Erregungswellen ohne Ende: die einen sind stinksauer, weil kein konsequenter, längerer Lockdown vereinbart wurde, die anderen finden es schon völlig daneben, dass am Gründonnerstag nicht eingekauft werden darf- Anstatt zu versuchen, hier eigene Worte zu finden, zitiere ich aus einem richtig guten SPIEGEL-Artikel mit dem Titel „Multiples Politikversagen„:
„Das Virus ist tückisch, gewiss. Um es zu besiegen oder wenigstens erfolgreich in Schach zu halten, bräuchte es einen hellwachen und entschlossenen Gegner. Mit der deutschen Politik aber steht dem Virus die Verkörperung der Halbherzigkeit mit Hang zur Grundbräsigkeit gegenüber. Einen dankbareren Gegner könnte sich das Virus kaum wünschen.
Paradoxerweise fußt das Scheitern in der Pandemie auch auf dem ewigen Erfolgsmodell der Bundesrepublik: dem ständigen Bemühen um Ausgleich und Kompromisse. Dem Versuch, alles irgendwie auszutarieren, es allen Interessen und ihren Vertretern recht zu machen. Wenigstens ein kleines bisschen. Im Kampf gegen Covid-19 aber erweist sich dieser Wesenskern der Rheinischen Republik als verheerend.“
Deshalb ist meine größte Sorge, dass der Wunsch aufkommen wird, einen „starken Mann“ mit all diesen Halbherzigkeiten aufräumen zu lassen. Wir können von Glück sagen, dass bisher kein geeigneter Charismatiker in Erscheinung getreten ist! Aber weiter:
„Wenn es eine Konstante der vergangenen Monate gab, dann war es der Verzicht auf klare Entscheidungen und einen konsequenten Kurs. Dieses Muster zieht sich bis zu den Entschlüssen des heutigen Tages durch. Auf nächtliche Ausgangssperren für Hotspots, vom Kanzleramt gefordert, konnte sich die Runde nicht mehrheitlich verständigen. Dafür soll es keine Ausnahmen für Familientreffen an Ostern geben. Statt der Wirtschaft klare Bedingungen zu diktieren, etwa eine Homeoffice-Pflicht oder die Pflicht zu regelmäßigen Selbsttest als Bedingung für die fortlaufende Produktion, bleibt es weiter bei niedlichen Appellen. Die Union ist sich hier ihrem Ruf als Freund (und gelegentlichem Komplizen) der Wirtschaft wieder mal treu geblieben. Die Schulen werden weder geschlossen, noch werden die Schüler konsequent getestet. Letzteres sollte eigentlich schon vor vier Wochen die Voraussetzung für Öffnungen sein. Aber die Tests waren nicht da und die Logistik für deren Verteilung steht bis heute nicht.
Die Folge dieses ganzen Schlamassels ist jener gesellschaftliche Dämmerzustand, der nun für unbestimmte Zeit anhalten wird. Die Akzeptanz der nun beschlossenen Maßnahmen wird durch das Heckmeck des gestrigen Tages gewiss nicht gestiegen sein. Alle haben von der Politik irgendwelche Zugeständnisse bekommen, aber keiner ist zufrieden. Schlechter hätte es nicht laufen können.“
Gruslige „Alternativlosigkeit“, wohin man schaut! Da die Akzeptanz für Beschränkungen in der letzten Zeit deutlich abgebröckelt ist, möchte ich nicht wissen, was passiert wäre, hätte die MPK einen „strikten“ Lockdown beschlossen. Dazu die letzte YouGov-Umfrage vom Montag:
- Ausweitung der Einschränkungen: 30 %
- Beibehaltung der jetzigen Regelungen: 23 %
- Mehr Lockerungen: 22 %
- Ende aller Einschränkungen: 15%
- Keine Angabe: 10%.
Es wundert also nicht, dass jetzt alle sauer sind. Wohin das noch führen wird – ja, darüber mach ich mir richtig Sorgen. Jedenfalls deutlich mehr als über die Gefahr einer Ansteckung.
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
8 Kommentare zu „Nach der MPK: Politischer Tiefpunkt, alle sind sauer“.