Als zunehmend klar wurde, dass SPD und GRÜNE in Berlin gleichauf liegen, habe ich auf ein paar Stimmen mehr für die SPD gehofft. Nicht weil ich die SPD grundsätzlich bevorzugen würde, sondern weil diese paar Stimmen (es sind jetzt tatsächlich nur 105!) für Frau Giffey die Möglichkeit eröffnen, mit RRG Bürgermeisterin zu bleiben. In einer Koalition mit der CDU wäre sie Juniorpartnerin – und das will sie gewiss nicht werden!
Ja, die CDU hat die Wahl „gewonnen“, aber nur indem sie stärkste Partei geworden ist. Das ändert allerdings nichts daran, dass von den möglichen Koalitionen Rot-Rot-Grün mit knapp 40% die höchsten Zustimmungswerte in der Nachfrage (nach der Wahl) hat und die drei Parteien dafür auch die erforderliche Mehrheit mitbringen. Dass 28,2 Prozent CDU gewählt haben, heißt also nicht, „dass Berlin den Senat abgewählt hat“, wie Wegner (CDU) es nun darstellt. Ich hoffe darauf, dass sich Rot-Rot-Grün zügig zusammen rauft und bin guter Dinge, dass das auch so kommt. Immerhin sind die Gräben zur CDU hier tief, auch die drei Landesverbände sind eher nicht dafür bekannt, mit der CDU zu sympathisieren.
Protestwahl?
Die Unzufriedenheit vieler Berliner/innen ist gleichwohl nachvollziehbar: Immer noch zu lange Wartezeiten in der Verwaltung, Zuständigkeitsgewirr, in manchen Gegenden ein Müllproblem – und zum Wahlerfolg der CDU haben die Silvesterkrawalle (die es nicht nur in Berlin gab!) ebenfalls beigetragen, insbesondere die darauf folgende Hetze durch Wegner und Merz. Dass viele Autofahrer das grün-linke Unterfangen nicht gut finden, den Autoverkehr in der Innenstadt deutlich zu mindern, ist auch verständlich. Ein Punkt, bei dem ich mit der bisherigen Politik („Verkehrswende“) allerdings einverstanden bin, denn ich habe aus Gründen schon lange kein Auto mehr. Auf dem Land hab‘ ich es gebraucht, in Berlin nicht.
Der jetzige Senat ist erst ein gutes Jahr im Amt und hat schon viel auf den Weg gebracht, um die Missstände zu verbessern. Es wird aber noch dauern, bis die Ergebnisse sichtbar werden, insbesondere die angestrebte Verwaltungsreform ist ein Mega-Werk.
Die Ergebnisse der kleinen Parteien
Interessant ist auch das Ergebnis der kleinen Parteien. Was für ein Glück, dass die FDP mit nur 4,6% (-2,5!) nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten sein wird. Hier ein paar Zahlen zu einigen (nicht allen) kleinen Parteien:
Die PARTEI | 25.103 | 1,7 % | 21.567 | 1,4 % (-0,4) |
---|---|---|---|---|
Tierschutzpartei | 43.874 | 2,9 % | 36.233 | 2,4 % (+0,2) |
PIRATEN | 1.184 | 0,1 % | 5.147 | 0,3 % (-0,1) |
Graue Panther | – | – | 6.268 | 0,4 % (-0,1) |
NPD | 577 | 0,0 % | 1.589 | 0,1 % (-0,0) |
Gesundheitsforschung | – | – | 3.768 | 0,2 % (-0,0) |
dieBasis | 11.488 | 0,8 % | 8.345 | 0,6 % (-0,7) |
Klimaliste Berlin | – | – | 4.100 | 0,3 % (-0,2) |
MIETERPARTEI | 973 | 0,1 % | 3.896 | 0,3 % (-0,0) |
Die Humanisten | – | – | 2.655 | 0,2 % (-0,0) |
Team Todenhöfer | – | – | 6.324 | 0,4 % (-0,6) |
Volt | 14.026 | 0,9 % (-0,2) |
Nur die Tierschutzpartei hat hinzu gewonnen, eine Entwicklung, die vermutlich vom Trend „weg vom Fleisch“ und dem Tierleid-Motiv befördert wurde. Ansonsten hat die Vernuft gesieg, was ich insbesondere am Ergebnis der Klimaliste Berlin ablese, die gerade mal 4100 Stimmen bekam. Der Frust rund um „Lüthzerat“ hat die jungen Klima-Bewegten zum Glück mehrheitlich nicht abgeschreckt, GRÜNE oder LINKE zu wählen. Immerhin haben diese Stimmen die GRÜNEN den 2.Platz gekostet – was (siehe oben) ich unter den gegebenen Umständen gar nicht so schlecht finde.
Warum es eine Mieterpartei gibt, verstehe ich nicht, denn im Meinungsspektrum von RRG hat man doch eigentlich alles, was das Mieterherz begehrt. Die Partei Gesundheitsforschung fand ich aufgrund ihrer Plakate recht lustig: Das Altern einfach abwählen – da sage niemand, es gäbe keine Utopien mehr!
Relativ viele Stimmen hat VOLT bekommen, die sympathische Europa-Partei. Sie ist damit die viertstärkste kleine Partei, hinter FDP, DIE PARTEI und Tierschutzpartei. Ich bewundere den langen Atem der Leute, die einfach die Hoffnung nicht aufgeben, mit transnationalen Inhalten durchzudringen!
Sehr schön finde ich das Ergebnis der Querdenkerparte DIE BASIS: Die hat sich mehr als halbiert. Man kann sich vorstellen, dass die Fans dann halt AFD gewählt haben, doch auch diese hat 5,1% verloren und ist nicht zweistellig geworden – trotz der als „gemäßigt“ geltenden Spitzenkandidatin.
Zum Schluss noch die Ergebnisse der Wahl in meinem Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg
Siehe auch: Alle Wahlergebnisse der Berlinwahl 2023
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9 Kommentare zu „Kommentar zur Berlinwahl 2023:
105 wichtige Stimmen“.