Claudia am 13. Februar 2023 —

Kommentar zur Berlinwahl 2023:
105 wichtige Stimmen

Als zunehmend klar wurde, dass SPD und GRÜNE in Berlin gleichauf liegen, habe ich auf ein paar Stimmen mehr für die SPD gehofft. Nicht weil ich die SPD grundsätzlich bevorzugen würde, sondern weil diese paar Stimmen (es sind jetzt tatsächlich nur 105!) für Frau Giffey die Möglichkeit eröffnen, mit RRG Bürgermeisterin zu bleiben. In einer Koalition mit der CDU wäre sie Juniorpartnerin – und das will sie gewiss nicht werden!

Grafik Wahlergebnis Berlin 2023

Ja, die CDU hat die Wahl „gewonnen“, aber nur indem sie stärkste Partei geworden ist. Das ändert allerdings nichts daran, dass von den möglichen Koalitionen Rot-Rot-Grün mit knapp 40% die höchsten Zustimmungswerte in der Nachfrage (nach der Wahl) hat und die drei Parteien dafür auch die erforderliche Mehrheit mitbringen. Dass 28,2 Prozent CDU gewählt haben, heißt also nicht, „dass Berlin den Senat abgewählt hat“, wie Wegner (CDU) es nun darstellt. Ich hoffe darauf, dass sich Rot-Rot-Grün zügig zusammen rauft und bin guter Dinge, dass das auch so kommt. Immerhin sind die Gräben zur CDU hier tief, auch die drei Landesverbände sind eher nicht dafür bekannt, mit der CDU zu sympathisieren.

Protestwahl?

Die Unzufriedenheit vieler Berliner/innen ist gleichwohl nachvollziehbar: Immer noch zu lange Wartezeiten in der Verwaltung, Zuständigkeitsgewirr, in manchen Gegenden ein Müllproblem – und zum Wahlerfolg der CDU haben die Silvesterkrawalle (die es nicht nur in Berlin gab!) ebenfalls beigetragen, insbesondere die darauf folgende Hetze durch Wegner und Merz. Dass viele Autofahrer das grün-linke Unterfangen nicht gut finden, den Autoverkehr in der Innenstadt deutlich zu mindern, ist auch verständlich. Ein Punkt, bei dem ich mit der bisherigen Politik („Verkehrswende“) allerdings einverstanden bin, denn ich habe aus Gründen schon lange kein Auto mehr. Auf dem Land hab‘ ich es gebraucht, in Berlin nicht.

Der jetzige Senat ist erst ein gutes Jahr im Amt und hat schon viel auf den Weg gebracht, um die Missstände zu verbessern. Es wird aber noch dauern, bis die Ergebnisse sichtbar werden, insbesondere die angestrebte Verwaltungsreform ist ein Mega-Werk.

Die Ergebnisse der kleinen Parteien

Interessant ist auch das Ergebnis der kleinen Parteien. Was für ein Glück, dass die FDP mit nur 4,6% (-2,5!) nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten sein wird. Hier ein paar Zahlen zu einigen (nicht allen) kleinen Parteien:

Die PARTEI 25.103 1,7 % 21.567 1,4 % (-0,4)
Tierschutzpartei 43.874 2,9 % 36.233 2,4 % (+0,2)
PIRATEN 1.184 0,1 % 5.147 0,3 % (-0,1)
Graue Panther 6.268 0,4 % (-0,1)
NPD 577 0,0 % 1.589 0,1 % (-0,0)
Gesundheitsforschung 3.768 0,2 % (-0,0)
dieBasis 11.488 0,8 % 8.345 0,6 % (-0,7)
Klimaliste Berlin 4.100 0,3 % (-0,2)
MIETERPARTEI 973 0,1 % 3.896 0,3 % (-0,0)
Die Humanisten 2.655 0,2 % (-0,0)
Team Todenhöfer 6.324 0,4 % (-0,6)
Volt 14.026 0,9 % (-0,2)

Nur die Tierschutzpartei hat hinzu gewonnen, eine Entwicklung, die vermutlich vom Trend „weg vom Fleisch“ und dem Tierleid-Motiv befördert wurde. Ansonsten hat die Vernuft gesieg, was ich insbesondere am Ergebnis der Klimaliste Berlin ablese, die gerade mal 4100 Stimmen bekam. Der Frust rund um „Lüthzerat“ hat die jungen Klima-Bewegten zum Glück mehrheitlich nicht abgeschreckt, GRÜNE oder LINKE zu wählen. Immerhin haben diese Stimmen die GRÜNEN den 2.Platz gekostet – was (siehe oben) ich unter den gegebenen Umständen gar nicht so schlecht finde.
Gesundheitsforschungsparti Plakat

Warum es eine Mieterpartei gibt, verstehe ich nicht, denn im Meinungsspektrum von RRG hat man doch eigentlich alles, was das Mieterherz begehrt. Die Partei Gesundheitsforschung fand ich aufgrund ihrer Plakate recht lustig: Das Altern einfach abwählen – da sage niemand, es gäbe keine Utopien mehr!

