Claudia am 21. November 2020 —

Gastartikel:
Es ist nicht nur Bildung, die fehlt!

Florian Aigner hat auf Twitter ein Statement gepostet, das mir aus der Seele spricht. Mit seiner Erlaubnis gebe ich den Thread hier wieder:

Wir müssen einfach für höhere Bildung sorgen, dachte ich lange Zeit. Wir müssen der breiten Bevölkerung wissenschaftliche Fakten beibringen, Mathematik und logisches Denken, dann wird alles gut! Ich lag falsch. Was fehlt, lernt man entweder im Kindergarten – oder nie.

Mit Schaudern sehen wir, was derzeit geschieht: Die Bevölkerung zerfällt in Gruppen, die jeweils ihr eigenes Bild von der Welt zur Wahrheit erklären: Corona gibt es nicht. Klimawandel ist harmlos. Impfen ist gefährlich, weil uns Bill Gates Computerchips implantieren will.

In den USA gibt es zwei verschiedene Ansichten darüber, wer zum Präsidenten gewählt wurde. Das Problem dabei ist nicht, dass zu wenige Fakten zur Verfügung stehen, oder dass komplizierte Zusammenhänge nicht erklärt werden. Das Problem ist, dass Lügen nicht mehr als unanständig gilt.

Die Gefahr ist nicht Dummheit, Unkenntnis von Statistiken und Fakten, sondern moralische Verkommenheit. Unsere Gesellschaft beruht auf ungeschriebenen Gesetzen, das war uns zu wenig bewusst. Und diese Gesetze werden plötzlich überall gebrochen:

  • Wenn ich widerlegt werde, muss ich zugeben, dass ich falsch lag.
  • Was ich abgemacht habe, muss ich einhalten.
  • Ich kann nicht mitten im Spiel die Regeln ändern, wenn mir das Ergebnis nicht gefällt.
  • Es gibt Fakten, die wahr sind, auch wenn sie mir nicht gefallen.

Das sind Grundsätze, die man normalerweise im Kindergartenalter lernt. Das ist ein schwieriger Lernprozess, der oft ein paar Tobsuchtsanfälle und durch die Luft geschleuderte Brettspielfiguren mit sich bringt, aber die meisten Leute schaffen das.

Wissen, Bildung und Information kann erst auf Basis dieser moralischen Grundbedingungen wirksam werden. Und das ist unser Problem. Das moralische Minimum, das wir zum Aufrechterhalten gesellschaftlicher Kooperation brauchen, hat plötzlich zu wackeln begonnen.

Versteht mich nicht falsch: Es ist toll, wenn wir wissenschaftliche Erklärvideos machen, Impfstatistiken verständlich präsentieren und das US-Wahlsystem fundiert analysieren. Aber all das ist wertlos, wenn die Grundlektionen aus dem Trotzphasenalter nicht gelernt wurden.

Dann sind wir in derselben Situation wie der Schachgroßmeister, der gegen eine Taube verliert, weil sich die Taube nicht an die Regeln hält, die Figuren umwirft und auf das Spielbrett kackt. Dagegen kann man nicht gewinnen, auch wenn man die besten Züge kennt.

Wir müssen also irgendwie schaffen, nicht nur höhere Bildung zu verbreiten, sondern auch elementare moralische Grundbildung. Es darf sich in unserer Gesellschaft nicht lohnen, ein egoistisches Ekelpaket zu sein. Sonst ist all unser Wissen einfach umsonst.

***

Florian Aigner ist Physiker, Autor und Wissenschaftspublizist. Er schreibt Bücher, twittert und hat auch eine Heimseite.

Florian Aigner

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Diskussion

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20 Kommentare zu „Gastartikel:
Es ist nicht nur Bildung, die fehlt!“.

  1. Wie schön, dass langsam auch die Vertreter des Positivismus begreifen, dass in einer Gesellschaft ein gemeinsamer Geist – oder eben Ungeist – herrscht. Wenn sie jetzt noch erkennen, dass man den nicht einfach als Bildungsstoff im Kindergarten implantieren kann, ohne dass er vorher der herrschende wurde, dann würden die Kinder auch nicht spätestens in der weiterführenden Schule erkennen, dass es eben nicht der herrschende ist und die Moral ihrer Kindertage bloß der Zuckerguss über dem kaltschnäuzigen, postmodernen, neoliberalen Kapitalismus war.

