfinden, wenn sie ALG2/Hartz4 beantragen müssen und mal einige Zeit „fördern und fordern“ von Seiten der Ämter ertragen müssen. Es gibt schlimmere Schicksale.

    Zum Beispiel „Textsklave“ sein unter Mindestlohn – finde ich zumindest.

    Kurbelursel schreibt weiter:

    „Wie der Esel, dem an einer Stange eine Möhre vor der Nase baumelt. Weil es tatsächlich ein oder zwei Personen gibt, die es in einem Metier schaffen.“

    Das ist nun sozusagen das Hardy-Beispiel: indem er sich auf etwas sehr Spezifisches konzentriert hat, kann er sich damit bis heute im Geschäft halten. Andere sind mit derselben „Methode“ von irgend einer nächsten, leicht konfigurierbaren Software weggefegt worden: es brauchte da keine „proprietäre“ Programmierung mehr…

    Es gehört also auch Glück / günstige Umstände dazu.

    Bei mir war es keine „spezielle“ Sache, sondern ein allgemeines Talent, das mich immer weiter trägt, obwohl die Themen, Tätigkeiten und Auftraggeber wechseln: ich mach nicht nur „was mit Medien“, sondern kann mich in jemanden hinein denken, die Kommunikatonsbedürfnisse erkennen und dabei helfen, sie auf sinnvolle Art der Welt kund zu tun und zu verbreiten.

    ES gibt allerdings weder für Hardy noch für mich Grund, sich diese positive Situation stolz als ausschließlich eigene Leistung ans Revers zu heften!

    Wir hatten unter sehr viel angenehmeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen einfach bessere Chancen, mehr Freiräume, mehr stressfreie Bildung, viel mehr Muse und mehr Förderung als das, was heute so geboten wird.
    Und das wirkt halt ein ganzes Leben nach…

    Später Geborenen geht es lange nicht mehr so gut. Insofern: Gemach mit dem Stolz und Eigenlob!

  17. @claudia

    [..] stolz als ausschließlich eigene Leistung

    natürlich gehört ein quäntchen „glück“ dazu, wenn man sich an einem punkt, an dem das alle noch für komplett bescheuert halten, einer sache verschreibt, die – überraschung! – dann doch nicht ganz so bescheuert war, wie die besserwisser und rechthaber das glaubten erkennen zu müssen.

    aber, das ist denke ich mal nicht mein punkt.

    mein punkt ist _haltung_.

    das leben ist bequem, wenn man keine hat. man kann sich anpassen, ordnet sich halt ein bißchen unter und lebt damit, daß andere die route vorgeben.

    das war jetzt nicht so mein ding.

    nicht als frage des „stolzes“ eher als „was fange ich mit meiner zeit an“ und da bin ich nun mal sehr sehr sehr eigensüchtig. dieses in der nacht arbeiten, das ich ja jetzt fast 30 jahre mache, ist ja auch ein freiräumen der damit verbundenen zeit: es kommt keiner in mein zimmer und erwartet etwas von mir. ich bestimme selbst, wann ich was tue.

    und habe eben getan, wonach mir war. deshalb denke ich mal, mein leben hat _definitiv_ mir gehört, im sinne von „meine zeit hat mir gehört“. ich konnte sie für die fantastilliarden interessen und hobbies aufwenden, andere sitzen brav auf dem sofa neben ihrer frau – ich habe immer entschieden, wann und ob ich das will.

    der nächste punkt wäre: anspruch.

    wenn ich den anspruch habe, ein dickes auto zu fahren, muss ich es finanzieren und werde in dem moment zum sklaven dieses gegenstandes. ich habe also immer versucht, so bescheiden wie möglich zu leben und eben nicht der sklave meiner wünsche und begehrlichkeiten zu werden.

    letztens habe ich zu meinem blutsbruder gesagt: „ich wollte einfach so wenig wie möglich schaden auf dem planeten anrichten und wenn ich gehe, dürfte mir das einigermassen gelungen sein“ …

    natürlich bin ich so etwas wie der sklave meiner angewohnheiten und der routinen, in die ich verstrickt bin. täglich fleissig meine podcasts hören, dafür sorgen, daß meine aufnahmen bestens „getagged“ und ordentlich einsortiert werden, filme, die ich aufnehme umrechnen, halt der kram, mit dem ich so meine freie zeit verbringe. im moment konkret das überspielen all der videobänder mit radio-rock-features, die ich demnächst wegwerfen muss. auch so eine art trotzigen „ein apfelbäumchen pflanzen“ im angesicht großer, ahem, größter unwägbarkeiten.

