Claudia am 22. Januar 2016 —

Welche Medienkritik wollen wir? Zum Start von Übermedien.de

Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz haben dieser Tage das Magazin Übermedien.de gestartet. Es soll sich vornehmlich durch die Leser finanzieren, ohne sich deshalb komplett hinter einer Paywall zu verstecken.

ÜberMedien Screenshot

Das Abo kostet nur 3,99/Monat und ist für alle, die bei Blendle (Kiosk für einzelne Zeitungsartikel) registriert sind, sehr einfach bezahlbar. Aber was ist mit den Anderen? Ich verstehe nicht, wie man mit nur einer Zahlungsweise für eine kleine Teilgruppe starten kann, wenn doch gleichzeitig der Anspruch formuliert wird, sich nicht nur an die besonders medien-affine Szene zu wenden:

„Übermedien ist nicht der zwanzigste Branchendienst. Wir richten uns auch an Journalisten, in erster Linie aber an alle, die Medien nutzen – also: an alle.“

Update 23.1.: Ich wurde darauf hingewiesen, dass sich jeder bei Blendle ganz einfach anmelden kann – und ja, das stimmt! Paypal oder Abbuchung würden Kosten bzw. Aufwand bedeuten – ist also einsichtig, dass man es lieber mit Blendle macht,

Vom Hofnarren-Status der Medienkritik

Zu diesem Posting veranlasst hat mich der großartige Artikel von Wolfgang Michal „Wozu überhaupt noch Medienkritik?“, den ich euch ans Herz legen will. Michal legt den Finger in die Wunden der gängigen Medienkritik und fordert deren Anbindung an die große Tradition der Gesellschaftskritik, damit sie ihren einflusslosen „Narrenstatus“ verliere:

„..heute sind es die Medien (und die Wissenschaft), nicht mehr die Kirchen, die die ‚Glaubensbekenntnisse’ der säkularen Gesellschaften verbreiten, verhandeln und formen. Überspitzt gesagt: Leitartikel und Kolumnen sind die Kirchenkanzeln der Moderne. Und die permanente Unglücks-, Katastrophen- und Terror-Berichterstattung der Medien bietet einen veritablen Ersatz für die im Mittelalter von der Kirche erzeugte Höllenangst. Die Medien sind es, die uns Medien-Gläubige täglich daran erinnern, dass morgen alles zu Ende sein könnte, dass die Welt um uns herum aus den Fugen gerät. Hat das mediale Schüren solcher Ängste nicht die gleiche psychologische Wirkung (oder Funktion) wie die latente Strafandrohung durch eine strenge Religion? Und könnte dies nicht zu der Überlegung führen, dass die Medienkritik für das Zeitalter der Postmoderne das werden müsste, was die Kritik der Religion für das Zeitalter der Aufklärung war (Karl Marx: „Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik“)?

Lest den Artikel, da steht noch viel mehr Interessantes drin! Ich hab‘ ihn kommentiert (das geht dort noch ohne Moderation!), doch nur zum Thema „Empörungszyklen“ und zu meinem Wunsch, mehr Hintergrund über die Mächtigen hinter den Medien und deren Agenda zu erfahren.

Überseht die „Alternativen“ nicht!

Es gibt aber noch etwas, das ich mir wünsche: eine journalistische Befassung mit „alternativen Medien“ – also mit den Medien derer, die vom Mainstream ignoriert werden, die sich gerade NICHT an journalistische Standards gebunden fühlen, aber gleichwohl großen Einfluss auf kleinere und größere Lesergemeinden haben. Es gibt sie von rechtsaußen bis linksaußen und je nach eigener politischer Verortung empfindet man diese Medien als unverzichtbare Quellen unliebsamer Wahrheiten oder als grauenhafte Verschwörungs- bzw. Hetzpostillen und Verdummungs-Plattformen. Sie werden von etablierten Medien und „gestandenen Journalisten“ in der Regel nicht ernst genommen, allenfalls wird mal über den unsäglichen Kopp-Verlag oder das Hass-verbreitende PI gelästert. Es gibt daneben aber noch viele andere, die z.B. über Aggregatoren wie NetNewsExpress Verbreitung finden und über die man gerne mal mehr wüsste: Personen, Geschichte, Hintergründe, Agenda – aber bisher mag sich offenbar kaum jemand mit den „Randständigen“ befassen, sind es doch oft „nur irgendwelche Blogs“.

Eine Rubrik „Indi-Medien“ würde zum einen die Stammleserkreise der jeweiligen Blogs und Magazine kurzfristik anlocken, zum Anderen all jenen, die zufällig auf den (nicht immer schlechten, falschen, abseitigen) Artikeln landen, mehr Hintergrund und Orientierungswissen bieten. Man könnte das auch interaktiv gestalten und die Leser/innen abstimmen lassen, über welches Medium man gerne mehr wissen möchte. Das wäre sogar ein nettes Feature für die zahlenden Mitglieder in einem geschlossenen Bereich!

Diesem Blog per E-Mail folgen…