  2. Ja, ein toller Text. Danke fürs Teilen.

    Ist der Grund für die allseits beklagte Entwicklung geistige oder moralische Armut? Vermutlich sind beide Tatbestände vorhanden. Es muss jedoch mehr geben, was Menschen dazu bringt, sich so zu verhalten. Vielleicht müssen wir uns fragen, weshalb so viele den Wert dieser Veranstaltung, die wir Demokratie kennen, nennen (mehr) zu schätzen wissen. Trump, die AfD, die Covidioten respektieren andere Meinungen nicht. Für sie existiert nur eine Wahrheit. Wenn wir, die Gegner dieser Leute, diese als geistig unterbemittelte Idioten titulieren oder als unerzogene, moralisch verkommene Subjekte bezeichnen, hilft sicher nicht weiter. Es verschafft uns vielleicht ein paar Minuten Luft, wenn wir sowas formulieren. Wir wissen: helfen wird das nicht. Im Gegenteil.

    Ich glaube, es hilft, sich nicht mehr an sinnlosen Debatten in den asozialen Netzwerken zu beteiligen. Ich habe überlegt, ob ich nicht konsequenterweise auch das Bloggen einstellen sollte (jetzt bitte keine dummen Bemerkungen! ¯\_(ツ)_/¯. Aber die Wirkung eines Blogtextes ist schon allein aufgrund der völlig unterschiedlichen Systematik (Filterblase, Echokammer) eine ganz andere. Von der Reichweite einmal ganz abgesehen.

    Unsere Medien spielen in dem gesamten Zusammenhang eine besondere Rolle. Ich finde es schädlich für die Demokratie, wenn einzelne Personen oder Gruppen vom Bildschirm verbannt werden, weil sie Meinungen vertreten, die mit vermeintlichen Mehrheitsmeinungen inkompatibel sind. Ich denke an Nuhr oder Lisa Eckhart aber auch an der fehlenden Präsenz von AfD-Politikern in den Medien. Ich möchte beides (Satire und Politik) gar nicht miteinander verbinden. Wir, die Öffentlichkeit, tut das aber laufend. Die andere Seite ist, dass ich mich furchtbar darüber aufregen kann, wenn so ein Eumel in der Runde sitzt und trotz der Blödheiten, die er verzapft, am Ende auch noch gut wegkommt, und zwar nicht nur bei „seiner Klientel“. Das ganze Thema wird kein Ende nehmen, solange wir nicht verstehen, wie Kommunikation und Medien funktionieren und wie leicht wir alle manipuliert werden können. Es ist vermutlich doch eher eine Frage der Bildung als irgendwelcher moralischen Ansprüche. Komplexe Fragen, mit denen wir es heute ständig zu tun haben, stellen Anforderungen an uns, denen wir uns gewachsen zeigen müssen.

  3. „Bildung“ hat noch nie vor Torheit oder Schlimmerem bewahrt!

    Es wird jedenfalls keiner behaupten können, dass alleine in Regierungen alles Vollpfosten sind, die aus welchen Gründen auch immer Falschaussagen treffen, mit der Art von plumper Anmache Lügen verbreiten oder wissentlich einen Eklat nach dem anderen verbocken. Da sind gemessen am Bildungsniveau und/oder IQ sagenhaft intelligente Leute dabei.

    Wenn man so will, ist ja auch bei den Studenten über die Burschenschaften hierzulande allerhand Ungeist enthalten, obwohl diese ja quasi den universitären Weg gehen. In der englischsprachigen Welt sind es auch bevorzugt Elite-Unis, an denen quasi die bereits als egoistische A….löcher Erzogenen ihren letzten Schliff auf dem Weg zur „Elite“ bekommen und dann auf die bescheidene Restmenschheit losgelassen werden.
    Selbst die normale Schule dient doch mit ihrem ausgeprägten Leistungsdruck, der sich quasi nur in Noten und Punkten widerspiegelt, aber den gesamten Menschen gar nicht einbezieht, sondern in vielerlei Hinsicht nur als möglichst willenlose und konforme Verfügungsmasse zu formen. Der „Run of Life“ findet dann eben bei den „Loosern“ auf der Strasse, im Internet oder anderweitig an Schwächeren seine Erfüllung. Und jetzt haben viele derjenigen ein Ventil gefunden, die vielleicht nicht einmal so auf den ganzen Stuss der Corona-Leugner abfahren, sich aber ihren Frust auf diese Weise ablasten können. Dass sie dabei Steigbügelhalter für wirkliche Esos, Rechte und andere desktruktive Teile der Gesellschaft sind, die einerseits auch da ihre hirnlose Wut über teils vermeintliche Einschränkungen abladen können und andererseits nie wirklichen Fortschritt im Sinn haben, sondern auch wieder nur das Durchsetzen ihrer eigenen, egoistischen Interessen, wird dabei nur allzuoft ausgeblendet.

