Claudia am 11. Januar 2017 —

Assistenten fürs Wohnzimmer: Wollen wir sie reinlassen?

Sicher habt Ihr schon von den „digitalen Assistenten“ gehört: Alexa, Cortana, Google Assistant und Siri wollen in unsere Wohnzimmer einziehen, Alltagsfragen beantworten, vernetzte Häuser steuern und sogar Käufe auf Zuruf ermöglichen.

Google Home
Letzteres hat gerade dazu geführt, dass ein Nachrichtensprecher in den USA ungewollt viele Bestellungen von Puppenhäusern auslöste:

„In der Nachrichtensendung sagte er den Satz „Ich liebe dieses kleine Mädchen, wie sie sagt ‚Alexa hat mir ein Puppenhaus bestellt'“. Das reichte offenbar schon aus, damit Alexa in den zuschauenden Haushalten hellhörig wird. Kurz darauf gingen zig Beschwerden beim Sender ein: Zuschauer berichteten, dass ihre Echo-Box versucht habe, ein Puppenhaus zu kaufen.“

Von Assistenten überwacht in Zeiten von Big Data

Dass sowas mal passiert, ist für sich genommen noch kein Grund, die Dinger abzulehnen. Die Kauf-Option lässt sich ausschalten oder eine erforderliche Bestätigung mittels PIN voreinstellen. Was mich und vermutlich viele Andere erstmal abschreckt, ist die Überwachung, die man sich so freiwillig ins Haus holt. Angeblich werden die bequemen Helfer zwar nur auf Befehl („Ok, Google!“) aktiviert, doch zuhören müssen sie ja die ganze Zeit, um überhaupt reagieren zu können. Woher wollen wir wissen, ob sie nicht doch ungefragt „nach Hause telefonieren“ und unser Verhalten den BigData-Sammlern meistbietend verkaufen? Auch hab‘ ich noch nirgends gelesen, wie man sie wieder deaktiviert, wenn z.B. eine Frage beantwortet ist. Dass die Daten während der Aktivierung entweder gleich oder irgendwann später zu unübersichtlichen Zwecken genutzt werden, davon gehen wohl die meisten Noch-Nicht-Nutzer aus.

Brauchen wir sowas überhaupt?

Mal abgesehen von allen Datenschutzproblemen: Gibt es einen echten Bedarf für digitale Assistenten, die in Form von kleinen Säulen auf dem Tisch stehen? Ich kann natürlich nur für mich sprechen und sage: Jain!

Wenn ich mein übliches Verhalten betrachte, wenn ich etwa mit dem Liebsten oder anderem Besuch über irgend etwas diskutiere, dann ist es sogar so, dass eine bequemere digitale Assistenz richtig gut und nützlich wäre. In nahezu jedem Gespräch über Ereignisse in der Welt oder spezielle Sachthemen ergibt sich recht oft der Bedarf, online mal kurz zu recherchieren. Um das wirklich zu tun, kann ich:

  • entweder mitsamt Besucher vor dem PC Platz nehmen, was aber in der Regel zuviel Aufwand und Unterbrechung bedeutet.
  • Oder ich frage Google per Smartphone, was schon recht gut klappt.

Ein Beispiel von gestern: Wir sprachen über Flüchtlingspolitik und wollten wissen, wie die Dinge eigentlich in Sachen Einwanderungsgesetz stehen. Es ist doch völlig irre, qualifizierte Leute, die bereits deutsch können und konkrete Perspektiven in DE haben, auszuweisen oder nur zu „dulden“, bloß weil sie nicht Asyl-berechtigt sind. Ich fragte also Google nach „Einwanderungsgesetz“ und erfuhr, dass die SPD im November einen Entwurf vorgestellt hat. Und auch, dass die CDU dagegen ist. Fragte also weiter:

„Warum ist die CDU gegen ein Einwanderungsgesetz?“

und bekam auch hier Antwort (BLÖD, erste Fundstelle, verlinke ich nicht).

Die Fragen stelle ich mündlich, anstatt sie in die Suche einzutippen, was auf dem Smartphone nur elend schlecht funktioniert. Immer vertippe ich mich, muss korrigieren… ätzend! Deshalb war ich froh, als ich merkte, dass die Spracherkennung mich sehr gut versteht. Die Antworten erscheinen dann wie üblich als Google-Suchergebnis, leider mit viel weniger Sortier-Optionen (etwa nach Zeit des Erscheinens über „Tools ->Zeitraum-Auswahlbox“) als am Desktop-PC. Habe ich einen Gast, ist es natürlich suboptimal, dass ich alleine die Ergebnisse auf dem Phone sichte. Manchmal erscheint ja auch ein zeigenswertes Bild oder Video. Dann starren wir beide auf den Minibildschirm, den ich dafür passend halten muss.

