Claudia am 30. Dezember 2019 —

Warum ich 2020 nicht nach Sizilien fliege (#OmaGate)

Na warum wohl? Aus „Flugscham“! 2019 die verschiedensten klimaschützerischen Aktivitäten unterstützt, am Klima-Streiktag dabei gewesen, jede Menge Greta-Support-Tweets weiter geleitet, hier im Blog das Klimathema rauf und runter diskutiert – da käme ich mir höchst heuchlerisch vor, nun wie immer Ende Februar ungerührt in den Billigflieger zu steigen, um dem Berliner Winter zu entfliehen.

Statt dessen will ich mit dem Liebsten ein paar Ausflüge ins weitere Umland machen, mit ÖPNV und Fahrrad. Und erst 2021 dann wieder Sizilien, natürlich per Flieger, anders geht es zeitlich und finanziell nun mal nicht.

Wer sich darüber jetzt wundert:

Es gibt nicht nur „ganz oder gar nicht“!

Wer hätte das gedacht! Nicht beim Fliegen, nicht beim Auto fahren und auch nicht beim Fleisch essen. Die persönlichen Flugsünden um 50% zu reduzieren, ist auch schon was! Wenn das alle machen würden, wäre es weit wirksamer als das Nicht-Fliegen von Leuten, die sowieso nicht fliegen oder den paar wenigen, die sich zum Komplett-Ausstieg durchringen können. Auch das Potenzial an Menschen, die ganz auf Fleisch und Tierprodukte verzichten wollen, ist begrenzt, doch gibt es immer mehr Teilzeit-Veganer, die zumindest klimabewusstem Fleischverzehr eine Chance geben.

Derzeit regt sich die halbe Welt über „#OmaGate“ auf: Da hat ein Kinderchor im WDR doch ganz frech gesungen:

Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad, Motorrad, Motorrad.
Das sind tausend Liter Super jeden Monat,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma sagt, Motorradfahren ist voll cool, echt voll cool, echt voll cool.
Sie benutzt das Ding im Altersheim als Rollstuhl,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma fährt im SUV beim Arzt vor, beim Arzt vor, beim Arzt vor.
Sie überfährt dabei zwei Opis mit Rollator,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett, ein Kotelett, ein Kotelett.
Weil Discounterfleisch so gut wie gar nichts kostet,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma fliegt nicht mehr, sie ist geläutert, geläutert, geläutert.
Stattdessen macht sie jetzt zehnmal im Jahr ne Kreuzfahrt,
meine Oma ist doch keine Umweltsau.

Und daraus wird glatt eine Staatsaffäre! Rechte demonstrieren vor dem WDR, twittern Hass und Hetze, Politiker nehmen Stellung, der WDR entschuldigt sich und löscht das Video, das dadurch erst recht weiträumig herum gereicht wird. Die BILD heizt die Stimmung an, sogar in der gedruckten Ausgabe – die haben doch alle einen an der Waffel!

Eine ganze Generation würde beleidigt, heißt es. Nein, keineswegs, sondern nur diejenigen werden als „Umweltsau“ beschimpft, die 1000 Liter Super fürs Motorrad verbrauchen, mit dem SUV zum Arzt fahren (dabei 2 Opis überfahren), jeden Tag ein Kotelett braten und 10 Kreuzfahrten pro Jahr machen.

Wie viele Omas müssen sich diesen Schuh eigentlich anziehen? Und: wenn man die satirischen Übertreibungen nun weglässt und das pure Diskriminieren von Fliegen, Fleisch essen, SUV fahren und Kreuzfahrten als gemeinten Inhalt des Liedes setzt: Sie haben doch recht! Wie viele Artikel, Analysen, Dokus, Apelle und Konferenzen muss es denn noch geben, bevor wir alle unser Verhalten ändern?

Dass unser Lebensstil in Gänze so nicht nachhaltig ist, müsste auch der letzte Depp mittlerweile begriffen haben. Selbst die Klimawandelleugner (die paar, die noch die Augen vor dem mittlerweile Offensichtlichen verschließen) müssten wissen, dass fossile Energien endlich sind. Es also ziemlich dummdreist und selbstzerstörerisch ist, sie wie bisher für vielerlei Luxus zu verbraten!

Wie kommen wir aber dahin?

