Claudia am 25. Mai 2015 —

Pfingsten – kann das weg?

Aber nein, werden jetzt viele denken, bloß nicht! Schließlich ist so ein langes Wochenende nichts, was man gerne aufgeben würde. Aber davon mal abgesehen: Wer „feiert“ eigentlich noch Pfingsten?

PfingstgeistIch komme auf dieses Thema, weil keines der Blogs aus meiner Blogroll oder meinem Feedreader irgendwelche Worte über Pfingsten verliert. Auch auf Rivva finden sich nur die üblichen Alltagsthemen und selbst im Mainstream – gesichtetet über Google News – muss ich die Suche bemühen, um ein paar wenige Artikel mit „Pfingsten“ im Titel zu finden. Meist sind es Ausflugstipps oder oberflächliche Info-Artikel mit lexikalisch anmutenden Antworten auf die Frage nach dem Pfingsochsen, dem Pfingstwunder und den Terminen für die Pfingstferien.

Nur die gute alte Tante ZEIT müht sich, etwas Gehaltvolles über Pfingsten zu schreiben. In „Das Ich ist die Sonne“ fragt Thomas Assheuer:

„Was hält eine Welt zusammen, die nur aus Einzelkämpfern besteht? Eine Gesellschaft, in der unterschiedlichste Kulturen aufeinanderprallen, die oft nur eines gemeinsam haben, nämlich ihre schier unüberwindliche Fremdheit?“

Ausgehend von zeit-typischen Slogans wie „Unterm Strich zähl ich“ schaut der Autor zurück auf die multikulturelle, aber unfriedliche Gesellschaft im Judäa der dreißiger Jahre, in der sich das Pfingstwunder laut Bibel ereignet haben soll. Es herrschte „babylonische Sprachverwirrung“, die Strafe Gottes für den Versuch, durch Bau eines hohen Turms gottgleich zu werden. Und dann das Wunder:

„Was dann am jüdischen Wochenfest geschieht, trägt zu Recht den Namen „Wunder“. Ein „Brausen“ entsteht, und plötzlich hört jeder den anderen in seiner eigenen Muttersprache reden. Wildfremde Menschen sprechen mit einer Zunge. „Sie gerieten außer sich vor Staunen: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden?“ Jedenfalls sind die Menschen seltsam beseelt und „eines Geistes“. Römer, Kreter, Ägypter, Parther, Meder, Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Menschen aus Phrygien und Pamphylien.
Mit anderen Worten: Die menschlichen Sprachen bleiben zwar immer noch voneinander geschieden, aber sie sind keine undurchdringlichen Universen mehr – sie lassen sich vollständig ineinander übersetzen. Jeder versteht jeden, und man muss nicht Muttersprachler sein, um eine fremde Kultur verstehen zu können.“

Bedauerlich, dass dieser Geist heute einfach nicht auf uns herab kommen will! Grillen, Chillen, Feste feiern – das ist Pfingsten heute. Der „Karneval der Kulturen“ in Berlin kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es viele Menschen gibt, die gar nicht erst verstehen WOLLEN, mal ganz abgesehen vom Können.

Einheimische und Fremde – wer will schon verstehen?

Der Fremdenhass, der in Kommentaren unter Artikeln über Probleme mit Asylbewerbern zu Tage tritt, ist erschreckend und deprimierend zugleich. Es sind Medien entstanden, die sich exakt diesem Hass widmen und ihn verstärken, wo sie können. Die werde ich nicht zitieren oder verlinken, doch funktioniert das beispielhaft immer so: Irgendwo in DE sind hunderte junge männliche Asylbewerber in einer „Notunterkunft“ (Turnhalle) untergebracht, ohne jede Beschäftigungsmöglichkeit. Die Toiletten sind schnell in üblem Zustand, im Umfeld der Unterkunft liegt Müll herum und zudem nehmen es sich die jungen Männer heraus, Anwohnerinnen auf Englisch anzusprechen mit dem Ansinnen, sie kennen lernen zu wollen. Das Hass-Medium nimmt sich nun dieser ach so furchtbaren Zustände an, die von den „Systemmedien“ ja angeblich verschwiegen werden, vermischt Tatsachen, Gerüchte, Ängste von Anwohnern (da reicht schon eine interviewte Person, um dem Artikel den richtigen Drive zu geben) und zeichnet alles in grellen Farben. Darunter geht dann die Post ab, der zivilisatorische Lack spielt bei den Kommentierenden offenbar kaum mehr eine Rolle!

