Wie schon im Artikel über das Bogenschießen angemerkt, freut es mich, zu den Wurzeln meines persönlichen Bloggens zurück zu kehren, das Mitte der 90ger mit „Was ist der Sinn des Lebens?“ seinen Anfang nahm und auch noch im Diary-Untertitel „Vom Sinn des Lebens zum Buchstabenglück“ an dieses große Thema erinnert.
Im philosophischen Blog von Bengt V. Fürchtenicht fand ich heute einen großartigen Artikel Corona zwischen Technokratie und Nihilismus, der diese Frage vor dem Hintergrund der Corona- und Klima-Krise umkreist. Ich zitiere einen für mich zentralen Absatz:
„…Es ist ja ein klassiches Luxusproblem, wenn ich jetzt nicht das Konzert meiner Lieblingsband besuchen kann oder wenn meine Lieblingssorte Klopapier ausverkauft ist. Es ist aber in einem ganz anderen Sinne ein Luxusproblem, wenn ich mich an meinen Luxus klammern muss, weil ich mich sonst innerlich leer fühle, wenn ich keinen echten Sinn im Leben sehe und es mir daher an innerer Kraft fehlt, den Verheißungen der Supermarktregale zu widerstehen.
Eine Krise, die den Luxus zum Problem macht, kann nur gelöst werden, wenn im Zuge dessen auch die Leere, die wir sonst mit Luxus füllen, auf andere Weise gefüllt wird – zum Beispiel mit echtem Lebenssinn, der über den Gehalt von Kalender- und Werbesprüchen, über postmoderne Hypermoral und auch über die reine „Anti“-Haltung revolutionären Aufbegehrens hinausreicht.
Die Sinnkrise des Abendlandes ist ein Problem der sogenannten „ersten Welt“ und insofern ein first world problem. Trotzdem ist sie ein ernstes Problem. Die Klimakrise kann nicht gelöst werden, ohne auch die Sinnkrise zu lösen.“
Gestern im RBB gesehen: nach Öffnung der Geschäfte steht eine lange Schlange vor dem ZALANDO-Outlet. Befragt von der Reporterin zum Grund ihres Hierseins sagt eine junge Frau:
„Eigentlich brauche ich nichts Bestimmtes. Morgens ist halt Uni, nachmittags geh ich shoppen.“
Das illustriert doch punktgenau das Sinndefizit, das Bengt anspricht. Was sind wir abseits unseres Konsums? Utopien gibt es nicht mehr. Menschen hierzulande wünschen sich für die Zukunft vor allem den Erhalt des Status Quo, wohl wissend, dass das inmitten der Klimakrise und sich verschärfender Verteilungskämpfe eine eher unwahrscheinliche Zukunftsvision ist – und somit wahrhaft „utopisch“.
Während des „Lockdown“ haben einige zu glauben begonnen, die Auszeit werde ein Umdenken bzw. Umfühlen mit sich bringen: Wer mangels Alternative gelernt hat, sich anderweitig zu beschäftigen, wird vielleicht auch in Zukunft mehr darüber nachdenken, was „wirklich gebraucht“ wird.
Wie es aussieht, kann man sich solche Ideen abschminken. Nicht nur laufen die Geschäftsstraßen gleich wieder voll, Corona hin, Corona her. Wir bekommen auch drastisch wie nie vor Augen geführt, was passiert, wenn kaum mehr konsumiert wird. Das Rad muss sich drehen, the Show must go on, wir MÜSSEN (über-)konsumieren, sonst fällt uns tatsächlich der Himmel auf den Kopf!
Was also tun? Ich weiß es nicht und auch Bengt V. Fürchtenicht bleibt etwas wolkig mit seinem Programm zum Umgang mit der Sinnkrise. Ich habe das dort auch kommentiert, doch freue ich mich überhaupt nicht darüber, dass mir zur Sinnfindung des Abendlands absolut nichts einfällt. Bzw. nur, dass man sich vielleicht darauf verständigen könnte, als „Sinn und Ziel“ zumindest alle Menschen aus krasser Armut zu befreien. Aber selbst dieses „Minimum“ führt in Bevormundungen, totalitäres Denken, neuen Kolonialismus.
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15 Kommentare zu „Die Frage nach dem Sinn“.