Das Thema ist zu groß für mich! Und doch spüre ich fast täglich das Bedürfnis, darüber zu schreiben. Es ist gefühlt allgegenwärtig, bei (fast) allem, was ich tue. Faktisch meldet es sich verlässlich, wenn ich überlege, was ich essen will, was ich einkaufe oder bestelle. Aber auch, wenn ich durch die Straßen laufe und das Baugeschehen sehe, überall dort, wo es vor Jahren noch grün war, von der Natur gestaltet, die jeden Freiraum besiedelt, der ihr noch bleibt.
Es ist Sommer, die ersten Juni-Hitzewellen und Schwergewitterlagen sind durch. Klar, dass man auch in der Presse, auf Youtube und Twitter dem Thema nicht entkommt. Ich erspare mir und euch den Versuch, die „Debatten“ und ihre Tiefpunkte zusammenzufassen, denn mir geht’s grade nicht ums Schimpfen auf irgendwen und irgendwas. Ich sehne mich nach tiefer gehenden Betrachtungen, nach solchen, die die Seele berühren, nach Inhalten, die den Filter der Abstumpfung noch durchdringen, den wir uns – nolens volens – zugelegt haben.
Auch inhaltlich befriedigen mich die gängigen „Diskurse“ nicht. Als wäre „Klimawandel/Klimakrise“ unser einziges Problem! Ist es mitnichten, es ist nur eine von neun Entwicklungen, die diese Erde unbewohnbar machen werden, wenn wir so weiter machen. Für uns übrigens auch, wobei eine der Ursachen unseres Untergangs das 6. Artensterben sein wird, das wir selbst zu verantworten haben. Mensch als Naturgewalt – das ist neu! Vor uns war immer die Natur selbst der „Täter“ und einmal ein fetter Asteroid!
Seit 375 Millionen Jahren haben Mikroorganismen und Pflanzen die „moderne Atmosphäre“ auf einem für Säugetiere wie uns nützlichen Sauerstoff-Niveau gehalten: Nie so hoch, dass alles in Flammen aufgeht, nie so tief, dass die Tiere erstickt wären. Und das ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr wir die anderen Lebewesen auf diesem Planeten brauchen.
Artensterben… wer denkt da nicht wehmütig an allerlei Tiere – mittlerweile sogar Insekten! – die wir dank vieler Naturfilme zu schätzen gelernt haben! Und so ein Leben in einer asphaltierten Technosphäre mit museal bewirtschafteten Naturspots erscheint kaum jemandem erstrebenswert. Aber hey, wir wissen, dass man sich an schier alles gewöhnen kann. Shopping Mals werden doch auch ganz gut besucht!
Was nicht begriffen wird, ist unsere Abhängigkeit vom „Rest der Welt“, den wir als „Umwelt“ kolonialisiert und weiträumig zerstört haben. Von diesem doch recht relevantem Fakt abgesehen, müssen wir auch noch erkennen, dass wir es als Menschheit nicht hinbekommen, die Entwicklungen zu stoppen. Der CO²-Ausstoß steigt weiter, es wird versiegelt, gebaut und asphaltiert, das Plastik im Meer wird nicht weniger und jeden Tag sterben 150 Arten.
Was macht das mit uns? Diese Frage wird häufig psychologisch verstanden und „bearbeitet“, doch beantworten eher philosophische Überlegungen mein Sinn-Bedürfnis. Deshalb empfehle ich Euch dieses wunderbare Video:
- «Die Zukunft hat eine Grenze erhalten» | Sternstunde Philosophie | SRF Kultur
Der indische Historiker Dipesh Chakrabarty diskutiert die Rolle des Menschen als planetare Kraft im Anthropozän, die das sechste große Massensterben der Arten ausgelöst hat.
Es wird im Gespräch sehr gut heraus gearbeitet, dass wir evolutionär für ein solches Megaproblem nicht ausgestattet sind. Und wie damit umgehen? (Mich hat das Video zu diesem Blogpost inspiriert!)
Wenn der philosophische Weitblick nicht hilft, bleib immer noch die Literatur. Zwar lese ich seit Jahren nichts Literarisches (außer den Hörbüchern „Achtsam morden“), aber das Buch „Stories“ von Joy Williams (79) könnte das ändern:
- Wir brauchen uns gar nicht mehr zu küssen»
Mit Joy Williams’ „Stories“ kommt die Literatur in der Klimakrise an.
„Williams geht es in ihren Geschichten nämlich um die Frage, was es mit den Menschen in der Gegenwart macht, wenn die (ökologische) Zukunft zu verschwinden scheint. Um es in den Worten von Lucy, einer ihrer Protagonistinnen, zu sagen: „Ich hatte da drin das ganz, ganz leise Gefühl, zu verstehen, worum es geht, nämlich dass irgendetwas diese Welt ihrer Verheißung beraubt hat.“
Das sind also Geschichten, deren Figuren bereits in der vierten der fünf Phasen des Sterbens nach Kübler-Ross verankert sind: Nicht mehr leugnen, nicht „verhandeln“, auch der Zorn (auf die Herrschenden, den Kapitalismus, die Reichen, Menschen allgemein) ist vorbei. Stadium 4 ist die „Depression“, wobei ich natürlich nicht weiß, ob diese Beschreibung für alle Stories gilt.
Ein neues Menschenbild wird gebraucht, heißt es. Warum fühle ich zum Beispiel keine Angst, was mich persönlich angeht? Ganz klar: Ich bin alt und habe keine Kinder, um die ich mich sorgen müsste. Würde uns heute ein Asteroid treffen, könnte ich – ihn kommen sehend – immerhin sagen: Es war ein tolles Leben!
Was aber, wenn ich damit rechnen müsste, womöglich demnächst wieder mit dabei zu sein? Schon mal drüber nachgedacht? Klar, das passt gar nicht in unser westliches Weltbild, aber was, wenn das nicht stimmt? Ich würde mich freuen, wenn zumindest ein paar Stammleser mal dieses Video sichten würden:
- Unsterblich?! – Gute Gründe für ein Leben nach dem Tod | Blick ins Archiv
Eine archivierte Doku zu den bekanntesten Phänomenen, die Hinweise auf eine mögliche Fortexistenz sein könnten. Sie stellt recht sachlich all die Dinge vor, die so gar nicht zu unserem Weltbild passen wollen.
Insbesondere die Falldarstellung der Jenny Cockell (ab hier) hat mich doch schwer beeindruckt. Mal angenommen, da ist was dran? Würde das Welt- und Menschenbild, das sich aus diesen Phänomenen zu ergeben scheint, dazu führen, dass radikaler Klimaschutz betrieben würde? Aus Sorge, den ganzen Niedergang selbst miterleben zu müssen?
Ich weiß es nicht.
Was ich weiß: Ich kaufe weiter ein, bestelle Dinge, die ich nicht zwingend brauche und esse sogar noch ab und zu Fleisch.
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39 Kommentare zu „Im Spiegel der Megakrise: Was wird aus uns?“.