Relativ viele Stimmen hat VOLT bekommen, die sympathische Europa-Partei. Sie ist damit die viertstärkste kleine Partei, hinter FDP, DIE PARTEI und Tierschutzpartei. Ich bewundere den langen Atem der Leute, die einfach die Hoffnung nicht aufgeben, mit transnationalen Inhalten durchzudringen!

Sehr schön finde ich das Ergebnis der Querdenkerparte DIE BASIS: Die hat sich mehr als halbiert. Man kann sich vorstellen, dass die Fans dann halt AFD gewählt haben, doch auch diese hat 5,1% verloren und ist nicht zweistellig geworden – trotz der als „gemäßigt“ geltenden Spitzenkandidatin.

Zum Schluss noch die Ergebnisse der Wahl in meinem Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg

Wahlergebnisse Friedrichshain-Kreuzberg

Siehe auch: Alle Wahlergebnisse der Berlinwahl 2023

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
9 Kommentare zu „Kommentar zur Berlinwahl 2023:
105 wichtige Stimmen“.

  1. Nun, nicht nur die Immobilienskandale der letzten Zeit haben anschaulich gezeigt, dass eben die Konzerne und Heuschrecken und Spekulanten eher im Abgriffsmodus auch angeblich linker Parteien stehen, als die Mieter im Unterstützungsmodus. Von der unsæglichen Mietpreisbremse mal ganz zu schweigen, die die Mieter zu Finanzdienstleistern getrieben hat.

    Im Übrigen leistet sich der Senat die gleichen Wirtschaftsfachverbrater, wie der Bundestag: Deloitte, KPMG, Black Rock & so. Von daher sind gewisse Konzessionen wohl so unvermeidlich, wie ein Mieterbündnis als Partei.

    Es ist eher erschreckend zu sehen, dass die Meisten dieses Treiben als Nonplusalwaysultra goutieren. Giffey hat im Übrigen ziemlich regide die CDU-Linie gefahren. Inkl. billigem Populismus als Wahlpropaganda, den sie anderen gerne unterstellt. Sie müsste zumindest einen Blumenstrauß vom CDU-Opa erhalten.

    Dann gäbe es noch die Tarife anzukreiden. Oder ist der Osttarif inzwischen fùr ganz Berlin bindend (ich frage für 1 Freund)‽

    Sich dann aber hinzustellen und als Sieger zu feiern hat schon was weltfremdes, aber passt zu einer narzisstischen Gesellschaft.

    Mit etwas Glück kommt zunächst keine regierungsfähige Koalition zustande, so das die Bürger in Ruhe machen können, was den hohen Damen und Herren offensichtlich immer verwehrt bleibt.

  2. @Juri: danke für deinen Kommentar! Giffey finde ich auch suboptimal, höflich gesagt. Dass sie sich aber „als Sieger“ feiert, habe ich nicht bemerkt. Aber ich schau/lese jetzt auch nicht die massenhaften medialen Aufbereitungen der Wahl, mich interessiert dann nur das Ergebnis der Verhandlungen. Die Mietpreisbremse fand ich ok, einfach dass sich mal ein Senat was traut! Es war ja keineswegs klar, wie das ausgeht. Meine HV hat (wie viele andere auch) gleich geschrieben, dass sie nicht auf die Forderung verzichtet – also war „beiseite legen“ angesagt. Hier passt m.E. mal die Idee der Eigenverantwortung!
    Das mit den Tarifen ist mir als Selbständige ein fremdes Thema, musste ich erstmal googeln. Fand das hier (und das) als Erläuterung noch vorhandener Unterschiede, es scheint dafür vielfältige Gründe zu geben, die keineswegs alle in der Macht der Stadtregierenden liegen.

  3. […] ausführlichen Artikel zur Wiederholungswahl in Berlin findet Ihr im Digital Diary – Kommentare sind willkommen! Das Ergebnis für meinen Bezirk […]

  4. Vielen Dank. Ähnliche Artikel las ich bereits und könnte auch mit ein paar Berlinern sprechen. Aber natürlich könnte auch der Senat da entgegen wirken. Dafür gibt’s ja gerade den Förderalismus, damit man in unterschiedlichen Regionen auf unterschiedliche Gegebenheiten konkret reagieren kann. Wenn man das eine Generation lang nicht tut und dabei posaunt: „Der Herr hat es vom Himmel geschmissen“, spricht das allerdings auch eine Sprache.