    „eigenlob“ ist so eine sache.

    warum sollte man nicht sagen, was und wie man es tut? wir hatten hier mal vor langer zeit eine diskussion, in der ich für weniger falsche bescheidenheit plädiert habe, also dinge nur deshalb nicht zu sagen, weil sie beim gegenüber auf so etwas wie „neid“ treffen könnten und man sich dem anpasst, von dem man denkt, der andere „erwarte“ …

    das wäre dann der nächste punkt:

    mir ist es ziemlich egal, was wer denkt oder denken könnte. ich bin da „nerdy“ und unempfindlich für die erwartungen anderer.

    womit wir wieder bei „haltung“ wären ;-)

    man kann sein leben damit verbringen, die (projezierten) erwartungen anderer zu erfüllen … oder eben seinen eigenen kram zu machen und einen deut darauf zu geben, was andere erwarten.

    das wäre in etwa meine „haltung“. andere leute leben ja nicht mein leben und ich muss nicht das ihre leben. mich dem anzupassen, was andere sich so vorstellen, was ich so oder so am besten tun sollte, ist immer dumm, weil man dann eben seine zeit verschwendet.

    ich bin, zugegeben, ein klitzekleines bißchen stolz, meine definitiv nicht verschwendet zu haben ;-)

  18. Ja Hardy, mir geht es in den von dir angesprochenen Dimensionen ganz genauso! Mein Einblick in die damals gewöhnliche Arbeitswelt hat mich mit einem ganz klaren „mit mir nicht!“ reagieren lassen.

    Ich will doch nicht viele Stunden am Tag irgend einen langweiligen Scheiss abarbeiten, um mir irgendwelche Sachen kaufen zu können, die dann als „Statussymbol“ oder heftigst notwendige „Reproduktion“ funktionieren (=tolle „Urlaube“, Wellness, letztlich sogar Ballermann für all die Armen, die keine andere Form finden, um lustvoll auszurasten…)

    Nein, nein, nein.. nie hab ich das auch nur von Ferne in Betracht gezogen!

    Und ja, diese Haltung hat ein Leben lang gut getragen – ich hab nicht gehungert, keine echten Entbehrungen verspürt, mir hat es auch nicht an sozialer Anerkennung gefehlt, denn eigentlich mögen die Menschen jene, die ihren eigenen Weg gehen.

    ABER: es ist nicht nur mein / unser Verdienst. Hätte es z.B. damals neben „Demokratie wagen“ nicht auch die SPD-Bildungspolitik gegeben, die BAFÖG für alle, die es brauchten, ermöglicht hat (OHNE gleichzeitig einen universitären Stress zu erzeugen, wie das heute der Fall ist) – hey, dann hätten die Dinge für mich anders ausgesehen!

    Ja, klar, ich bin auch ein bisschen stolz auf dieses selbstbestimmte Leben – halte den aber im Zaum, weil er nicht die ganze Wahrheit ist. Das, was uns „drohte“, wenn wir diesen eigenen Weg gingen, ist nicht vergleichbar der heutigen Drohungen! Fängt schon damit an, dass man ZEIT ZUM REFLEKTIEREN, zur Selbstbesinnung haben muss…

    Schön, unser Gespräch!

    Gerne hätte ich jetzt eine tiefere Einlassung von „Course“, der ja immerhin wieder gekommen ist, was ich nicht angenommen habe!

  19. @claudia

    [..] denn eigentlich mögen die Menschen jene,
    [..] die ihren eigenen Weg gehen

    wenn sie tot sind ;-)

    du weisst ja, daß ich im grunde eine strikt historische sicht auf die dinge um mich herum habe, sprich das jetzt als einen punkt in zeit und raum betrachte, die gegenwart sozusagen als das mittelalter von morgen.

    wir können natürlich sagen, daß dieser oder jener etwas gemacht hat, was uns weiter gebracht hat und … natürlich, da hast du meine volle zustimmung … ist es nicht _unser_ ureigenes verdienst, daß wie so leben konnten wie wir nun mal leben. vor nicht mal 80 jahren wären wir in einem lager gelandet. so viel zum thema, „eigenen weg“ gehen und auf zuneigung stoßen.

    ich denke eher, der mensch ist halt nicht in der lage, etwas zu verstehen, was er eben nicht versteht. man denkt ja immer, man versteht was, aber man versteht eben immer nur, was man verstehen kann, weil man es so gelernt hat. einen neuen gedanken fassen und damit „durchkommen“ ist – denke ich mal – eine eher riskante sache. früher wäre man auf den scheiterhaufen gekommen, heute wird man halt eher das ziel von spott und unverständnis, wenn man was macht, was andere nicht verstehen.

    nehmen wir zb. die idee, daß man als papa auch ganz gut alleine drei kinder erziehen kann. heute gibt’s für so was elterngeld, als ich es probiert habe, bin ich nach zwei jahren mit den kiddies alleine plötzlich vor einem richter steht, der in 12 minuten bei der 20. verhandlung an einem tag am frühen nachmittag findet, daß brüste nunmal trumpf sind, auch wenn die dazugehörige frau sich in diesen 2 jahren einen dreck gekümmert hat.

    irgendwann habe ich dann mal ein buch von mattussek gelesen und da fiel mir dann auf, daß nicht nur ich diese erfahrung in eden 90ern gemacht habe.

    nein, ich glaube nicht dran, daß „eigene wege“ gern gesehen werden, das gehört definitiv nicht zu meinen erfahrungen.

    [..] nicht die ganze Wahrheit

    die ganze wahrheit ist immer eine summe aus vielen dingen.