    Alles was dabei als „Gegner“ erscheint oder Kritik üben könnte oder die eigene Sichtweise ändern könnte, wird daher abgeblockt oder sogar angegriffen. Medien und deren Vertreter stehen da neben generell Andersdenkenden sehr hoch im Kurs. Wo argumentativ nichts geht, weil man vielleicht eben doch nicht im Besitz der „Wahrheit“ ist, spricht dann eben die Faust.

    Was da viel mehr fehlt, ist eine Art emotionale Intelligenz, Altruismus und der Wille und das Vermögen, sich in ein eventuell auch anderer Meinung seiendes Gegenüber überhaupt hinein zu versetzen. So nebenbei setzt das natürlich voraus, auch eigene Schwächen und Fehler einzugestehen. Diese neudeutsch „Fehlerkultur“ ist ebenfalls ein grosses manko dieser gesellschaft. Wer Fehler zugibt, macht sich quasi sofort angreifbar und hat damit bereits das erste Mal verloren, statt das darüber und der Kritik daran für alle etwas besser wird.

    PS. Wenn ich das derzeitige Fiasko betrachte und an die Zeit des/der Stummen vor der Wende denke, dann weiss ich nach wie vor, dass diese knappe Jahr von 1989-90 die schönste Zeit in meinem Leben war, was politisches Vorankommen betrifft. Das war für einen ganz kurzen Augenblick wirkliche Basisdemokratie, an der sich auch viele gern und zielführend einbringen konnten und darüber tatsächlich etwas bewirkt haben. Dieser Geist wurde jedoch ganz schnell wieder unterdrückt und übrig ist fast nur noch der Missbrauch der Losung: „Wir sind das Volk!“

    So traurig und so wahr…

  4. „Ist der Grund für die allseits beklagte Entwicklung geistige oder moralische Armut? Vermutlich sind beide Tatbestände vorhanden. Es muss jedoch mehr geben, was Menschen dazu bringt, sich so zu verhalten.

    Genau, @Horst, so sehe ich das auch und darüber meine ich, müssen wir weiter nachdenken.

    Menschen, die unter der fortgesetzten NS-Staatsdoktrin der bewussten Angsterzeugung-, einer SED-hörigen und diktatorisch gelenkten und wahrhaftig echten Lügen-Presse-, einer dahinsiechenden Mangelwirtschaft-, unter nahezu dementen Politikern regiert wurden,- wie sollen diese Menschen, die das nahezu wie ihre eigene Muttermilch im Kindergarten aufgesaugt haben, vom nunmehr heute möglichen Gegenteil des politischen Systems überzeugt werden?

    Ich glaube, dass wir `89 in Ost oder West weder geahnt noch gewusst haben, dass uns dieser Unterschied mal derart auf die Füße fällt. Aber ich denke, es ist nun mal so und da müssen wir durch. Gibt es eine Alternative?

    Nicht selten verzweifle ich selbst an den Dingen, aber es gibt auch viele Momente, wo ich guter Hoffnung bin.

    Im übrigen, @Clauldia, für Wirtschaftspublizist habe ich im Internet keine Berufsdefinition gefunden, unabhängig davon, ob Bücher geschrieben wurden oder nicht. Für der übergeordneten Begriff Wirtschaftsjournalismus sind Regeln aufgeführt, aber keine Vorschriften, sodass, nach meiner Einschätzung, jeder auf seine Visitenkarte davon drucken kann was er will,- sofern er das Geld dafür ausgeben möchte.