Ich frag mich immer: Wessen Anliegen ist es, solchen Hass zu schüren? Und wie primitiv denken eigentlich jene, die das dann noch verstärken? Müsste nicht jedem vernünftigen Menschen auffallen, dass diese Art der Unterbringung kaum Anderes zulässt als die kritisierten „Zustände“? Wenn für zuviele Menschen zu wenige sanitäre Einrichtungen da sind, sind die nun mal schnell verdreckt. Und was sollen die jungen Männer aus dem Beispiel den ganzen Tag tun? Ist es verwunderlich, dass sie versuchen, eine Frau kennen zu lernen? Ist „auf englisch angesprochen werden“ denn schon eine extrem schlimme Bedrohung?

Und der Müll: Genug Tonnen wären das Mindeste, darüber hinaus bietet das Thema einen schönen Einstieg in die Kulturvermittlung, wenn sich denn jemand darum bemühen würde. Deutsche Mülltrennung könnte regelrecht gelehrt werden und vielleicht wäre das in diesem Kontext anstehende „Umgebung reinigen“ ja sogar sinnvoll auszudehnen auf jene Wäldchen und vernachlässigten Flecken, an denen die Einheimischen gerne ihren Dreck illegal entsorgen. So im Rahmen einer beiläufig entstehenden Umwelt-Initiative aus freiwilligen Anwohnern, Flüchtlingen und Migranten? Man hätte friedlichen Kontakt, ein bisschen Beschäftigung und sichtbare positive Beiträge zum Gemeinwesen.

PFINGSTEN hat als bloßes Grillfest kaum noch einen Sinngehalt. Um es zum „Fest der Integration“ zu machen, müsste allerdings eine ganze Menge Geist von irgendwo herab kommen. Und der lässt leider auf sich warten!

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Diskussion

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8 Kommentare zu „Pfingsten – kann das weg?“.

  1. Liebe Claudia,

    Pfingsten ist das nicht der Fest der Kommunikation? Menschen fingen an zu reden, in verschiedenen Sprachen. Welch ein Wunder, sie haben sich dennoch verstanden.

    Das ist ein schöner Schreibimpuls den du hier in die Runde wirfst. Es juckt mich, doch ich bin mal wieder mit Abraham beschäftigt. Genauer gesagt mit Abraham und seinem Sohn, dem Isaak.

    Liebe Grüße nach Berlin
    Christa

  2. Ich kenne das hauptsächlich daher – sehr beeindruckend

    Aber Isaac war da nicht wirklich Thema. Wie kommst du auf ihn?

  3. Werden wir in deinem blog oder anderswo darüber lesen dürfen, Christa, was dich bei Abraham und Isaak beschäftigt? Ich würde mich riesig darüber freuen, weil – auch wie hier in diesem Beitrag von Claudia:

    wenn etwas zum selber nachdenken anregen kann, wozu auch sicherlich der ganze Stil und die Art des Beitrages unerlässlich ist um die Fantasie anzuregen, dann ist das, ja, wie, hhm,… ja: Benzin für den Motor.

    Das ist für mich etwas, das bloggen wirklich weiter geben kann.

    Hin und wieder muss ich dabei an die Mengenlehre denken, die ich als Schüler nie richtig verstanden habe. Doch: es gibt den Einzelkämpfer und die Gemeinschaft. In der Schnittmenge treffen wir uns und gehören zusammen. Aber wie Atome kreisen wir in diesen beiden Mengen. Mal sind wir drin, mal sind wir draußen.

    Dieses Phänomen ist bewegend, deprimierend wie auch fasziniert und bewegt die Geister schon seit:
    1. Mose: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde….

    Nun, noch für die verbleibenden restlichen 30 Minuten wünsche ich dir:

    Schöne Pfingsten,
    LG, Menachem

  4. Man müsste halt einfach damit anfangen.

  5. @Juh: klar. Wäre ich <40, würde ich so eine Umwelt-Ini gerne starten! Doch ganz untätig bin ich auch jetzt nicht, sondern verweise auf mein "Formularprojekt" in der Seitenleiste, dem ich mich bis heute und auch in Zukunft widme. Zudem nehme ich am "Zukunftswochenende" der KuB teil, auf dem alle Aspekte der Arbeit („Beratung und Begleitung von Flüchtlingen und Migrant_innen“) etwas grundsätzlicher als sonst beraten werden.