Da gibt es zwei Wege:

  1. Demokratische Willensbildung per Parlament: diese Herangehensweise hat uns 2019 das Klimapaketchen beschert.
  2. Bewusstseinswandel und freiwillige Verhaltensänderungen: sprich, es muss uncool werden, sich wie eine Umweltsau zu verhalten! Man soll sich durchaus rechtfertigen müssen, wenn man weitere Umweltsünden begeht.

Auf Dauer wirkt dann Weg 2 auf Weg 1 zurück, so dass auch parlamentarisch wirksamere Regelungen beschlossen werden können. Es geht um eine großformatige kulturelle und wirtschaftliche Veränderung, kein Wunder, dass es dabei nicht immer ganz freundlich zugeht!

Dass aber schon ein frecher Kinderchor zu derartigen Auseinandersetzungen führt, lässt für die Zukunft nichts Gutes erwarten.

Mein Applaus gehört den Kids vom WDR – und ich finde es gut und richtig, dass derlei im öffentlich-rechtlichen stattfinden kann!

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Diskussion

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16 Kommentare zu „Warum ich 2020 nicht nach Sizilien fliege (#OmaGate)“.

  1. > Mein Applaus gehört den Kids vom WDR

    definitiv!

    es reicht schon, sich die blogroll von „tapfer“ anzugucken, um zu wissen wes geistes kind er ist. daß er nicht mal bemerkt hat, wer da droht, erst recht. projektionen in reinstform.

    und: wäre ich beim WDR, wüsste ich jetzt ein für alle mal, was für ein feiger honk tom burhrow ist, der statt sich hinter seine mitarbeiter zu stellen, lieber den rechten diskurs befeuert.

    liebe grüße und einen guten rutsch!

  2. Finde ich gut! Ich habe dieses Jahr auch einen geplanten Auto-Trip nach Spanien platzen lassen. Alleine 5.000km Autopuffpuff machen nur für mein persönliches Vergnügen, erschien mir angesichts all dessen, was im zuende gehenden Jahr an Bewusstseinswandel in jedem vernünftigen Menschen stattgefunden haben sollte, nicht mehr angemessen. Es wäre etwa eine halbe Tonne CO2 gewesen. Die habe ich nun gespart. Außerdem noch zwei Fahrten nach Berlin und nach Österreich, die ich früher mit dem Auto zurück gelegt hätte, habe ich dieses Jahr durch Zugfahrten ersetzt. Noch mal 0,2 Tonnen weniger CO2.
    Trotzdem stimme ich zu: auf alles kann man nicht verzichten. Auch nicht auf „kleine Freuden“ wie mal 30km irgendwohin fahren, um zu wandern, zu chillen oder zu schlemmen.
    Widerspruch dagegen, was Bahnfahren von Berlin nach Sizilien betrifft. Beispiel:
    Berlin Hbf (tief) ab 06:30 – ICE 503
    München Hbf an 11:02
    München Hbf ab 11:34 – EC 87
    Verona Porta Nuova an 16:58
    Verona Porta Nuova ab 17:52 – FA 8527
    Roma Termini an 21:10
    Roma Termini ab 21:31 – ICN 1955
    Palermo Centrale an 10:07
    Das sind 28 Stunden unterwegs sein. Natürlich mehr als mit dem Flieger, aber ist das tatsächlich so „unvereinbar“?

  3. @Stefan: ja, schon. Jedenfalls so unvereinbar, dass ich es dann lieber ganz lasse. Denn ich habe immer nur so 10, max 12 Tage Zeit – und „am Stück“ würde ich mir diese Reise heute nicht mehr zumuten, müsste also Pause/Übernachtung einlegen. Wenn du dann noch die Preise addierst und nicht nur die Stunden, plus Essen/Übernachtung – dann übersteigt das mein Urlaubsbudget bei weitem!

    Berlin Hbf (tief) ab 06:30 – ICE 503 – 29,90 €
    München Hbf ab 11:34 – EC 87 – 79,90 €
    Verona Porta Nuova ab 17:52 – 38,90 €
    Roma Termini nach Catania – 45,- / 65,-
    zusammen = 193,70 bzw. 213,79 – EINFACHE HINFAHRT für eine Person ohne Zwischenstop / Übernachtung.
    Hin und Zurück mindestens: 387,40
    – somit das 7,13-fache des Flugs:

    Flug Easyjet HIN 22,36 (2,75 Std) + Zurück 31,99 = 54,35 – neuerdings sogar mit CO²-Ausgleich bzw. greengewasht.