    Ich habe mich gefragt, was wäre, wenn das deutschsprachige Österreich, wozu ja auch Herr Aigner zählt, mit der deutschsprachigen Schweiz morgen eine Allianz bilden würde? Franken oder EU? Unabhängig oder eingebunden? So unterschiedliche Sozial-Versicherungs-, Mentalitäts- und Geldwertsysteme? Was für eine gigantische Herausforderung.

  5. Herzlichen Dank für Eure Kommentare bzw. intensiven Einlassungen!

    @juh: den „kaltschnäuzigen, postmodernen, neoliberalen Kapitalismus“ kriegen wir leider mangels Alternative nicht so einfach abgeschafft! Möglicherweise setzt die Klimakrise ihm doch irgendwann wieder engere Grenzen – und hierzulande ist ja schon noch viel Sozialstaat.

    @Horst: ich habe nicht den Eindruck, AFD u.a. seien „vom Bildschirm verdrängt“, sehe aber auch den Zwiespalt: Soll man ihnen noch mehr Bühne geben, um ihre oft genug auf Provokation zielenden Ansichten zum Besten zu geben? Sie praktizieren das Gegenteil konstruktiver Mitarbeit an den Problemen unserer Zeit – siehe neulich im Bundestag (einfach nur oberpeinlich, Kindergarten!). Nuhr und Eckhart sind auch nicht „verdrängt“, ich zähle sie auch nicht zur AFD-Blase, bei weitem nicht.

    @Siewurdengelesen: Es wird mir ein ewiges Rätsel bleiben, wieso gebildete, intelligente Menschen so extrem aufs falsche Gleis geraten können! Halte aber die Mehrheit der „Schwurbler“ z.B. nicht für besonders belesen/medienkompetent, sonst hätten sie ja gewisse Zweifel an ihren „alternativen Medien“ mit den „alternativen Fakten“.

    @Menachem: es sind aber nicht nur Ossis, die derzeit durch besonders abseitige Meinungen auffallen, oder?

    „..wie sollen diese Menschen, die das nahezu wie ihre eigene Muttermilch im Kindergarten aufgesaugt haben, vom nunmehr heute möglichen Gegenteil des politischen Systems überzeugt werden?“

    Wollten sie denn nicht „die D-Mark“ und das Ende des SED-Regimes? Fall der Mauer, Reisefreiheit, Ende der Mangelwirschaft, zügige Sanierung der Infrastruktur? Klar gab und gibt es auch Verlierer, aber ist es wirklich das, was Menschen dazu bewegt, nun eine Partei zu wählen, die alles andere als „sozial“ ist? Bzw. gegen Corona-Maßnahmen auf die Straße zu gehen trotz heftig steigender Infektionszahlen? Wenn ich die Leute sehe, sind sie zwar nicht „die Jugend“, aber im Schnitt auch nicht soooo alt, dass man sagen könnte, sie seien noch sehr von der DDR geprägt. Aber hey, ich weiß darüber zu wenig, obwohl ich viel gelesen habe. Vor Ort und mitten drin hat man vermutlich eine realitätsnähere Sicht der Dinge.

    Warum du Aigners Berufsbezeichnung problematisierst, versteh ich nicht wirklich. „Publizist“ nennen sich viele, die nicht für klassische Großmedien schreiben (könnte ich auch nutzen), sondern eben Bücher, Fachartikel, Kolumnen. Aber auch „Journalist“ ist keine rechtlich geschützte Berufsbezeichnung. Aigner könnte sich auch „Wissenschaftsautor“ nennen – schaut man seine Bücher an („Schwerkraft ist kein Bauchgefühl“), ist doch klar, was und wie es gemeint ist.

  6. @Claudia, natürlich meine ich die Debatte um „Cancel Culture“. Genau sie wird von Linken und Grünen zu stark forciert. Da haben es die Rechten leicht, sich dagegen zu positionieren und dabei schließlich sogar „gut“ auszusehen. Wenn die Positionen der anderen Parteien, denen der AfD überlegen sind, muss das in der Öffentlichkeit auch deutlich gemacht werden. Das geschah in der Vergangenheit aber zu oft nicht. Im Gegenteil, man hatte schließlich das Gefühl, die Rechten hätten gepunktet. Mir kam es häufig so vor. Wenn man sie, statt voll dagegenzuhalten (Thadeusz) stattdessen ausgrenzt (weil die Verantwortlichen das als ihre Pflicht im Sinn der Demokratie betrachten) ist das schließlich eher kontraproduktiv. Es muss Tacheles geredet werden. Grüne und Linke sind da im Nachteil, weil ihre Kinderstube das Niveau eigentlich nicht zulässt. Die eigenen Argumente müssen stark und überzeugend sein. Waren sie das in den wenigen Debatten, in denen diese Rechten beteiligt waren? Da habe ich meine Zweifel. Wenn ich meinen Eindruck solcher Veranstaltungen schildere, könnte man denken, ich hätte Sympathien für die Positionen der Rechten.

