Claudia am 11. März 2016 —

Sachsen und das schleichende Gift

Ein Krautreporter-Artikel hat mich grade schier umgehauen! Ich hab‘ ja in letzter Zeit viel über Sachsen gelesen, aber derart drastisch hat noch kaum jemand die Zustände im Detail geschildert wie Christian Gesellmann (selbst Sachse) in „Warum ich aus Sachsen weggezogen bin“.

Ich denke mal, die Krautreporter werden mir nicht den Kopf abreissen, wenn ich hier sein Fazit als Großzitat bringe:

Und wer jetzt sagt, na, dann zieh doch weg: Jep, das mach ich auch.
Und es werden und haben mir schon viele gleichgetan. Es ist keine Genugtuung dabei, das zu Schreiben. Ich bin zum Fremden in meiner eigenen Heimat geworden. Und die mag nun mal keine Fremden. Die mag sich ja noch nicht mal selbst.

Ich weiß von Lehrern, die ausländische Schüler nur mit Nummern ansprechen, weil sie keinen Bock haben, sich deren exotische Namen einzuprägen. Es gibt Blogs, auf denen mit Name und Foto über Lokaljournalisten gehetzt wird, die über Asylpolitik berichten. Es gibt Youtube-Videos, die zur Gewalt gegen ehrenamtliche Flüchtlingshelfer aufrufen – der Kanal verwendet dabei eine Bildsprache, die der des Bekennervideos des NSU gleicht, und die Hinweise, dass die Produzenten die gleichen sind, gibt es schon seit Jahren. Ich weiß von Krankenschwestern, die von ihren Kolleginnen schief angeguckt werden, weil sie versuchen, ihre ausländischen Patienten zu verstehen (nicht in einem philosophischen Sinn oder so, sondern aus rein medizinischer Sicht), und von Sozialarbeitern, die am Verzweifeln sind, weil ihr Vorgesetzter nun AfD-Politiker ist. Und so weiter und so fort.

Unglückliche Wutbürger

Sachsen ist zu einem Land geworden, das von ganzkörpertätowierten, kontrollwütigen, kulturlosen, kaufsüchtigen und zutiefst unglücklichen Wutbürgern dominiert wird, von Meth-heads und kaputtgespielten Schichtarbeitern. Wir haben es lang nicht wahrgenommen, weil die Killerprolls in keinem öffentlichen Diskurs vorkamen, weil sie nie nach gesellschaftlichen Funktionen gestrebt haben, weil wir sie wie schlechtes Wetter behandelt haben. Die Flüchtlingskrise hat den ganzen Hass nicht ausgelöst. Sie hat ihn nur sichtbar gemacht.

Für Industriegötter wie Volkswagen, für die soziale Verantwortung alte Kamellen sind, hat die CDU jedes Götzenopfer gebracht, das verlangt wurde. Sachsen ist zur verlängerten Werkbank gemacht worden. Unsere sozialen Bindungen sind immer loser geworden, die Arbeitsverhältnisse immer sklavenartiger. Ganz Deutschland lacht über Sachsen. Aber der Fremdenhass hier ist nicht über Nacht entstanden und er ist auch kein Phänomen, das auf Sachsen oder den Osten beschränkt bleiben wird, wenn Politik und Wirtschaft weiter dankbar für jeden sind, der die Klappe hält und sich alle zwei Jahre einen neuen Flatscreen kauft.“

Aber lest auch den ganzen Artikel, die Schilderungen des rechtsradikalen Alltags, der „nach oben“ völlig folgenlos bleibt, verharmlost, ignoriert und vermutlich in Teilen sogar mitgetragen wird, sind lesenswert. Dass es in Sachsen auch noch Menschen gibt, die sich gegen all das zur Wehr setzen, lässt der Autor nicht aus. Nur haben die leider verdammt schlechte Karten!

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Diskussion

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Ein Kommentar zu „Sachsen und das schleichende Gift“.

  1. In meinem winzigen Dorf hat die Adingspartei 17,7 Prozent, ich will aber nicht hier wegziehen, überall sind Weinberge- vielleicht liegt es daran. Och ne, bin richtig fassungslos – auch über den Sachsenartikel!
    Sonja