Nun sollen also die Handys von Flüchtlingen ausgelesen werden dürfen, um deren Identität festzustellen. So sieht das jedenfalls ein neuer Gesetzesentwurf vor, der dieser Tage beschlossen wurde. Das Auslesen soll keineswegs auf Einzelfälle beschränkt bleiben. Letztes Jahren wären dafür 150.000 Flüchtlinge in Betracht gekommen, wie das Innenministerium schätzt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll dafür mit Technik ausgerüstet werden, die das Auslesen von 2400 Handys pro Tag ermöglicht.
Wer jetzt meint, das sei richtig so, schließlich habe der Staat ein Recht, zu wissen, wen er aufnehme, der möge doch bitte noch ein paar Zeilen weiter lesen und mal mitdenken!
Denn: für wie blöd hält man die Leute eigentlich? Wer zu befürchten hat, durchs eigene Handy entlarvt zu werden, wird es doch gar nicht mehr zum Termin beim BAMF mitbringen! Ich könnte mir sogar einen florierenden Handy-Verleih vorstellen: mit Geräten, auf denen sich nur Daten befinden, die die angegebene Herkunft „beweisen“. Soweit es um den Missbrauch von Hilfsleistungen per Mehrfachidentität geht, der auch gerne als Grund genannt wird: Eine zentrale Datenbank mit Fingerabdrücken wäre doch lange schon viel effektiver gewesen.
Und weiter: Glaubt irgendwer, der Staat wird sich auf Dauer darauf beschränken, nur die Geräte von Flüchtlingen auszulesen?
Der Artikel „Du gehst bald reisen? Vielleicht solltest du dein Smartphone zu Hause lassen“ auf VICE fasst Fälle aus den USA und Kanada zusammen, wo US-Bürger und Kanadier bei der Einreise ihre Passwörter zwecks Auslesen heraus geben mussten. Und weiter:
„Der amerikanische Heimatschutzminister John Kelly hat vor Kurzem angekündigt, dass seine Behörde Einreisende bald nach den Passwörtern für ihre Social-Media-Accounts fragen könnte. „Wenn jemand in unser Land möchte, wollen wir ihn zum Beispiel fragen: Was für Websites besuchen Sie?“, erklärte der neue Minister. „Geben Sie uns das Passwort. So können wir sehen, was Sie im Internet machen.“ An alle potentiellen Verweigerer hat Kelly eine einfache Botschaft: „Wenn Sie nicht kooperieren wollen, kommen Sie nicht rein.“
Was, wenn gar kein Smartphone vorhanden ist?
Es ist sicher nicht allzu verstiegen, von einem Trend zu immer mehr staatlicher Übergriffigkeit auf persönliche Daten und Geräte zu sprechen. Die allgemeine Terror-Angst bietet optimale Bedingungen, den Überwachungsstaat auszubauen. Innenminister De Maizière arbeitet unverdrossen weiter an Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung – trotz eines dem entgegen stehenden klaren Urteils des EuGH.
Wenn immer mehr Eingriffs- und Ausleserechte geschaffen werden, wird es dann auch bald eine Handy-Pflicht geben? Warum nicht gleich jedem Bürger einen Klarnamen-Account bei Facebook aufzwingen, dann gibts kein Entkommen mehr, irgendwas kann man dann immer auslesen!
Wie bin ich froh, dass ich das Smartphone nur marginal nutze. Nicht mal meine E-Mail-Accounts hab‘ ich da eingerichtet und – natürlich! – gibts da auch keine FB-App. Es ist ein reines Info-Phone, mit dem ich selten mal telefoniere und per Spracheingabe Google was frage. Aber all diejenigen tun mir leid, denen das Handy „Rückrat des sozialen Lebens“ geworden ist. Um sie zieht sich die Schlinge immer mehr zu, genau wie um alle, die ihre Daten in sozialen Medien aufwändig vor der Öffentlichkeit zu verbergen suchen. Ich hab da vom Start weg – genau wie in diesem Blog – NUR für die Öffentlichkeit geschrieben – meine paar Lesetipps und wenigen Likes darf wirklich jeder sehen.
Klarnamenzwang durch die Hintertür
Nun wollen unsere Regierenden auch noch die Anonymität und Pseudonymität über einen Umweg schleifen: Es soll ein zivilrechtlicher Anspruch auf Herausgabe persönlicher Daten geschaffen werden, wenn sich jemand in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sieht. Dass der Staat im Strafrecht diesen Anspruch längst hat und jederzeit nutzen kann, reicht offenbar nicht. Wenn man nun weiß, was juristisch so im Nachbarschaftsrecht abgeht, kann man sich ausmalen, was für ein Tsunami von Gerichtsverfahren künftig die Justiz belasten wird, die ja jetzt schon überlastet ist und kaum mehr die grundgesetzlich garantierte Rechtsweggarantie gewährleisten kann. Schließlich ist eine Persönlichkeitsrechtsverletzung schnell mal behauptet…
Finstere Zeiten – und sie werden immer finsterer!
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10 Kommentare zu „Gibts dann demnächst einen Smartphone- und Social Media-Zwang?“.