    Somit halte ich mein persönliches Engagement im Flüchtlingsbereich für ausgeschöpft. In Berlin gibt es im übrigen viele Aktive, die sich im sehr konkreten Refugee-Support betätigen. Auf dem Land und in kleinen Städten wird ds viel schwieriger sein…

  6. niemand hat die asylbewerber gebeten zu kommen. logischerweise ärgert es die leute, für deren entscheidung zahlen zu müssen. und die belästigungen von frauen gehen weit über das ansprechen hinaus:
    http://www.blu-news.org/2015/05/19/anwohnerinnen-durch-asylbewerber-belaestigt/
    das schlimmste wird in den systemmedien verschwiegen.
    der anstieg der vergewaltigungsraten in schweden seit der masseneinwanderung aus afrika ist übrigens 1500%, darunter auch gruppenvergewaltigungen und vergewaltigungen von mädchen unter 15. täter in fast allen fällen muslimische männer.

    wessen anliegen es ist, diese leute überhaupt hereinzulassen und diesen hass zu schüren habe ich schon an anderer stelle angedeutet: es ist das anliegen von denen, die das wirtschaftssystem wegen erwiesener disfunktionalität scheitern lassen müssen und dabei eine rechtfertigung für autoritäre maßnahmen brauchen, um ihre macht darüber hinaus bewahren zu können. es muss auch sichergestellt werden, dass diese sozialistische politik nicht weitergeführt wird, auch die politik trifft der hass der bevölkerung, weil sie die flut erst ermöglicht haben. das benehmen der jungen, männlichen, zu einem großen teil muslimischen asylanten ist, wenn der staat keine billigen kredite mehr bekommt und die sozialleistungen ausfallen, sehr leicht vorhersehbar. oder glauben sie, dass die dann auf einmal zu handwerkern und ärtzen werden?

  7. Dieser Blog ist wirklich außergewöhnlich. Ich lese hier viel.

    Das Gedicht von Jorge Luis Borges „Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte,“ würde ich ergänzen mit der Zeile:
    Ich würde lesen und lernen, lesen und lernen, lernen …

  8. @Jorge: freut mich sehr, danke!! Und wie schön, wenn sich ein schon länger mitlesender Leser mal meldet!

    @rote_pille: Du bist sozusagen der hier materialisierte Prüfstein im Sinne dessen, was ich im aktuellen Beitrag „Bereinigte Bubbles…“ beschreibe, beklage und immanent einfordere.

    Von Schweden im Kontext Vergewaltigung ist mir bisher nur bekannt gewesen, dass der Tatbestand bei ihnen sehr viel „früher“ anfängt (Fall Assenge). Diese Info jetzt und ihre Rahmenbedingungen müsste ich erstmal checken, um sie bewerten zu können. Im übrigen habe ich nie behauptet, dass Flüchtlinge und Migranten niemals Straftaten begehen – ein paar davon können sogar nur sie begehen. Man muss dagegen mit den üblichen Instrumenten des Rechtsstaats und der Sozialarbeit vorgehen – wie man ja auch jegliche solche oder andere Häufung von Straftaten bei lange schon Einheimischen bekämft.

    Wir sollten alle die Globalisierung Ernst nehmen und nicht glauben, man könne oder solle sich hier nochmal als ethnisch weitgehend homogene Gruppe einmauern. Anstatt diesem absurden Glauben anzuhängen, könnte man mal – weil doch alle dafür sind, dass die Übel in den Herkunftsländern bekämpft werden sollen – die Diskussion darüber, wie das gehen könnte, mal versuchsweise mit den Flüchtlingen aus der nächsten Unterkunft führen.

    Würde sowas kundig veranstaltet, wäre es eine Begegnung auf gleicher Augenhöhe mit großem Kulturtransfer-Potenzial. Weil der „europäische Friede“, den sie ja schätzen und aufsuchen, dann auch bedeutet, dass in den Heimatländern verfeindete Gruppen zivilisiert miteinander diskutieren müssen, dann ist das ein echter Beitrag für den Frieden.

    Ihr letzter Absatz ist mir zu verschwörungstheoretisch. Startet ja schon mit einer falschen Annahme, nämlich wieder der Glaube an „die Mauer“, die uns vor denen da draußen schützen könnte/sollte/müsste. Sie tut es NICHT – und wenn es keine legalen Verfahren gibt, dann kommen eben mehr „Illegale“…