  7. @Claudia Klinger

    Wollten sie denn nicht „die D-Mark“ und das Ende des SED-Regimes? Fall der Mauer, Reisefreiheit, Ende der Mangelwirtschaft, zügige Sanierung der Infrastruktur?

    Ja und nein!

    Dazu gibt es das definitiv lesenswerte Buch Tamtam und Tabu von Daniela Dahn und Rainer Mausfeld. Dort wird nämlich sehr präzise beschrieben, dass zumindest D-Mark und Einheit gar nicht so sehr auf der Liste standen, sondern ein Neuanfang in einem zu reformierenden, eigenen Staat. Das entsprach und entspricht auch nach wie vor meinem eigenen Erleben dieser Zeit. Der Machtapparat der SED-Bonzen war da schon am Ende und insofern zieht da für mich der Aspekt von Menachem Welcland nicht, sonst hätte es die Wende auch nie gegeben.

    Letztendlich wurde da aus verschiedenen Gründen innerhalb kürzester Zeit weitestgehend medial die „Meinung gedreht“ und über Halbwahrheiten und Panikmache ein „gewisser Druck“ erzeugt, doch lieber für die harte Währung und die „Freiheit“ mit der Konsequenz sozialer Abstriche der deutschen Einheit zuzustimmen, statt sich auf das vermeintlich ohnehin zum Scheitern verurteilte „Abenteuer“ eines reformierten Sozialismus im eigenen Land einzulassen.

    Insofern hat das angebliche alles Mitmachen, was „von oben“ angeordnet wird, mit einem speziell ostdeutschen und anerzogenen Duckmäusertum nichts zu tun. Wenn dem so wäre, dann wäre auch eine Pegida nicht im Osten entstanden oder auch jetzt „rein zufällig“ die Zentren des Corona-Protests dieselben wie die der ganzen *gidas und was es da noch so gibt. Genau dieses staatliche Bevormunden hat die Leute ja dann auf die Strasse getrieben und da sehe ich null Gemeinsamkeiten mit dem jetzigen „Protest“, sondern der nutzt einfach nur das Label.

    Das neudeutsche Cancel Culture ist genau so ein Unsinn. Wobei z.B. der Fall Lisa Eckhart ziemlich aufgeblasen wurde. Mir war die Dame bis dahin gar nicht sonderlich bekannt und wenn sich da schon manche auf den Schlips getreten fühlen?! Das Gewese hat der Sache mehr Aufmerksamkeit verschafft, als sie so je erfahren hätte.

    Und genau da liegt ein weiteres Problem: Wenn ich wegen jedem Hasenfurz einen auf politisch korrekt mache, dann gehen einem bei wirklicher Provokation wie durch die AfD oder andere Rechte irgendwie die Argumente aus. Und hin und wieder gehört auch von linker Seite Populismus aufgetragen und nicht die x-te Frage nach gendergerecht verfassten Aufrufen, die genau deswegen die Zielgruppe „Prolet“ gar nicht liest, geschweige denn irgendwie verarbeitet. Da gehört nicht der endlose Stuhlkreis der Debatte gemacht, sondern der Finger gezogen. Wenn etwas Müll ist, dann ist es Müll und kein zu entsorgender Rest Unrats.

    Dieses nicht nur Klischee wurde ja sehr pikant schon im „Leben des Brian“ von den Monthy Pythons auf die Schippe genommen.