Wäre ein digitaler Assistent, der als „Hub“ auf dem Tisch steht, eine Verbesserung? Eher nein, denn die tragen die Antworten ja mittels Stimme vor und sagen mir nicht, woher sie ihre Infos haben. Das mag bei einfachen Fragen nach dem Wetter, der Verkehrslage oder einem Reiseziel unproblematisch sein, aber derlei Fragen sind es meist nicht, die in meinen Gesprächen auftauchen. Ich will die Ergebnisse und ihre Quellen (!) SEHEN, was aber vermutlich machbar wäre, würde man allerlei Geräte und Software vernetzen. Das ginge dann so:

Ich rufe meine Frage in den Raum – und das TV (oder ein anderer Bildschirm) erwacht aus dem Standby und zeigt mir eine Ergebnisliste. Alles wäre so groß, dass wir es trotz Abstand lesen können. Das Kommando „Zeige Ergebnis 3“ o.ä. würde dann weiter führen. Gerne das Ganze auch mit Vorlesefunktion, falls wir lieber zuhören wollen.

Sobald mal jemand eine in dieser Form gelingende Nutzung digitaler Assistenten zeigt, denk ich nochmal drüber nach! Wirklich kaufen würde ich vermutlich nur, wenn glasklar geregelt wäre, was mit den erhobenen Daten passiert – und wie ich das Teil verlässlich ausschalte!

Alsdenn: Sag niemals nie…

***

Update: Auch zu Google Home, aber eher technisch:

How to Fix 11 Common Google Home Problems

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Diskussion

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14 Kommentare zu „Assistenten fürs Wohnzimmer: Wollen wir sie reinlassen?“.

  1. Du beschäftigst Dich mit Sachen.
    Vor den Zeiten des Internets brauchte man Zeit, um Dinge nachzuschlagen (da war es quasi auch eine Kunstfertigkeit) oder man verzichtete darauf, falls man nicht einen Experten kannte, der auch noch telefonisch zeitnah verfügbar war. Oder man schrieb ihm in älteren Zeiten eine Karte, die Antwort kam irgendwann zurück und war auch noch zufriedenstellend, weil man nicht unbedingt SOFORT alles wissen wollte. Man machte sich eben eine Notiz.

    Dann kam alsbald die Möglichkeit, schnell mal mit dem Phone Begriffe nachzuschlagen. Du willst aber gleich, daß Dich blitzschnell ein sauberes großes Format bedient, mit all den Infos, Bildern. Medien, Links, Quellen,was auch immer.
    Wie fanden denn früher Gespräche auf der Couch statt? Sicher nicht so, daß man mit einer Hirnhälfte quasi beim Silicon-Friend war?! Manche Gesprächspartner würden sich eher klammheimlich verdrücken, als Dich (oder mich) mit dem großen Bruder zu teilen.
    Gerechtfertiger Einwand?

  2. Klar, kommt aber auf die Leute und die Situation an. In Kennen-Lern-Gesprächen oder überhaupt bei eher Fremden würd ich das auch nicht machen. Aber bei den Alltagsgesprächen mit meinen Freunden geht es tatsächlich oft um Themen, die zig Anlässe zum „Faktencheck“ bieten. Das Bedürfnis, mal nachzuschauen, ist dann durchaus ein Gemeinsames!

    Ich bin nicht „mit einer Hirnhälfte beim Silicon Friend“, sondern ganz bei der Sache, um die es im Gespräch gerade geht.

  3. Ich kenne das aber durchaus auch im Zusammensein mit langjährigen Freunden: „Lass mal das Ding weg!“.
    Das mit der Hirnhälfte war natürlich eine rhetorische Floskel.

  4. Hier wird eine Idee verwirklicht, die in den 1980er-Star Trek-Serienfilmen fiktional gang und gäbe war (ebenso wie die Tablet-PCs): „Computer Licht – etwas dunkler“, „Computer Musik – etwas schwungvolleres“ etc. Das Problem ist, wie du schon schriebst, dass damit eine Wanze in der Wohnung sitzt und nach allem, was wir von Snowden gehört haben, wird die von den Geheimdiensten mit hoher Wahrscheinlichkeit benutzt werden.

