Claudia am 01. Oktober 2023 —

Hallo Maschinist: Ich drück dir die Daumen!

Der Maschinist - BlogbannerDer letzte Blogpost vom Maschinisten „Feldberg / 2023“ markiert eine unerwartete Wende seiner sehr speziellen Art des In-der-Welt-Seins.  Zunächst verblüfft das ungewohnt besinnliche Zitat von Erich Fromm, dass dem Artikel vorangestellt ist, aber dann ist erstmal (fast) alles wie immer: Unterwegs in Mecklenburg lästert der Maschinist über alles und alle, tritt Land und Leute wie gewohnt in die Tonne – jedoch mit dem Unterschied, dass es sich bei dieser Reise um eine Auszeit vom Alltag handelt, verschrieben von einer Therapeutin.

„Gar nichts werden wir machen. Warum auch. Gefeiert sei der Krankenstand. Die Auszeit. Nach Jahren endlich wieder. Der große Gelbe. Far out. Fuck out. Es gibt mich nicht. Bin so raus, mehr raus kann man nicht mehr sein.“

Wieso das? Die Erklärung folgt in Form einer Rückschau auf Ereignisse im „Borgwürfel“ – so nennt der Maschinist das Unternehmen, für das er arbeitet. Aus gefühlten 1001 Blogpost wissen die von seinem Zynismus noch nicht völlig abgeschreckten Mitlesenden, dass er dort quasi im Dauerzustand innerer Kündigung agiert, aber dennoch den kompetenten, erfolgreichen Mitarbeiter gibt: Dauerhaftes Verharren im „falschen Leben“ mit einem Blog voller Abgesänge auf die Welt, das Universum und den ganzen Rest, so als kleines Ventil, als winziger Ausgleich, der nun aber nicht mehr reicht.

Was ist geschehen? Ein Projekt, an dem der Maschinist seit Jahren arbeitet, wurde durch dämliches Verhalten eines Mitarbeiters quasi „zerstört“, was er mit ihn selbst erstaunenden Teilnahmslosigkeit geschehen lies:

„….zurückbleibend ein Scherbenberg, doch es war mir seltsam egal. Ich griff nicht mal ein. Ließ durchrauschen. Ließ ihn alles abfackeln. Und auf die Asche draufpissen. Sah teilnahmslos zu, wie es den Wagen meines derzeitigen beruflichen Fundaments in Zeitlupe aus der Kurve trug. Es ist mein Hauptprojekt, an dem ich seit Jahren verantwortlich arbeite. Das ich, der Verkäufer, gut verkauft habe und immer ständig neu verkaufen muss, um von mittelstreichenden bornierten Budgetfürsten die Folgefinanzierung für die nächste Projektphase zu aquirieren. Überstunden. Wochenenden. Kreativkraft. Hohe Motivation. Boni. Prämien. Lobgesangmails. Gepushte Reputation. Alles egal. Wie als beträfe mich das nicht. Ich versuchte nicht einmal, das Ding im Nachgang noch zu retten, sondern nahm emotionslos zur Kenntnis, dass der nervenwunde Ausflipper soeben mein Projekt versenkt hat.“

Wenig später bahnt sich der Zusammenbruch an – durchaus auch physisch:

„Atemnot. Hals zugeschnürt. Das Gefühl zu platzen (remember, die Zelle fährt). Das alles nicht mehr zusammenhalten zu können. Musterklarer Kontrollverlust. Kriege nicht mal mehr die eigene Mimik in den Griff. Jeder Reiz wie Schmerz. Körperlich fassbares Wissen, jetzt doch Hilfe zu brauchen. Dringend Hilfe zu brauchen..“

So berichten es viele, die in ihrem Tun richtig ranklotzen, immer weiter machen, Raubbau an ihrer Gesundheit betreiben und in alledem lange schon keinen befriedigenden Sinn mehr sehen. Der „Breakdown“ des Maschinisten erscheint mir insofern als Bilderbuch-Verlauf eines klassischen BurnOuts – eigentlich ein Wunder, dass es so lange gedauert hat (ist halt ein zäher Hund.. ;-)-.

„Mein Leben geht in die zweite Halbzeit. Müde. Verrauscht. Vergangen. Verschwendet. Kaputtgespielt. Ausgebrannt. Leergerockt. Die Notwendigkeit des Zwangs, immer mehr bringen müssen, weil immer weniger Leute da sind, die außer Selbstdarstellung überhaupt noch was machen. Schmelzende Mittel. Zusammengestrichene Budgets. Dauernde Rotation ohne Rekonvaleszenz. Energielevel gen Null. Kraft verflogen. Esprit aufgelöst. Selbst sowas wie ruhiges, tiefes Atmen kostet Konzentration. Wenig tragfähig als Konzept. Geht so nicht. Weiß jeder. Ich jetzt auch.“

Zum Glück! Endlich ein Licht ganz hinten im schwarzen Tunnel! Lest selbst weiter, wie die ersten Schritte heraus aus dem Elend sich anfühlten und was eine gute Therapeutin „auf Augenhöhe“ bewirken kann. Typisch Maschinist, sieht er allerdings schon einen anderen Schrecken auf die Welt (konkret auf uns Mitlesende!) zukommen, sollte seine Reise zu sich selbst gelingen und er tatsächlich gesunden:

„…und danach in diesem idiotischen Honkenblog hier endlich keine Psychoausfälle und Drogenunfälle und Ausraster und Hirnnudeln mehr stehen, sondern bräsige Landschaftsbeschreibungen, oh kuck mal ein Baum, ein Windrad, Reh, Hirsch, Meerschweinchen. Och wie süß. Lass mal Ahornblätter sammeln.“

Ganz ehrlich: Das ist es wert! Wir werden auch das verkraften! ;-)

Hallo Maschinist: Wünsche dir alles Gute auf neuen Wegen, die mal nicht nur ABWÄRTS führen – drücke dir alle Daumen!