  8. @Siewurdengelesen
    „Wenn ich wegen jedem Hasenfurz einen auf politisch korrekt mache, dann gehen einem bei wirklicher Provokation wie durch die AfD oder andere Rechte irgendwie die Argumente aus.“

    Sehr schön. Und genau deshalb verzichten wir ab sofort auf einen politisch korrekten Ungang mit sämtlichen Covidiotendemoteilnehmern et. al. und greifen uns nur die Big Ones wie Höcke, Gauland, Kubitschek und co., evtl. noch Gestalten wie den Schwindelarzt, um uns sachlich und argumentativ mit denen auseinanderzusetzen. Alle anderen werden nur noch getrollt und gecancelt.

    So in der Art meintest Du das?

  9. @Brendan

    So in der Art meintest Du das?

    Sprechen wir hier von Cancel Culture, wo wie im Fall der Frau Eckhart teils übertriebene Ausschliesseritis stattfindet, oder von den Demonstranten und den Dir Genannten?

    Mit Letzteren ist ein sachliches Auseinandersetzen kaum möglich wie mit vielen der Demoteilnehmer, von daher ist das sinnlos. Die gehören meines Erachtens in der Mehrheit zu den Provozierenden selbst. Wirkliche Kritiker werden nicht abblocken und im Kreis ihrer „Argumente“ versuchen, sich einer Diskussion zu entziehen.

    Da dachte ich schon, dass sich das aus dem Kontext erschliesst.

  10. @Claudia Ach, noch was: Verdrängt wurden sie nicht – zum Glück. Bei der AfD ist es so, dass sie einfach nicht mehr zu Talkshows eingeladen wurden. Das ist subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll. Wenn man es denn so sehen möchte. Bei Nuhr und Eckardt sind die linken und grünen Stimmen schon recht laut, die bis zu der Forderung kamen, beiden „das Podium“ zu nehmen. Dass es nicht funktioniert hat bzw. dass im Fall Eckhardt sogar deutlich umgeschwenkt wurde und dass diese Kampagne für sie einen Benefit hatte, ist -finde ich- gut so. Jetzt wird bezüglich der AfD davon gesprochen, die Partei durch den Verfassungsschutz überwachen zu lassen und womöglich ganz zu verbieten. Als ob das irgendwas an den 6 Mio. WählerInnen ändern würde, die der Demokratie an die AfD verlorengegangen sind. Ich sehe mit Freude, dass die Zustimmung etwas gesunken ist (9-11% nach Umfragen). Trotzdem haben sie eine Menge Wähler. Um die gehts eigentlich, nicht um ein paar verrückte Funktionäre oder Mandatsträger. Mit denen muss eine Demokratie – unsere Demokratie – einfach fertigwerden. Das wird sie auch, wenn die anderen Parteien nicht die gleichen Fehler machen würden, die in den USA am Ende zu Trump (>70 Mio Wähler in 2020) geführt haben. Wie das möglich war, sollte uns viel mehr beschäftigen. Dann hätten wir vielleicht auch wirksamere politische Mittel gegen die rechten Idioten.

  11. Demokratie war gestern! In dem einzigen Bereich, der alles prägt (daher auch Alltag), nämlich der Arbeit, existierte sie noch nie. Was macht man bei einer tödlichen Seuche? Man schickt als erstes natürlich die Mitarbeiter der Gesundheitsindustrie in Kurzarbeit.
    Schöner Text vom Aigner, aber genau für diese Arbeitswelt benötigt man exakt diese Leute. Die ethischen Aspekte muss schon die Erziehung liefern und die kommt von den Eltern und nicht von irgendwelchen Institutionen. Du kannst in Menschen auch nix hineinlegen, was nicht mal Ansatzweise vorhanden ist. Dem ethisch kompetenten Katastropheningenieur stünde evtl. gar ein Lyriker oder ein Philosoph gegenüber, wenn es mit der Kindheit denn nur geklappt hätte.

    „Warum gibt es noch keine Fernsehshow, in der Hochleistungseltern ihre perfekt gedrillten Kinder gegeneinander antreten lassen? Ich erwarte, dass Zweijährige mit Messern jonglieren und Dreijährige eine perfekte Paella auf den Tisch zaubern können.“

  12. @juri nello:
    80% aller Kuzarbeiter im Gesundheitswesen kamen aus Arzt- und Zahn-Arztpraxen! Und warum? Weil die Patienten wegblieben. Der Rest aus Krankenhäusern, die ständig freie Kapazitäten vorrätig halten mussten und sich nunmal nicht jeder MA im Krankenhaus zur Behandlung von Intensivpatienten eignet. Und bei wegbrechenden Einnahmen ist das Instrument der Kurzarbeit doch sehr praktisch. Die Alternative heißt Kündigung.

