Gestern war es soweit: von meinem super-ergonomischen Haider Bioswing-Stuhl ist die linke Armstütze endgültig abgebrochen. Kein Wunder, denn ich neige dazu, mich mittels der Armstützen „anzuheben“ und in eine Schneidersitzposition zu hieven. Was total absurd ist auf einem Stuhl, der dafür gebaut ist, zig gesunde Sitzpositionen einzunehmen, sich beim (normalen!) Sitzen mitzubewegen und was weiß ich noch alles! Jedes Mal, wenn ich an diesem Stuhl was verstellen wollte, hab ich mir erstmal die Bedienungsanleitung neu herunter geladen, um wieder zu lernen, welcher der vielen Hebel für was ist.
Zum Glück kam das nicht oft vor, denn meine Sitzweise ist komplett verrückt und konterkariert sowieso alles, wofür der Stuhl gut ist!
Der Bioswing ist nebenbei gesagt mittlerweile uralt und sowieso verschlissen. 2003 hat er 1500 Euro gekostet, eine Summe, die ich nie im Leben selbst für einen Stuhl ausgegeben hätte. Es war das Geschenk eines großzügigen Freundes, der es gut mir mir meinte. Leider war ich zum wirklich „gesunden Sitzen“ schon nicht mehr in der Lage. Wenn ich mich normal auf so einen Schreibtischstuhl setze, geht das vielleicht ein paar Minuten gut, aber sobald ich mich aufs Arbeiten konzentriere, hieve ich mich – ganz ohne dran zu denken – quasi automatisch wieder in die Schneidersitzposition. Ab und an wechsle ich in den Langsitz, wofür ich einen Papierkorb unter dem Schreibtisch stehen habe, auf dem zwei feste Kissen liegen.
Langzeitsitzen schadet, ich weiß!
Dass meine „Sitzkultur“ sich so abseitig entwickelt hat, liegt am Jahrzehnte langen Sitzen. Ich stehe morgens auf, gehe kurz ins Bad, mache mir ein Kanne Kaffee und muss nicht weit gehen bis zum Arbeitsplatz im Homebüro. Ich setze mich hin und bleibe da, ab und an unterbrochen durch menschliche Bedürfnisse oder das Klingeln an der Tür, wenn der Lieferdienst etwas bringt – für mich oder die Nachbarn, für die ich eine Art „Poststelle“ bin. Hätte ich nicht seit 2005 einen Garten, der mich vom Stuhl weglockt, wäre ich vermutlich schon auf dem Stuhl verfault!
Als Folgeschaden dieses Fehlverhaltens (das mir andrerseits jede Menge gefühlte Vorteile bringt!) leide ich an der sogenannten „Jeanskrankheit“ – so zumindest die letzte Diagnose der letzten Neurologin. Irgendwas mit geklemmten, gestörten Nerven, wechselnd intensive Taubheiten im Oberschenkel, bei längerem Gehen Schmerzen wie Feuer & Eis – wobei ich wirklich nie zu enge Jeans trage, sondern zuhause in Leggins rumsitze. Eigentlich bin ich reif für den Behinderteinausweis Kennzeichen G, aber ich hätte ja keine Vorteile dadurch, hab‘ mich also bisher nicht drum gekümmert. (Dass der Schaden ein Sitzschaden ist, wollte übrigens bisher kein Arzt bestätigen – als wäre es ein Tabu, zuzugeben, dass unsere Haupt-Erwerbshaltung schlicht krank macht).
Selbstoptimierungsversuche
Gegen die ungesunde Existenzweise auf dem Stuhl kämpfe ich natürlich immer wieder an. Mein Wohn/Schlafzimmer sieht zur Hälfte aus wie ein Fitness-Center: Sprossenwand, Schwingstab, Langhantel, Theraband, Bosu – und über diesen Winter hab ich mir sogar einen „persönlichen Trainer“ gegönnt, der mir Kraftraining näher brachte. Da ich mir den aber nicht dauerhaft leisten kann, bin ich nun wieder in einem Fitness-Center. Hört sich alles toll an, aber letztlich sind das immer nur phasenweise, punktuelle Aktivitäten – und insgesamt nie genug. Noch immer bin ich weit entfernt von einem gesunden Lebensstil mit DEUTLICH MEHR BEWEGUNG. Trotz Garten, trotz Fahrrad für den Weg dorthin.
Welcher Schreibtischstuhl?
Schon eine kurze Netzrecherche ergibt ein weites, unübersichtliches Feld. Schiere Massen an Schreibtischstühlen und „Chefsesseln“, mittlerweise mehrheitlich mit ziemlich vielen Features, sogar bei den billigen. Die Preisspanne reicht von 80 bis 5000 Euro, gelegentlich steht eine „empfohlene Nutzungsdauer“ dabei. Es gibt auch 24-Stunden-Stühle für den Dauereinsatz, aus besonders robusten Materialien – eigentlich wär das ideal, ist mir aber zu teuer.
Und ich überlege auch: Für hochwertige Features zum gesunden, bewegten Sitzen nochmal viel Geld ausgeben? Damit ich mich dann doch wieder in den Schneidersitz schwinge? Das ganze komplexe Bioswing-Gedöhns war ja im Grunde für die Katz! Eine Rückenlehne und ein Sitz, der meinen Bewegungen folgt? Ich stell ihn ja doch bald auf statisch, damit das nicht nervt. Schließlich will ich arbeiten und nicht „sitzen üben“.
Tja, es ist ein Elend! Ein sehr gemütliches allerdings, wenn man bedenkt, woran andere Menschen kranken.
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16 Kommentare zu „Ein neuer Schreibtischstuhl muss her“.