 

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
5 Kommentare zu „Hallo Maschinist: Ich drück dir die Daumen!“.

  1. Ich schließe mich bei den Wünschen gerne an!
    Wenn ich sein Blog lese, passiert immer zweierlei bei mir: Lachen und Augen aufreißen. Und bewundern. Wobei er im Gegensatz zu mir immer viel macht, unternimmt, rausgeht, während ich, sicherlich nicht minder beschädigt, aber auf etwas andere Weise, zuhause hocke und nur zum Einkaufen rauskomme.
    Schön, daß ihm der Sechser im Psycholotto geglückt zu sein schein: eine augenscheinlich passende Therapeutin zu finden, und das so schnell!

  2. Den Gedanken habe ich schon länger, dass hier jemand nicht mehr er selbst ist und sich nicht traut, über seinen Schatten zu springen frei nach Adorno, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt.

    Selber bin ich ja nun kein Seelenklempner, aber dieses „Living On The Edge“ seinerseits empfinde ich beim Lesen seiner Beiträge schon viel länger. Andererseits „kämpft“ er m.E. an zu vielen Fronten und übt sich dann doch in Zynismus als Fassade oder präsentiert wieder den Mittelfinger. Die Gefahr ist halt weiter, dass man wieder in die alten Schemen fällt, sobald einen der Alltag wieder hat. Firmen quasseln ja heute viel von Resilienz und dergleichen und zielen dabei doch gerne darauf ab, ihre Beschäftigten nur gerade so vor dem Burnout zu bewahren und dann um so mehr draufzupacken. Wer da den Sprachfehler hat, landet schneller wieder dort, wo er vorher war, als man schauen kann.

    Sollte da mehr dran sein als ein rotziger Blog-Beitrag, dann wäre echt überlegenswert, eventuell den Beruf zu wechseln oder wenigstens im eigenen Interesse einen Gang runterzuschalten. Das trifft auch auf exzessives Leben zu und die Pandemiezeit scheint da auch tiefe Spuren hinterlassen zu haben. Ab einem gewissen Alter kompensiert der Körper Raubbau einfach nicht mehr und dann bekommt man die Quittung.

    Hoffen wir also das Beste!

  3. Ich kann jedes Wort nachvollziehen, bzw. abstrahieren, wie immer, wenn er solche Schreiben raus haut. Ich würde ja schreiben: Schöne Grüße vom Facebookkevin, aber das kriegt ihn jetzt auch nicht munter.
    Es geht immer noch eine Nummer trister. Er könnte sich an zwei, drei Songs aus seinen Posts erinnern. Das könnte vielleicht helfen.

  4. Hallo Claudia, Hallo Welt:)
    mir deucht, es gibt Geschichten die völlig losgelöst
    den Globus umkreisen, geduldig auf die passende Gelegenheit warten und dann plötzlich und unerwartet
    „zuschlagen“.
    also Geschichten, Heldenepen, Songs, Ohrwürmer, all das was humanoide „Kultur“ antreibt und ausmacht,
    die nur darauf warten erzählt zu werden.
    hab dazu ein kleines, völlig unschuldiges Gedichterl geschrieben und wage es dieses Schrifterl hier zum Besten zu geben:)

    „Im Hexenkessel der Kulturen baden wir zurzeit wohl endgültig in totaler Dekadenz und sehen nun also dem kulturellen Niedergang entgegen. Doch wie kamen wir in diesen Zustand und warum wirkt die ganze Welt eigentlich zurzeit wie entwurzelt und wie ein prall gefüllter Luftballon zum Bersten gespannt und doch auch wie gelähmt?“

    ein paar Gedanken übers Werden und Vergehen von „Kultur“
    Gedicht: „ich wandere“

    ich wandere, ich wandere
    von einem Bild ins andere
    les‘ der Worte ach so viel
    ist’s ernst oder doch nur Spiel?

    bin reif geworden mit der Zeit
    tief drin der kleine Junge schreit
    und? was hat’s gebracht?
    Gemurmel nur aus tausendeinerNacht !

    zum Schweigen hab ich dich gebracht,
    mit Murmelnspielen Nacht für Nacht;
    zum Schweigen, stilles Sein und bleiben
    der tumbe Tor- befangen wie zuvor

    Bilder wandeln sich wie Staubgestöber
    Widerschein aus Sonnenstrahl und Rauch
    Sinngehalt und Täuschmanöver
    potentialspezifisch eher Stein denn Strauch.

    so gehts denn hin,
    Wissen der vergangnen Tage
    seh kaum noch Sinn
    in all der Müh und all der Plage

    wirklich reif nach all der Zeit
    nach all den Rosinanteritten
    und unterm Striche dräut
    Vergessen und Vergänglichkeit.

    Siehst, Narr, die Freude nicht,
    die aus allem, was geschrieben, spricht?
    das muntre Treiben hinter alledem?
    verweil doch noch und bleibe
    erst Erfahrung machts bequem.

    gruss aus der Diaspora
    ingo

  5. Danke für Eure Kommentare! Danke auch für das besinnliche Gedicht – möge der Maschinist die „Freude, die aus allem, was geschrieben, spricht“ wiederfinden.
    Ausnahmsweise schließe ich die Kommentare zu diesem Blogpost, einfach weil es ein recht sensibles Thema ist, über das Befinden eines bekannten Bloggers zu parlieren. Wir wünschen ihm das Beste – und damit soll es gut sein!