    Für mich wird das erst akzeptabel, wenn es eine Open Source-Lösung gibt, die bei mir lokal läuft, beispielsweise auf einem leistungsfähigen Mini-Computer, der alles Mögliche andere auch steuern kann, beispielsweise NAS, Licht und Heizung. Die Firmen können versichern, so viel sie wollen, dass die Daten geheim bleiben bzw. was damit geschieht: Wir können das nicht überprüfen und auf den Zugriff seitens der Geheimdienste haben die Firmen ohnehin keinen Einfluss (außer starke Verschlüsselung, aber in den USA müssen die Firmen Daten herausrücken, sodass dies ein Pseudoschutz wäre).

    So wie du die Suche beschreibst, war sie auch in einigen Star Trek-Episoden: Bildschirm zeigt Ergebnisse an, daraufhin sagte man „Einschränken auf …, beziehe … mit ein, entferne …“. Allerdings war diese Serie eine Fiktion in der Hinsicht, dass auf der Erde keine Kriege mehr herrschten und niemand mehr in Armut leben musste. Davon sind wir weit entfernt. Auch wenn sich die Technik unglaublich schnell annähert, das Verhalten des Menschen hält da – vorsichtig ausgedrückt – nicht Schritt. Es ist traurig.

  5. @Elmar: danke für deinen Kommentar, den ich voll unterschreiben kann! Auch ich bin / war StarTreck-Fan.. :-) Ja, es ist traurig, dass die Menschen so bescheuert sind, immer noch! Und jetzt geht alles so schnell in Sachen Globalisierung, dass viele erst recht nicht mehr mitkommen und sich in der Vergangenheit, in der Nation, der statisch und einförmit gedachten „Heimat“ einmauern wollen! Anstatt dass man den großen Schritt macht und versucht, die Propleme aller auf der Welt kooperativ zu lösen.
    Wenn ich z.B. weiß, das ein halber Hartz4-Satz in Eritrea reicht, um das Leben eines ganzen Familienclans deutlich zu verbessern, dass liegt doch eigentlich die Idee nahe, dass sich die reichen Staaten dazu aufraffen, bei den ganz Armen eine Sozialhilfe zu etablieren – käme letztlich alles billiger als der ganze Flüchtlingsumtrieb mit soviel Leiden.

    „eine Open Source-Lösung gibt, die bei mir lokal läuft“ – sollte das nicht machbar sein? Wir haben doch immer noch Marktwirtschaft… Andrerseits: ein „abgeschottetes“ Heimnetz bringts ja auch nicht. Die Anfragen müssen raus an Andere und damit entstehen auch auswertbare Daten.

    Das Problem kreiert derzeit an vielen Fronten eine Zwangslage: diese Wahl zwischen Fortschritt/Bequemlichkeit/Aktionsspielraum gegen Überwachung – und dem, was Angela Merkel wohl richtig als „digitales Entwicklungsland“ bezeichnet. Der „Vertrauensverlust der Institutionen“ spielt dabei eine große Rolle – und somit ist es auch menschenmöglich, neue vertrauenswürdige Institutionen zu schaffen.

    Wenn ich an das Piraten-Beispiel denke: auch Liquid Democracy ist an diesem Problem gescheitert. Man hätte den Widerspruch zwischen Privacy und Teilhabe überbrücken können durch Pseudonyme, deren Konnex zum Realnamen von einer „vertrauenswürdigen Institution“ verwaltet und verteidigt wird – CCC zum Beispiel, der sich ja mal in der Richtung „aufstellen“ könnte.

  6. Zur Open Source-Lösung: Diese ist nicht in Sicht. Zuerst muss ein leistungsfähiges einheitliches Protokoll zur Kommunikation etabliert werden und Hardware, die dies unterstützt. Daran haben die Hardware-Hersteller eher geringes Interesse. Erst gezielte Nachfrage würde das ändern. Zur Zeit ist das eher chaotisch und Geräte des Herstellers A können in der Regel nichts anfangen mit Geräten des Herstellers B.