    Zug wäre eine megateure Quälerei, die ich mir ganz bestimmt nicht als Urlaub wünsche. Klar, wenn ich Zeit ohne Ende und z.B. ein Lehrergehalt hätte, dann vielleicht. Dann würde ich gemütlich den Stiefel runter reisen, mit vielen Zwischenaufenthalten an tollen Orten!

  4. Schon klar, dass das strapaziöser ist und vor allem teurer. Das mit den Strapazen könnte man noch abfedern, indem man sich auf der Nachtfahrt mal eine eigene Schlafkabine gönnt. Aber dann kostet es gleich noch mal 100-150 Euro mehr. Andererseits gibt es auch Sparmöglichkeiten – so kann man z.B. laut https://www.interrail.eu/ für 196€ an 3 Tagen innerhalb eines Monats so viel Zug fahren in Europa wie man will, auch als Erwachsener.

    Vor zwei Jahren war ich mit meinen beiden Söhnen in Tarifa (Südzipfel von Spanien). Wir sind dort mit dem Auto hingefahren – jeweils 3 Etappen. Am Ende waren wir von 14 Tagen nur 8 Tage am Zielort. Aber die 6 Etappen waren auch Teil der Reise, denn es gab ja auch 6 interessante Etappenziele, und viele tolle Landschaften dazwischen. Was ich damit sagen will, ist: „Anders reisen“ beginnt – wie „anders essen“ ja auch – im Kopf. Damit, dass man sich vorstellen kann, dass eine andere Lösung auch reizvoll ist.

  5. Moment mal! Der WDR behauptet doch, das Video sei eine Satire. Aber wenn das stimmt, dann wäre es ja gegen die Klimaschutz-Bewegung gerichtet. Denn die eigenen Positionen satirisch zu überzeichnen, das macht doch niemand. Zumindest nicht in der politischen Debatte. Das wäre sonst Selbstironie, damit Selbstreflexion und Selbstkritik.

    Wenn jemand ein Video veröffentlicht, in den jemand eine Deutschlandflagge wedelt und behauptet, sagen wir mal, Merkel sei eine außerirdische Reptiloide – was wäre das? Ein rechtes Video, das ironiefrei behauptet, Merkel sei tatsächlich eine Außerirdische, oder ein linkes, das sich mit dem Mittel der Überzeichnung über Rechte lustig macht, die Merkel beschuldigen, Deutschland zu schaden?
    Und wenn dann die Information dazu käme, es sei tatsächlich als Satire gemeint, was würde das ändern?

    Wenn das WDR-Video als pro-Klimabewegung gemeint sein soll, was offensichtlich ist, dann kann es eben nicht gleichzeitig Satire sein, die sich ironisch über radikale Klimaschutz-Aktive lustig macht.

    Noch ein Denkanstoß. Was wäre anders, wenn das selbe (!) Video nicht von links, sondern von rechts gekommen wäre, also nicht vom WDR sondern z.B. von Tichy, Achse des Guten o.ä.?

    In dem Fall wäre es tatsächlich als Satire wahrgenommen und bewertet worden, und es hätte ebenfalls einen Shitstorm gegeben – nur anders herum. Für das selbe Video, wohlgemerkt. Schade dass man sowas nicht experimentell machen kann.

  6. im WDR hat ein Plagiat stattgefunden
    und der Chef muss den Kopf hinhalten.

    bedauernswerte Geschöpfe einer hirnwaschenden
    Generation von Mitläufern, Radfahrern und Leisetretern.

    Schattenparker allesamt, Warmduschend verzogene
    Lausebengel, keine Haare
    am beutelchen.

    wer Volkslieder nachmacht, verunglimpft
    oder mit neuen Inhalten versieht und damit
    bewusst die historischen Ereignisse unserer
    Altvorderen in die verschmutzte Gegenwart
    zieht, wird mit Haft- und/oder Geldstrafen
    nicht unter 15 Jahren bestraft.

    Früher hab ich omas bewundert, die den Mut
    aufbrachten im Hühnerstall mit der Laverda
    6Zylinder die achter in den Boden zu schleifen
    bis ich auf die Idee kam, dass dieses Verhalten
    ein (hilfloser) Protest der Alten gegen die
    neue Strassenverkehrsordnung darstellen sollte.

    ein Partisanenkrieg im Huehnerstall!

