GRÜNE oder LINKE? Immer wenn ich mich mal wieder fürs eine oder andere entschlossen habe, bin ich mir schon bald nicht mehr sicher. Ein anderes Gefühl, ein anderes Argument, ein weiteres Detail, das mich ärgert, nicht wünschenswert oder nicht realisierbar erscheint – und schon schwanke ich wieder: Wen also wählen?
Eigentlich bin ich klassische GRÜNEN-Wählerin. Es ist DIE Partei meiner Generation und noch immer stimme ich in wichtigen Punkten mit ihr überein. Vor allem in Sachen Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft: da wäre es mir lieb, wenn sie mitregieren würden. Zwar sind all diese Themen nicht schon bis ins Detail ausgegoren, es gibt jede Menge Hürden, z.B. rund um die Problematik E-Auto. Dennoch: dass da ein Druck in die richtige Richtung besteht, finde ich schon wichtig. Und von wem sollte der ausgehen wenn nicht von den GRÜNEN?
Dann gibts da aber die von ROT-GRÜN umgesetzte AGENDA 2010: Ja, die Vereinheitlichung von ALHI und Sozialhilfe war nicht nur schlecht, denn in mancher Hinsicht sind ehemalige Sozialhilfeempfänger nun besser gestellt. Ich sehe sogar ein, dass die „endlose“ Arbeitslosenhilfe nicht mehr haltbar war, nirgends in Europa gab es Vergleichbares. Was aber mittlerweile in diesem Hartz4-Regime stattfindet: kaum fördern, viel fordern, jede Menge sinnlose Maßnahmen und vielfache Demütigung der Betroffenen, Sanktionen ohne Ende, jede Menge Widersprüche und Prozesse gegen das JobCenter, die die Gerichte aufblähen und zu 50% erfolgreich verlaufen. Behördenchaos, unklare Zuständigkeiten – ich will da jetzt nicht tiefer eintauchen, die Artikel rund um die Missstände reichen gefühlt mehrmals um die Erde, würde man sie ausdrucken und auslegen!
Zudem: Heute schreiben wir das Jahr 2017! Das „Land, in dem wir gut und gerne leben“ könnte sich mehr „Gerechtigkeit“ und ein besseres System leisten, das die Menschen mit Respekt behandelt, sie nicht schikaniert, sondern wirklich fördert.
Daran scheinen die GRÜNEN jedoch kaum ein Interesse zu haben: Zwar ist es einigen Aktiven gelungen, die Forderung nach Abschaffung der Sanktionen noch im Kleingedruckten des Parteiprogramms unterzubringen. Im 10-Punkte-Plan zur Wahl kommt Hartz4 und der Umgang mit Arbeitslosigkeit jedoch gar nicht vor. Ganz allgemein nehme ich die GRÜNEN nicht als eine Partei war, die sich um die Folgen ihrer AGENDA-Politik einen Kopf macht. Ein neues Konzept für die soziale Sicherung in Zeiten extrem unregelmäßiger Lebensläufe? Die GRÜNEN scheinen das Thema Arbeit der SPD zu überlassen, die wiederum allen Ernstes so tut, als könne man heute noch zurück zur lebenslangen Vollzeitanstellung als Standard, auf die unser System immer noch zugeschnitten ist.
DIE LINKE: Weg mit allem, was nervt
Klare Positionen, die mit dem Bestehenden deutlich brechen, finden sich immerhin bei der LINKEN: Weg mit Hartz4, Einführung einer sanktionsfreien Mindestsicherung, die auch gleichzeitig eine Mindestrente ist. Sie fordert zudem Sozialtickets, gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule und ein kostenfreies warmes Essen in Kita und Schule. Dafür soll radikal umverteilt werden, Besserverdiener würden deutlich mehr Steuern zahlen. Der LINKEN nimmt man es auch ab, dass sie Minijobs, Befristungen und unfreiwillige Teilzeitarbeit eindämmen will. Auch sie träumt von einem Land, in dem Tarif-gebundene sozialversicherte Vollzeitarbeit Standard ist.
Ich glaube allerdings nicht daran, dass es jemals wieder so werden wird „wie früher“. Vielleicht kann man ein bisschen bremsen, Auswüchse beschneiden – aber der Trend geht doch deutlich in die neue, komplett zersplitterte Richtung: Arbeit mal hier und mal da, zeitweise selbstständig, phasenweise angestellt, mal Teilzeit, mal Vollzeit, mal Auszeit und Nullzeit – schließlich gibt es auch abseits der Erwerbsarbeit viel zu tun!
Weder GRÜNE noch LINKE haben wirklich Konzepte für die schöne neue Welt, in der das, was Menschen „on demand“ konsumieren wollen, sehr schnell wechselt. Neue Geschäftsmodelle können von jetzt auf gleich ganze Branchen in Gefahr bringen, was wir bis jetzt erleben, ist erst der Anfang. In dieser Situation den Arbeitgebern durchweg kaum kündbare Anstellungsverhältnisse aufzudrücken, erscheint mir gelinde gesagt realitätsfern.
Kleine Partei?
Wäre es mir etwas unwichtiger, wer mit wem regiert, würde ich das Bündnis Grundeinkommen wählen: Immerhin eine neue Initiative, die ihr Thema in die Parlamente bringen will – als Ein-Punkt-Partei, die keine Anstalten machen wird, sich (wie einst die Piraten) ins Erstellen eines Vollprogramms zu versenken. Wer die „Big Ugly Five“ nicht wählen will, ist hier nicht falsch: Auch wenn man mit dem konkreten Grundeinkommensmodell nicht einverstanden ist, so ist eine Stimme für dieses Bündnis doch immerhin eine Stimme für den Mut zum großformatigen Wandel in Sachen sozialer Sicherung.
Was also jetzt? Ich könnte noch jede Menge darüber schreiben, was mir an den in Betracht kommenden Parteien nicht passt. Wenn ich am Sonntag ganz vernünftig bin, werde ich womöglich doch GRÜNE wählen. Weil Jamaika mir lieber ist als GroKo. Wenn ich eher nach Gefühl gehe, könnte ich aus Protest die LINKE wählen – so als Stachel im Fleisch von SPD und GRÜNEN, die wichtige Anliegen und Probleme einfach ignorieren. DIE LINKE – und das ist durchaus vernünftig – wäre mir zudem als Oppositionsführerin 1000 mal lieber als die AFD.
Was wählen? Das entscheide ich dann ganz kurzfristig. :-)
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16 Kommentare zu „BTW2017: Wankelmütig – immer noch“.