    Anfragen, die das Haus verlassen, betreffen nur die Kommunikation mit externen Diensten, beispielsweise „Web-Recherchen“. Heizungs-, Lichtregelung etc. kann komplett intern geschehen, nur auf Wunsch im Bewusstsein, dass hiermit eine Eintrittspforte geschaffen wird, auch extern, jedoch dann mit Apps, die mit dem Server im Haus verschlüsselt kommunizieren und nicht mit irgend einem Herstellerserver. Auch die Suchanfragen könnten bei offenem Protokoll und einer Open Source Lösung so gestaltet werden, dass Nachvollziehbarkeit schwierig bis unmöglich wird. Z.B. könnte diese über Tor laufen oder anderen noch zu etablierenden Anonymisierungs-Subnetzen. Was wie herausgeht, kann ich dann konfigurieren.

    Andererseits ist es besser für meinen Körper, Heizung und Lüftung manuell zu regeln und Recherchen im Web-Browser mit Tastatureingabe sind an Effizienz und Effektivität mit einer derzeitigen „künstlichen Intelligenz“ nicht zu erreichen. Ganz abgesehen von der Zeit, die ich mir spare mit der erforderlichen laufenden Fehlerbehebung und Wartung solcher Systeme (Updates, Virencheck) und deren ständigen Ersatz, da solches Zeug ziemlich schnell altert.

  7. „Andererseits ist es besser für meinen Körper, Heizung und Lüftung manuell zu regeln “
    Was ich sage!

  8. @Gerhard: Also ich hab persönlich nicht das geringste Interesse, Heizung oder sonst was über so ein System zu regeln. Allenfalls wär es nett, wenn ein PopUp mir sagen würde, dass der Topf auf dem Herd meine Aufmerksamkeit braucht…. da ist mir schon gelegentlich was angebrannt, weil „die Zeit anders läuft“, wenn man im Web surft… :-)

    @Elmar: die Zielgruppe derjenigen, die auf volle Anonymität Wert legen, ist vermutlich verschwindend klein. Die meisten wollen sich eh bei Facebook oder Google einloggen, man kauft ein und z.B. mein Nachbarschaftsnetz läuft nur mit verifizierten Accounts. Rein passives Lesen ist ja nur ein Teil der Netznutzung. Ich denke, der Zug „totale Anonymität“ ist abgefahren und nur noch was für Nerds.
    An diesen Assistenten find ich ja vor allem die Zuhörfunktion problematisch – also werd ich weiterhin ohne auskommen.

  9. Ich benutze dazu Zeitschaltuhren, die ich neben dem Pc lege. Die funktionieren prima. :-)

  10. Seit neuestem hab ich zwei davon – und denke auch immer öfter dran, sie zu nutzen. In der Küche stehen lassen klappt allerdings nicht, ich überhör das… obwohl es durchaus an meinem Arbeitsplatz hörbar ist.
    Muss ich also wirklich neben den PC stellen.

  11. […] Assistenten fürs Wohnzimmer: Wollen wir sie reinlassen?: Sicher habt Ihr schon von den „digitalen Assistenten“ gehört: Alexa, Cortana, Google Assistant und Siri wollen in unsere Wohnzimmer einziehen, Alltagsfragen beantworten, vernetzte Häuser steuern und sogar Käufe auf Zuruf ermöglichen. – https://www.claudia-klinger.de/digidiary/2017/01/11/assistenten-fuers-wohnzimmer-wollen-wir-sie-reinl… […]

  12. Bei der ganzen Vernetzung sehe ich nicht unbedingt die Firmen, welche das betreiben, als Datenkraken, gegen die ich mich zu wehren wüsste. Mir macht vielmehr unser Staat größere Sorgen, dass verschiedene Dienste reichlich abfischen und daraus ihre Schlüsse zeihen. Als Beispiel führe ich einmal die rasant fortschreitende Verarmung bestimmter Bevölkerungsschichten an. Treffen die Prognosen betreffs der steigenden Massenarbeitlosigkeit halbwegs zu, dann wird mittelfristig das Sozialsystem nicht mehr finanzierbar sein. Was dann passiert, mag sich keiner auch nur annähernd vorstellen. So ist es unseren Regierenden doch recht, die Bevölkerung einfach und bequem über das Netz, durch diverse Endgeräte kostengünstig durch Maschinen zu überwachen…

  13. Ganz ehrlich? Ich glaube der Tag wird nie kommen, an dem mit den Daten vertrauenswürdig umgegangen wird. Dennoch siegt die Bequemlichkeit des Anwenders. Da nehme ich mich selbst nicht aus!