  13. @Brendan Es ist also nicht jedes Mittel recht, um eine tödliche Seuche zu bekämpfen?

  14. @Juri Nello: Ich verstehe die Frage nicht in dem Zusammenhang.

    Was hat das damit zu tun, dass bspw. ein Zahnarzt, der dauerhaft 50% weniger Patienten hat, einen Teil seiner Mitarbeiter in Kurzarbeit schickt? Oder ein Röntgenassistent im Krankenhaus, weil wesentlich weniger geröntgt wird, einfach weil das KKH sich auf Covid Intensivpatienten konzentriert? Was hat das mit „Mitteln der Pandemiebekämpfung“ zu tun? Oder Demokratie?

  15. @Brendan: tja, so ist es leider oft, auf sachliche Gegenargumente kommt dann nichts mehr – bzw. das Gegenüber wendet sich eben ab, weil diese nicht ins eigene „Narrativ“ passen.

  16. @Brendan Wenn es um die Gesundheit gehen würde, ist doch das Erste, was ich als Staat mache, alle medizinischen Ressourcen dauerhaft zu binden. Den notleidenden Zahnarzt anzuführen ist schon etwas grotesk, da für diesen kleinen Ausschnitt des Körpers knapp 20 mal mehr Mittel aufgewendet werden, wie für alle anderen medizinischen Bereiche zusammen. Solltest Du da notleidend sein, stehst Du entweder noch ganz am Anfang der Karriere oder bist wirklich so schlecht, dass bei Dir aus gutem Grund die Leute fernbleiben.
    Jede größere deutsche Stadt verfügt zudem über einen eigenen Seuchenbekämpfungsplan. Ziemlich doof, wenn davon im Ernstfall nichts realisiert wird. Kommt dann das nächste Argument: “ Hach, das ist alles so neu und man weiß ja gar nix.“ Stellt sich dank China Leaks raus: „Oh! Man weiß doch schon eine ganze Menge!“ Aber dank führender amerikanischer und deutscher Fachverbrater kloppt man das als kommunistische Propaganda in die Tonne. Nach knapp einem Jahr im anhaltendem Würgegriff der Pandemie gäbe es sogar ganze Länder, an denen man sich bzgl. der Bekämpfung orientieren könnte. Ein Deutscher hat sowas natürlich nicht nötig. Es sind ja aus seiner Sicht alles nur rückständige Drittwelter. Nur Putin wäre aus deutscher Sicht noch schlimmer.
    Deshalb ergeht sich der Deutsche daher an dem, was er am besten kann: Dem Herumdoktern an Symptomen. Dabei sind Ursache & Wirkung genauso unerheblich wie Potenz & Tendenz. Er kann so wunderbar kurzfristig für sich und seine Kumpels ein wenig Kapital schinden.
    Wenn es für die heimische Bevölkerung gut ausgeht, kommen Herdenimmunität und Impflösungen bald zusammen zum Tragen. Wenn es schlecht ausgeht, operiert der Deutsche in 10 Jahren immer noch so rum, wie gerade jetzt, ist aber inzwischen schon zumindest gegen Corona immun.

  17. @Juri Nello: Nun, wenn Ihnen dieser Defätismus wirklich hilft … Ich finde Ihre Ausführungen albern bis ungerecht. Schauen Sie sich in unseren Nachbarländern um. Dort werden gegen das Virus auch keine anderen wirksameren Maßnahmen betroffen. Die Ausnahmen, die gern angeführt werden, wären Schweden oder die Schweiz. In Schweden erkennt man unter Schmerzen, dass die bisherige „lockere“ Art des Umgangs mit dem Virus nicht durchzuhalten ist und in der Schweiz sagt man klar und deutlich: Wirtschaft ist wichtiger als der einzelne Mensch. Gefällt mir persönlich jetzt nicht so gut. Ich habe heute Morgen einen interessanten Bericht über unsere speziellen Eigenarten gelesen. Horn (https://bit.ly/37C2Zrc) hat sich eingehender mit den Motiven der deutschen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten befasst und kommt dabei zu Schlussfolgerungen, die nicht nur schmeichelhaft sind. Sie gehen aus meiner Sicht zu weit und – was schlimmer ist – sie führen keine Argumente ein. Lieber kritisieren Sie offenbar, was alles in unserem Land in Sachen Corona falsch gemacht wird.

