… und eine Kritik in Sachen „Doing Gender“.
Was würdest du dir wünschen, wenn eine Fee dir einen Wunsch frei stellen würde? Ich erinnere mich gut, dass ich mir früher – insbesondere zu Zeiten großer Verliebtheit – gewünscht hätte, für einen Tag Mann zu sein. Um dann mit einer Frau Sex zu haben, mal gucken, wie das so ist.
Als ich nun gestern auf ZDF-Kultur landete, wo der Film „Man for a Day“ gezeigt wurde, bin ich dran geblieben. Es ist ein Dokumentarfilm von Katarina Peters aus dem Jahr 2012. Den Inhalt könnte ich auch nicht besser beschreiben als Wikipedia:
Die Regisseurin beobachtet einen speziell für den Film gecasteten Workshop der Gender-Aktivistin Diane Torr, bei dem sich Frauen für eine Woche in den Mann ihrer Phantasie verwandeln: Sie erfinden eine männliche Biografie, wählen die entsprechende Kleidung, üben Gesichtshaar anzubringen und erlernen eine neue ”männliche” Körpersprache. Der Film beschäftigt sich mit Fragen von geschlechtlicher Identität und den Ursprüngen des Verhaltens von Männern und Frauen. Das Erkennen von männlichen und weiblichen Rollenmustern ermöglicht den Teilnehmerinnen und dem Zuschauer eine bewusste Auseinandersetzung mit eigenem Verhalten und eigenen Rollenmusten und wird damit zu einer Basis von Empowerment.
Hier der deutsche Trailer – ist nicht lang!
Im englischen Trailer gibts noch ein paar eindrücklichere, aggressivere Szenen der „männlichen Performance“ – beeindruckend!
Der Film hat mich amüsiert und – aus meiner Sicht! – überdeutlich gezeigt, wie sehr unser Rollenverhalten „konstruiert“ ist. Es waren Frauen unter den Teilnehmerinnen, denen es gar nicht so leicht fiel, nach dem einwöchigen Workshop die männlichen Verhaltensweisen – Gestik, Mimik, Bewegungsweisen – wieder abzulegen.
Doing Gender: Wollen oder Müssen?
In einigen Verhaltensweisen, die sich die Frauen in diesem Workshop „abtrainiert“ haben, hab‘ ich eigenes Verhalten wieder erkannt. Das häufige Lächeln beim Reden, das Heben der Stimme am Ende eines Satzes, als wäre alles irgendwie „fraglich“, was ich sage, die Art, wie Frau sitzt, geht, steht und manches mehr. Sehr beeindruckend dann die zu Männern gewandelten Frauen, die sich auch allerlei Alltagssituationen aussetzten – und ziemlich gut „als Mann“ durchgingen!
Was mich geärgert hat – nicht am Film, sondern inhaltlich, es ärgert mich immer schon! – wurde in einer Situation thematisiert, in der ein solcher „Mann“ ruhig und ungestört an einem Imbissstand seine Pommes verzehrt. Unterlegt wurde die Szene mit den gesprochenen Gedanken der gewandelten Frau, die in etwa lauteten:
Schön, mal so eine Windstille zu erleben (oder hieß es „Leben im Windschatten?“ Weiß nicht mehr genau…). Männer haben ihre Ruhe, müssen sich nicht darauf konzentrieren, auf hohen Absätzen nicht umzukippen. Müssen sich nicht sorgen, dass ihnen niemand unter den Rock guckt und auch nicht darum, ob das MakeUp richtig sitzt.
