Na warum wohl? Aus „Flugscham“! 2019 die verschiedensten klimaschützerischen Aktivitäten unterstützt, am Klima-Streiktag dabei gewesen, jede Menge Greta-Support-Tweets weiter geleitet, hier im Blog das Klimathema rauf und runter diskutiert – da käme ich mir höchst heuchlerisch vor, nun wie immer Ende Februar ungerührt in den Billigflieger zu steigen, um dem Berliner Winter zu entfliehen.
Statt dessen will ich mit dem Liebsten ein paar Ausflüge ins weitere Umland machen, mit ÖPNV und Fahrrad. Und erst 2021 dann wieder Sizilien, natürlich per Flieger, anders geht es zeitlich und finanziell nun mal nicht.
Wer sich darüber jetzt wundert:
Es gibt nicht nur „ganz oder gar nicht“!
Wer hätte das gedacht! Nicht beim Fliegen, nicht beim Auto fahren und auch nicht beim Fleisch essen. Die persönlichen Flugsünden um 50% zu reduzieren, ist auch schon was! Wenn das alle machen würden, wäre es weit wirksamer als das Nicht-Fliegen von Leuten, die sowieso nicht fliegen oder den paar wenigen, die sich zum Komplett-Ausstieg durchringen können. Auch das Potenzial an Menschen, die ganz auf Fleisch und Tierprodukte verzichten wollen, ist begrenzt, doch gibt es immer mehr Teilzeit-Veganer, die zumindest klimabewusstem Fleischverzehr eine Chance geben.
Derzeit regt sich die halbe Welt über „#OmaGate“ auf: Da hat ein Kinderchor im WDR doch ganz frech gesungen:
Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad, Motorrad, Motorrad.
Das sind tausend Liter Super jeden Monat,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.Meine Oma sagt, Motorradfahren ist voll cool, echt voll cool, echt voll cool.
Sie benutzt das Ding im Altersheim als Rollstuhl,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.Meine Oma fährt im SUV beim Arzt vor, beim Arzt vor, beim Arzt vor.
Sie überfährt dabei zwei Opis mit Rollator,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett, ein Kotelett, ein Kotelett.
Weil Discounterfleisch so gut wie gar nichts kostet,
meine Oma ist ne alte Umweltsau.Meine Oma fliegt nicht mehr, sie ist geläutert, geläutert, geläutert.
Stattdessen macht sie jetzt zehnmal im Jahr ne Kreuzfahrt,
meine Oma ist doch keine Umweltsau.
Und daraus wird glatt eine Staatsaffäre! Rechte demonstrieren vor dem WDR, twittern Hass und Hetze, Politiker nehmen Stellung, der WDR entschuldigt sich und löscht das Video, das dadurch erst recht weiträumig herum gereicht wird. Die BILD heizt die Stimmung an, sogar in der gedruckten Ausgabe – die haben doch alle einen an der Waffel!
Eine ganze Generation würde beleidigt, heißt es. Nein, keineswegs, sondern nur diejenigen werden als „Umweltsau“ beschimpft, die 1000 Liter Super fürs Motorrad verbrauchen, mit dem SUV zum Arzt fahren (dabei 2 Opis überfahren), jeden Tag ein Kotelett braten und 10 Kreuzfahrten pro Jahr machen.
Wie viele Omas müssen sich diesen Schuh eigentlich anziehen? Und: wenn man die satirischen Übertreibungen nun weglässt und das pure Diskriminieren von Fliegen, Fleisch essen, SUV fahren und Kreuzfahrten als gemeinten Inhalt des Liedes setzt: Sie haben doch recht! Wie viele Artikel, Analysen, Dokus, Apelle und Konferenzen muss es denn noch geben, bevor wir alle unser Verhalten ändern?
Dass unser Lebensstil in Gänze so nicht nachhaltig ist, müsste auch der letzte Depp mittlerweile begriffen haben. Selbst die Klimawandelleugner (die paar, die noch die Augen vor dem mittlerweile Offensichtlichen verschließen) müssten wissen, dass fossile Energien endlich sind. Es also ziemlich dummdreist und selbstzerstörerisch ist, sie wie bisher für vielerlei Luxus zu verbraten!
Wie kommen wir aber dahin?
Da gibt es zwei Wege:
- Demokratische Willensbildung per Parlament: diese Herangehensweise hat uns 2019 das Klimapaketchen beschert.
- Bewusstseinswandel und freiwillige Verhaltensänderungen: sprich, es muss uncool werden, sich wie eine Umweltsau zu verhalten! Man soll sich durchaus rechtfertigen müssen, wenn man weitere Umweltsünden begeht.
Auf Dauer wirkt dann Weg 2 auf Weg 1 zurück, so dass auch parlamentarisch wirksamere Regelungen beschlossen werden können. Es geht um eine großformatige kulturelle und wirtschaftliche Veränderung, kein Wunder, dass es dabei nicht immer ganz freundlich zugeht!
Dass aber schon ein frecher Kinderchor zu derartigen Auseinandersetzungen führt, lässt für die Zukunft nichts Gutes erwarten.
Mein Applaus gehört den Kids vom WDR – und ich finde es gut und richtig, dass derlei im öffentlich-rechtlichen stattfinden kann!
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16 Kommentare zu „Warum ich 2020 nicht nach Sizilien fliege (#OmaGate)“.