    „stolzer“ als auf mein geglücktes herumspielen mit homecomputern bin ich in wirklichkeit auf ganz andere dinge, die mehr damit zu tun haben, mich nicht verbittern zu lassen, weder durch einen hersüchtigen tyrannen als vater noch von einer hinterhältigen person, deren brüstebonus funktionierte, wenn’s drauf ankam.

    das eigene leben gehört einem ja auch nur dann, wenn man es nicht der willkür anderer überläßt oder den erfahrungen, die an macht und die man dann nicht an anderen ausläßt, kinder oder neuer partnerin zb. weil man nicht zum sklaven von negativen prägungen werden will.

    natürlich ist unser bonus dabei, daß wir eben mit den gedanken anderer konfrontiert werden und daraus ggfl. was lernen. bei mir ist das zb. marian scarfe „autonomie & nähe“, ein buch einer amerikanischen eheberaterin, daß mir einiges über beziehungen erklärt hat oder … hihi, ich habe sie auf twitter entdeckt und mich herzlich bei ihr bedankt … susanne pölchau, deren sendungen über menschliches miteinander ungemein inspirierend waren.

    du verstehst: natürlich sind wir das produkt desen, was die zeit und die umwelt an uns heranträgt, aaaaaaber … wenn wir nix draus nutzt uns das ja auch nix ;-)

    [..] Schön, unser Gespräch!

    auch wenn wir gerade wahrscheinlich mal wieder furchtbar abschweifen ;-)

  20. (..)du weisst ja, daß ich im grunde eine strikt
    (..)historische sicht auf die dinge um mich herum
    (..)habe, sprich das jetzt als einen punkt in zeit
    (..)und raum betrachte, die gegenwart sozusagen
    (..)als das mittelalter von morgen.

    gestern, als heut noch nicht
    vorbei war-
    und morgen ein Traum.

    so oder so ähnlich dachte ich
    vor ein paar jahren und in diesem
    „Netz der Netze“ fand ich hinweise,
    dass wir alle „lebenslänglich“ haben.

    nur draussen.

    für meinen Teil: ich hab ziemlich
    viel mist gebaut, aber: könnte ichs
    nochmal machen es käme wohl dasselbe
    ergebnis dabei raus.

    arbeit: für mich keine „Arbeit“,
    sondern lebenslängliches hobby.
    ca. 20 jahre so um die 15.000-20.000
    Scheisshauskabinen aufgebaut, perfekt,
    ohne auch nur eine einzige Reklamation.
    den Arsch manchmal echt aufgerissen
    blut in den Schuhen, zerschlagene Handknöchel
    (vom Stemmen der Löcher im Fussboden),
    schmerzende Knie, der Rücken machts mittlerweile
    auch nicht mehr so recht mit.
    aber jammern? HA! ich hab das so gewollt,
    habs gemacht und weiss dass 100tausende
    von Leuten in ruhe scheissen können.
    irgendwo tief im innern weiss ich dass diese
    meine Entscheidung richtig war, auch wenn ich
    genaugenommen die realen ergebnisse in
    penunzepuckelikanischer Hinsicht
    nicht so ganz für voll nehmen kann.

    seis drum. bin ganz zufrieden damit.
    und ich machs immer noch.:)

    gruss aus sz ingo

  21. @ingo

    [..] für meinen Teil: ich hab ziemlich
    [..] viel mist gebaut, aber: könnte ichs
    [..] nochmal machen es käme wohl dasselbe
    [..] ergebnis dabei raus.

    wo darf ich bitte unterschreiben?

    zu der ganzen wahrheit gehört auch, daß jeder scheisse baut, weil er oder sie es eben an jenem punkt in zeit und raum nicht besser weiss und nicht besser kann.

    scheisse bauen ist okay.

    schlimm ist nur, wenn man bewusst etwas böses tut, andere verletzt, die schwach sind. lügt, weil man zu feige ist. nicht hilft, wenn man helfen kann.

    [..] weiss ich dass diese
    [..] meine Entscheidung richtig war

    auch wenn ich nicht so ganz dran glaube, daß wir so etwas wie einen „freien willen“ haben und nur im rahmen dessen entscheiden können, was wir eben wissen oder verstanden haben: ja, eindeutig ;-)

  22. Hi zusammen,
    also ich gehe gerne zur Arbeit denn Freizeit langweilt mich meist.

  23. Na dann komm mal her. Putze meine 200m2, koche, kümmere Dich um meine Tiere, meinen Hof und meine Kinder. Wenn Du damit fertig bist geb ich Dir unsere Oma (86) die braucht auch genug Zeit…. Ich denke mal bei 3 oder 4 Kindern brauchst Du mehr als bis 9 Uhr morgens um den haushalt wirklich in ordnung zu haben ( vielleicht haben wir ja da unterschiedliche Vorstellungen von??)Selbst als ich mit nur einem Kind 30h pro Woche gearbeitet hab war der Tag nie lang genug. OK eine Putzfrau hätt da wahrscheinlich geholfen, aber das mag ich net.

  24. oha, die dummschwätzerbrigade hat auch was mitzuteilen …