Arme Frauen! Aber wer wird eigentlich gezwungen, einen Rock zu tragen? Wer sich mit offenen Augen durch durch den öffentlichen Raum bewegt, sieht vor allem Hosen-tragende Frauen. Ein Rock ist heutzutage doch eine freiwillige Inszenierung bzw. Betonung der Weiblichkeit zu besonderen Gelegenheiten, oder etwa nicht? Hohe Absätze sind ein Tribut an die eigene Eitelkeit, für die Frauen Schmerzen und Fußschäden in Kauf nehmen, unsicheren Gang inklusive. Aber wird irgend eine dazu gezwungen, sich das anzutun? Ebenso das MakeUp: ich hab immer schon gestaunt, wieviel Lebenszeit viele Frauen dafür opfern, Gesicht, Fingernägel und Haare zu stylen. Wenn ich im Schnitt eine Stunde täglich fürs Selbststyling ansetze (also alles, inkl. Enthaarung, Frisör, Kosmetikerin, exzessive Hautpflege etc. – wer mag kann noch engagiertes Klamotten & Schuhe kaufen dazu rechnen), komme ich bei nur 60 „aktiven“ Jahren auf 21900 Stunden, was 915,5 ganzen Tagen entspricht bzw. ganzen 2,5 Lebensjahren!
Vorwurfsvolle Feststellungen über ein zu unbequemes weibliches Leben aufgrund solchen Rollenverhaltens kommen mir ähnlich seltsam vor wie Klagen von männerbewegten Aktivisten aus der Masku-Szene, die sich darüber aufregen, dass Männer Wehrdienst leisten, „dreckige Berufe“ ergreifen oder mehr Überstunden machen als Frauen. Wenn ich dann darauf hinweise, dass es – jedenfalls hierzulande – zu alledem eine eigene, individuelle Entscheidung braucht, werde ich auf den „Erwartungsdruck“ verwiesen, der angeblich so zwingend ist, dass Mann nicht anders kann.
Folgenlose Verweigerung
Nun, den „Erwartungsdruck“ in Richtung Selbststyling hab ich in der Peergroup der Teenyjahre durchaus gespürt. Da gab es ein paar In-Mädels in der Klasse, deren Leben ums MakeUp und Klamotten kreiste. Natürlich hab‘ ich das alles auch mal ausprobiert, bin aber schnell zum Schluss gekommen, dass mir der Aufwand zuviel ist.
Ich hab‘ es gehasst, mir wegen der Wimperntusche nicht mehr die Augen reiben zu können, also kam ich mit einem gelegentlichen Kajalstrich und Seife durchs Leben. Jegliches MakeUp (= Cremes in Haut-Farbtönen, die „Unreinheiten“ verdecken sollen) war mir ein Graus, denn das „gedeckelte“ Hautgefühl ist wirklich ätzend. Zudem färbt das Zeug ab und ist nicht wirklich „schmusetauglich“. Ergebnis dieser Verweigerung: es hat mir an nichts gemangelt. Vor allem nicht an Männern, ich war in diesem Leben ab 14 nie wirklich Single und in der wilden Jugendzeit gabs auch mal mehrere Beziehungen parallel. Dabei gehörte ich optisch zum schlichten Durchschnitt, war also in etwa genauso „naturschön“ wie fast alle jungen Menschen.
Wer auf Krawall gebürstet ist, könnte mich jetzt missverstehen, deshalb sag‘ ich noch dazu: Ich hab‘ nix gegen Styling, hab‘ auch immer mal Frauen bewundert, die sich ganz großartig inszenieren – aber hey, es war halt nicht mein Ding! Ich bin einfach zu faul dafür, immer gewesen und immer noch. Was ich nicht verstehe: alles mitmachen und sich dann über die Beschwernisse, die so eine „konstruierte Weiblichkeit“ mit sich bringt, auch noch beschweren! „Doing Gender“ ist zum größten Teil eine freiwillige Sache, kein Grund also, sich als Opfer der eigenen Entscheidungen zu inzenieren.
***
Den Workshop von Diane Torr finde ich jedenfalls toll: Im Juli gibt sie den nochmal in Berlin.
Mehr über den Film:
Dokumentarfilm „Man for a Day“: Wie groß soll er denn sein? – Daniel Sander auf SPON
Sie kann ihn besser als er selbst – Bert Rebhandl / FAZ.net
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5 Kommentare zu „Gesehen: Man for a day“.