Immerhin spielt der „Sinn des Lebens“ eine Rolle im Untertitel dieses Blogs. „Vom Sinn des Lebens zum Buchstabenglück“ verweist auf das kleine Glück, sich schriftlich ausdrücken zu können – und nicht nur für die Schublade, sondern als Kommunikation mit der Welt da draußen.
Heute schrieb „dasNuf“ in Wie Kühe auf der Weide:
„Dieser Alltag. Alles ist bestens, aber wenn ich näher darüber nachdenke ist es so sinnlos. A – B – C. Jeden Tag.
Ich frage mich, ob ich unzufrieden sein darf. Darüber, dass ich plötzlich alt aussehe auf Fotos. Überall Falten.
Darüber, dass ich Pflichten zu erfüllen habe.
In mir sammelt sich Wut. Mir war das gar nicht klar. Eine Freundin, die auch jemanden verloren hat, sagte das: “Ich bin so wütend” und plötzlich denke ich: “Ja! Ja, genau! Was ich fühle ist Wut. So viel Wut.”
Über jede verschwendete Minute meines Lebens. Rückwirkend. Jeden Satz, den ich nicht gesagt habe. Jedes Gefühl, das ich unterdrückt habe und ich habe so viel unterdrückt. Wollte funktionieren. Nicht unfreundlich erscheinen. Reif und gelassen. Jetzt ist mir nach fressen, ficken, saufen und zwar genau so ekelhaft unfein wie es klingt. Mehr hat das Leben doch nicht zu bieten. Jedes mittelgute Essen ist eine Beleidigung. Warum muss eigentlich ICH immer diejenige sein, die sich zusammenreißt? Die ruhig bleibt? Die nachdenkt, was wie auf wen wirken könnte? Warum kann ich eigentlich nicht auch mal rumschreien? Ungerecht sein? Utopische Sachen einfordern? Mich irrational verhalten?“
Hat man einen lieben Menschen verloren, der in jungen Jahren aus dem Leben gerissen wurde, stellt sich fast zwangsläufig die Frage, was mit dem eigenen Leben ist: Würde es mich jetzt treffen, hätte ich genug gelebt? Oder habe ich „nur funktioniert“, mich abgestrampelt, um fremden Anforderungen und Erwartungen zu genügen?
Für mich kann ich sagen: Im Großen und Ganzen hab ich das NICHT getan. Deshalb bin ich lange schon selbständig, sitze alleine im Homebüro, hab‘ keine Familie, aber gute Freunde und einen Garten in einer Kleingartenanlage. In den Jahren, in denen andere Kinder groß ziehen oder klassische Karrieren machen, hab‘ ich mich intensiv politisch und sozial engagiert – bis zum Burnout, wie man das heute nennen würde. Finanziell immer prekär, was mich aber nicht gestört hat, denn ich war jung und brauchte nicht viel für mich. Jetzt lebe ich prekär auf einem höheren Niveau, was mich ebenfalls nicht stört, denn an 9-to-5 mit festem Einkommen hab‘ ich mich nie gewöhnt. Nicht gewöhnen wollen, denn wo sich die Gelegenheit bot, war es mir binnen Kurzem viel zu langweilig (bei zugleich hohem Nervigkeitsgrad).
„Jetzt ist mir nach fressen, ficken, saufen und zwar genau so ekelhaft unfein wie es klingt. Mehr hat das Leben doch nicht zu bieten“.
Das ist natürlich nur ein Wutausbruch! Ich wette, auch dasNuf weiß, dass es mehr als das gibt – und dass „fressen, ficken, saufen“ nicht lange befriedigt, sondern auch dick, müde und Kopfschmerzen macht.
Mehr? Und was? Für mich zum Beispiel das:
- Die Freude, jemandem eine Freude zu machen, einen Wunsch zu erfüllen, eine Not zu wenden.
- Das Staunen über alles, was ist – dieses irre große Universum, in dem wir ein Stäubchen sind und staunend zu den Sternen schauen;
- Die Dankbarkeit, dass ich hier noch halbwegs gesund und aktionsfähig sitze und mich mit Themen wie „abnehmen“ beschäftigen darf – eine privilegierte Situation, die angesichts des Zustands der Welt ein unverdientes Glück ist;
- Die Freude, wenn es gelingt, mit Anderen zusammen etwas Positives in Sachen „Weltverbesserung“ zu bewirken
- Die Freude an der Natur: vom Sonnenaufgang über das Wachsen und Blühen der Pflanzen bis hin zum interessanten Leben eines Ameisenstaats.
- Der Flow, versunken in eine kreative Arbeit, die Freude am Gelingen;
- Die Liebe zum Liebsten und zu langjährigen Freunden: wie schön, dass es sie gibt!
- Die Freude über Kommentare, Zuspruch, Ergänzung und Kritik, über die Aufmerksamkeitsgeschenke von Anderen;
- Das Wohlsein auch im Allein sein – ankommen bei sich selbst.
Das ist gewiss keine abschließende Liste, sondern all das, was mir spontan eingefallen ist. Kürzlich saß ein Turmfalke auf meinem Balkon, da war ich stundenlang glücklich, dieses wunderschöne Wesen so ganz aus der Nähe gesehen zu haben. Aus Sternenstaub entstanden in Milliarden Jahren Evolution – wow!
Es gibt so viele Gelegenheiten, Glück und Sinn zu empfinden. Man muss sich allerdings selbst in die Lage versetzen, sie auch wahrzunehmen. Um nicht am Ende des Lebens zu bereuen, nicht gelebt zu haben. Auch Wutausbrüche können dabei helfen.
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
11 Kommentare zu „Vom Sinn des Lebens: nur „fressen, ficken, saufen“ ?“.