    Je nachdem, ob Du in Marzahn, Köpenick, Neuköln, Karow, Lichtenberg, Zehlendorf oder sonst wo wohnst bekommst Du für die Arbeit eine Entlohnung von Minijob bis halbwegs gerechtfertigt, ohne noch die Gender Paygap zu berücksichtigen. Dafür darfst Du bei allen konstant hohe und immer höhere Mieten zahlen, vom Rest sei geschwiegen.

    Wenigstens haben sie in Berlin ein Sozialticket von knapp 30 € durchgesetzt. Das ist im Gegensatz zu 12o € für die normale Monatskarte schon was.

    Die Mietpreisbremse war ein Verkacker mit Ansage. Nicht umsonst gab es den Hinweis, das Gesparte dabei doch bitte zurück zu legen, damit im Zweifelsfall die Rechnung beglichen werden kann. Ergo: Man ändert eigentlich nix, schiebt nur die Zahlung auf und verursacht dafür auch nicht nur bürokratisch einen Heidenaufwand (der sich sicherlich auch monetär messen lässt).

    Man wusste vorab, dass das Projekt so nicht durchkommen wird und wälzt das Risiko auf den Bürger ab. Erstaunlich nur, dass das so Viele meistern konnten, aber unberücksichtigt bleibt die Zahl derer, denen dieses Agieren das Genick gebrochen hat, weil sie den neuen, wirtschaftlichen Spielraum für sich nutzten. Arm & obdachlos fließt ja auch nicht mehr in die wichtigen Statistiken ein.

    Wenn man dann schaut und sieht, dass das Vorruhestandsgehalt eines Abgesägten vom RBB bei 9000 € pro Monat liegt, birgt das schon Bürgerkriegspotenzial. Zum Glück fanden sich ja noch ein paar Bauernopfer, die der ÖRR dem Volk gerne präsentiert, um abzulenken.

  5. Na, wer hätte das gedacht?! Wer weiß etwas Besseres?

  6. Tja, ich hab das nicht gedacht – aber zum Glück ist die verbleibende Legislaturperiode ja eher kurz. Danach bekommen wir dann vielleicht Schwarz/Grün.

  7. Daran lässt sich wieder sehen wie wichtig unsere Stimme doch ist;)

    Otto

  8. Claudia am 13. Februar 2023 Kommentar zur Berlinwahl 2023:
    105 wichtige Stimmen
    Als zunehmend klar wurde, dass SPD und GRÜNE in Berlin gleichauf liegen, habe ich auf ein paar Stimmen mehr für die SPD gehofft. Nicht weil ich die SPD grundsätzlich bevorzugen würde, sondern weil diese paar Stimmen (es sind jetzt tatsächlich nur 105!) für Frau Giffey die Möglichkeit eröffnen, mit RRG Bürgermeisterin zu bleiben.
    Nila Freitag, 15:19 (Zitatlink)
    Na, wer hätte das gedacht?! hätte das gedacht?!
    Claudia Freitag, 16:39 (Zitatlink)
    Tja, ich hab das nicht gedacht – aber zum Glück ist die verbleibende Legislaturperiode ja eher kurz. Danach bekommen wir dann vielleicht Schwarz/Grün.
    Ich bleibe jedenfalls dabei, obwohl man niemanden diskriminieren soll: Eine „gläubige Katholikin und Schwäbin“ als Regierende ist in Berlin am falschen Platz. Z. B.: 1974 war es in Berlin leichter als heute, eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen. Das würde mit Frau Jarasch noch schwierig. Ihr harter Mund berührt mich unangenehm.

  9. Ich hätte sie gerne als Bürgermeisterin gehabt, dann würde es mit der Verkehrswende voran gehen, ebenso mit dem Ausbau der Radwege und vielem mehr. Im übrigen habe ich sie schon oft gehört und über ihre Ansichten gelesen: Was du hier wiederholt über sie sagst, kenne ich aus anderen Quellen nicht. Was jemand glaubt, ist mir egal, solange es nicht in der vertretenen Politik zum Ausdruck kommt – und schon gar nicht mag ich das Gesicht von Menschen zum Aufhänger meiner Entscheidungen machen. Bei Frauen wird am laufenden Band ihr Aussehen thematisiert – finde ich extrem nervig!
    Und: grade mal gegoogelt „Berlin Schwangerschaftsabbruch“ = massenweise Infos, Anlaufstellen, Beratungen, Ärzte, Kliniken….