Claudia am 22. Dezember 2020 —

Weihnachten 2020: Jahresendzeitmuffeln für alle

Als ich in den Nullerjahren Online-Schreibjurse veranstaltete, war ein Kurs regelmäßig voll und sehr beliebt. Er hieß „Wenn die Nacht am tiefsten ist – ein Schreibkurs für Jahresendzeitmuffel“ und mutete den Mitschreibenden zu, jeden Tag vom 23.12. bis 3.1. zu einem vorgegebenen „Schreibimpuls“ einen Text zu verfassen und sich mit Anderen darüber auszutauschen. Geschrieben wurde nicht öffentlich, sondern in einem geschützten Raum – und alle gingen nett miteinander um!

Anders als man hätte denken können, waren die Teilnehmenden keineswegs alle alleinstehend und an Weihnachten einsam. Ganz im Gegenteil waren sie durchaus in diesen Tagen mit den jeweils traditionellen Aktivitäten befasst, waren „in Familie“ und hatten teilweise auch den zugehorigen Stress. Der Schreibkurs wurde so zur Oase der Besinnlichkeit, eine Gelegenheit, sich stundenweise vom physisch-mitmenschlichen Weihnachtsgeschehen abzuseilen, die gerne genutzt wurde.

Dieses Jahr werden mehr Menschen als je zuvor Weihnachten alleine verbringen. In Berlin gibt es mehr Single-Haushalte als Paar- und Familienwohnungen. Viele der allein Lebenden würden normalerweise ihre Eltern in Irgendwo besuchen und verzichten dieses Jahr wegen Corona darauf. Einige finden das erleichternd, nicht nur die lange erwachsenen Söhne und Töchter, sondern auch die üblicherweise gastgebenden Eltern. Selbst „feiere“ ich schon Jahrzehnten kein Weihnachten, allenfalls kommt ein lieber Freund oder der Liebste zum Essen, was den jeweiligen Tag aber nicht zu „etwas Besonderem“ macht, denn das hab‘ ich auch sonst jede Woche. Dabei bin ich keine „Weihnachtsgegnerin“, es hat sich einfach so ergeben, nachdem ich aus der Herkunftsfamilie aus- und dann auch noch weit weg, nämlich nach Berlin umgezogen war.

Der humorige Begriff „Jahresendzeitmuffel“ beschreibt eine Distanz zum traditionellen Weihnachtsgeschehen, aus welchen Gründen auch immer sie zustande gekommen ist. Diese Distanz erleben dieses Jahr alle, denn selbst wer „die Regeln bricht“ wird bei weitem nicht so selbstverständlich Weihnachten im größeren Kreis der Familie feiern können wie sonst. „Jahresendzeitmuffeln für alle“ steht an – und damit die Aufgabe, das Beste daraus zu machen. Wie die Schreibkurse gezeigt haben, kann es richtig Freude machen, in Distanz zum Geschehen zu gehen, inne zu halten und sich auf das Wesentliche zu besinnen. Was das jeweils ist, das gilt es dabei heraus zu finden.

Ich wünsche Euch allen frohe Weihnachten, egal wie Ihr die Tage verbringt!

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Diskussion

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4 Kommentare zu „Weihnachten 2020: Jahresendzeitmuffeln für alle“.

  1. Bloggen ist für mich die effektivste Möglichkeit, mich abzulenken, die ich überhaupt jemals kennengelernt habe. Ich schreibe manchmal nur, um eine bestimmte Zeit zu überbrücken oder um mich von einem bevorstehenden Ereignis abzulenken. Der Zeitpunkt dafür kommt immer früh genug, z.B. der einer Beerdigung. Ich setze mich an den Rechner und schreibe irgendwas, was ich später nicht mal veröffentlicht habe. Auch deshalb, weil es zu persönlich oder – was auch sein konnte – zu belanglos war.

    Eben habe ich was Trauriges von einer lieben Freundin erfahren. Sie lebt seit wenigen Jahren von ihrem Mann getrennt, die beiden Kinder sind bei ihr. Die Kinder waren in den letzten Tagen bei ihrem Ex-Mann. In seiner Familie (Opa, Oma oder vielleicht auch er) wurde Corona festgestellt. Nun sind die Kinder in Quarantäne und können über Weihnachten nicht bei ihr sein. Das finde ich eine traurige Abwandlung all der vielen Probleme, die uns das Virus zumutet.

    Dir auch ein paar schöne und geruhsame Tage. LG

  2. für uns hier ist es nichts, wo ein weihnachtsbaum ne rolle spielen würde, jemand in diesen jahresendzeittaumel verfallen und nun brav das exekutiert, was jahreszeitmäßig angeblich angesagt wäre. aber halt ne gelegenheit, eine (5kg!) gans in den ofen zu schieben und einem gewissen fresstaumel verfallen ;)

    ich gönne aber anderen leuten, daß sie das anders sehen und freue mich, wenn es für sie eine gelegenheit gibt, einfach mal durchzuatmen und anderen mit einem geschenk eine freude zu machen. aber hey, ich bin altersmilde und hab‘ nicht so den drang, mich zwanghaft von den anderen abzugrenzen, nur um ne identät zu generieren. das ist eher was für jüngere aka. unsicherere.

    ich wünsch dir auf jeden fall mal ein paar gemütliche tage, hoffe, du hast dir ein paar leckereien für eine kleine kochorgie zugelegt und den einen oder anderen, mir dem du das dann teilen kannst.

    liebe grüße aus der hermetischen garage.

  3. Kleiner Tipp: „Schreibkurs für Ganzjahresblockierte“ wäre ein Böller.

  4. Gerne und grad immer um diese Zeit jetzt herum denke ich dran…
    Lieben Gruß von
    Sonja