    Avanti o popolo, alla riscossa,
    Bandiera rossa, Bandiera rossa.
    Avanti o popolo, alla riscossa,
    Bandiera rossa trionferà.

    Bandiera rossa la trionferà
    Bandiera rossa la trionferà
    Bandiera rossa la trionferà
    Evviva il comunismo e la libertà

    kann ich da nur sagen.

    ich habe das Gefühl, der Schnösel vom WDR
    ist auf dieselbe Idee gekommen und, um einer
    Terroristenfahndung mit Guantanamo und
    Waterboarding in putativer Notwehr zuvorzukommen
    hat er also lieber den absehbaren Shitstorm
    wegen Unmoral (das sogenannte kleinere Uebel)
    gekauft, ah…. in Kauf genommen.

    WTF is „WDR“ ?
    was zu essen?

    Ihr regt euch über Kinderlieder auf und
    verwehrt den alten Hasen und HasInnen
    die Teilnahme am Strassenverkehr?

    gehts noch?

    „how dare you??“

    inkoppschuettelgo

  7. wie aus einer omahysterie
    terrorismus gemeuchelt werden kann

    https://www.kontextwochenzeitung.de/zeitgeschehen/114/putativ-erschossen-471.html

    es empfiehlt sich, zwischen den zeilen zu lesen.

  8. @Claudia – „Dass aber schon ein frecher Kinderchor zu derartigen Auseinandersetzungen führt, lässt für die Zukunft nichts Gutes erwarten.“

    Hoffe auf noch mehr „freche Kinderchöre“. Allerdings sollten die Kids selbst an den Texten mitwirken, die vermutlich mehr Intelligenz versprühen dürften als das platte Oma-Hühnerstall-Liedchen.

    https://www.deutschlandfunk.de/medienwissenschaftler-zu-omagate-prinzip-der.694.de.html?dram:article_id=466990

    Die 2-Wege-These finde ich vernünftig und ermutigend und lädt zu weiteren Thesen ein, wie z.B. die nach ‚Wirtschaftsdemokratie‘
    https://www.deutschlandfunk.de/philosophin-ueber-verteilung-und-verantwortung-ungleichkeit.911.de.html?dram:article_id=46630177

  9. Noch ein lesenswerter Beitrag zur „Umweltsau“
    https://www.nachdenkseiten.de/?p=57392#more-57392

  10. Folgende ‚These‘ finde ich so was von vernünftig und einsichtig:
    „Es wird keine Erneuerung der Ökonomie, keine Lösung der wirtschaftlichen Probleme ohne eine Erneuerung der Beziehungen geben.“
    http://www.bzw-weiterdenken.de/2020/01/kapitel-1-politik-als-arbeit-an-der-kultur/

  11. Gott sei Dank gibt es konservative Medien, in denen diese „Bagatelle“ anders beurteilt wird. Zum Glück die Mehrheitsführer sind das im Vergleich zur Front aus linker Blase und Antifa bloß ein paar Wenige.

    http://bit.ly/37x0q8i
    http://bit.ly/39Gr5RS

  12. Ich hatte aus der Twitter-Erfahrung heraus (Hashtag gefolgt) durchaus den Eindruck, dass das Thema „von rechts“ gepusht und vor allem auch mit Grundsatzkritik am ÖR verbunden wurde. Wenn nun die Daten ergeben, dass das nicht der Fall, sondern die Kritik breiter war, hat das also nicht gestimmt.

    Wie auch immer: die Aufregung ist total überdimensioniert, von daher völlig irre!

  13. […] um diese Zeit fällige Kurzurlaub im sonnigen Sizilien findet dieses Jahr statt. Die Flugscham hat mich abgehalten, danke Greta! Italien ist ja seit gestern insgesamt „rote Zone“ und auch in Sizilien […]

  14. […] mal Spanien, Portugal) als Flucht vor dem langen Ende des Berliner Winters hatte ich dieses Jahr gecancelt. Aus „Flugscham“, denn ich wollte nicht einerseits für mehr Klimaschutz eintreten und […]

  15. […] vor Corona hatten wir beschlossen, dieses Jahr auf eine Flugreise zu verzichten. Um aber doch mal aus dem heimischen Garten heraus zu kommen, musste zumindest eine Kurzreise sein. […]