    PS: Mich würde interessieren, ob Sie eine Erklärung für die niedrigen Fallzahlen in Taiwan, Südkorea oder Japan parat hätten. Ich denke, es könnte daran liegen, dass die Menschen in diesen Ländern zum einen über mehr Erfahrung mit solchen Erkrankungen verfügen. Oder auch daran, dass die Bevölkerungen nicht aus renitenten Besserwissern zu bestehen scheinen.

  18. Hallo Herr Schulte, prima, wie Sie auf meinen Post zu Brendan reagieren.
    Zitat: „Wirtschaft ist wichtiger als der einzelne Mensch.“
    Dafür gibt es in Deutschland sogar gleich zwei Institutionen (mal ausgenommen von Brendan). Das Arbeitsamt und das Job Center. Beide sagen seit Bestehen nix anderes und jeder einzelne Sachbearbeiter ist staatlich legitimiert, das auch so umzusetzen und tut das auch! Die Bevölkerung sagt (mehrheitlich) dazu:“Hurra!“ Und das schon seit Dekaden.
    Das „Horn“ finde ich oftmals sehr gut, macht aber auch nix anderes, als der Pispers (früher). Jetzt erinnern wir uns noch mal, warum der Pispers aufhörte! Auch hier hilft das Internet zwecks Recherche. Apropos: Sie haben sicherlich u. a. China Leaks recherchiert, wie o. a.? Nur so wegen den Argumenten (und Fehlenden). Es könnte ja sein, das Ihnen da wissenschaftlich etwas entgangen ist.
    Um zu Schlussfolgerungen zu kommen, die nicht sonderlich schmeichelhaft (auch für Ministerpräsidenten) sind, braucht es ebenfalls nur das Internet. Recherchieren Sie einfach zunächst die Familie. Für den bevölkerungsreichsten Brocken, kurz NRW, reicht im Moment sogar die Eingabe „Joe Laschet“ bei irgendeiner Suchmaschine. Sollten Sie Probleme beim Recherchieren haben, so empfiehlt sich ein entsprechender Kurs bei https://www.burks.de/burksblog/
    . Macht der wirklich gut.

  19. @Horst Sorry, ich hatte den letzten Absatz vergessen. Taiwan ist eine Insel. Man sollte sie also mit UK vergleichen. Das führt natürlich zu welchem Urteil?
    Ignoriert deshalb Deutschland den möglichen Sitz der Taiwanesen in der Uno? Wahrscheinlich ist H&K einfach zu teuer für den Export dahin.

  20. @Juri Nello: Burks.de kenne ich. Mir ist das Blog zu links. Sie haben recht, wenn Sie die Parallele zwischen Hartz IV und unserer leider entsolidarisierten Gesellschaft herstellen. In der Pandemie unterscheidet sich das Vorgehen der Politik aber doch auffällig von dem, was die Hartz-Gesetze dem Individuum zumuten. Oder finden Sie nicht?

    Horn ist ehemaliger Journalist und steht der CDU nahe. Jedenfalls Frau Merkel, wie ich glaube. Was diese Haltung nun mit Volker Pispers zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Horn hat mit Satire oder Kabarett echt nichts am Hut. Er ist politischer Beobachter, der ernsthaft und oft sehr einleuchtend, politische Zusammenhänge analysiert.

    Ich finde auch sehr interessant, wie unterschiedlich die beiden Inseln (Taiwan vs. GB) durch die Pandemie strudeln. Dazu muss man wissen, dass die Zahl der täglich zwischen chinesischem Festland und Taiwan hin- und herbeförderten Passagiere so um die 50.000 beträgt. Trotzdem haben die Taiwanesen es im Griff und GB – nun ja. Wahrscheinlich haben die Briten das Virus noch weniger ernstgenommen als andere. Ganz sicher aber weniger ernst als die Taiwanesen. Das Verhalten der Menschen wird wohl ein ganz anderes sein. Ich schrieb ja davon.