Vom Aufenthalt in einer Parallelwelt und warum es mir nicht um die Schönheit geht. :-)
Seit sieben Wochen verbringe ich nun schon drei Vormittage pro Woche im Fitness-Center. Drei Runden E-Gym-Kraftmaschinen, eine halbe Stunde auf dem Crosstrainer, auch mal zur Abwechslung am Rudergerät. Die Ergebnisse in Sachen Kraftzuwachs sind verblüffend, nie hätte ich gedacht, dass das so schnell spürbar wird! Ich merke es nicht nur an den Maschinen, deren Programm mir die Fortschritte zeigt, sondern auch bei der Gartenarbeit: Kein Leiden und kein Schwächeln mehr beim Ausgraben fest verwurzelter Büsche, beim Herumtragen großer Äste oder anderer gewichtiger Dinge.
Eine freundliche Parallelwelt
Es ist meine fünfte Fitness-Center-Erfahrung, alle vorherigen waren unvergleichlich langweiliger und ich wurde schnell zur Karteileiche. Meine Bewunderung gilt den kreativen IT-Leuten, die Krafttraining zu einer Art Video-Spiel weiter entwickelt haben – einfach toll! Neben dem innovativen Training tut mir aber auch das ganze Rundherum gut: Sobald ich mit dem Center-Armband die Eingangsschranke auf Grün geschaltet habe, betrete ich eine andere Welt: Hell, freundlich, am Vormittag von der Generation 60-70-plus dominiert, nette Rentner/innen, die auch mal „Guten Morgen“ sagen und sogar Tipps geben, wenn ich auf der „Bauchpresse“ die Füße falsch aufsetze.
Alte Menschen haben mir gefehlt! Zwar gehe ich selbst auf die 70 zu, hatte aber keinen Kontakt zu Älteren. Im Center sehe ich nun sogar 80-Jährige und – geht man nach dem Erscheinungsbild – noch Ältere, die hier ihre altersgerechten Gewichte stemmen oder zu den vormittäglichen REHA-Sportkursen kommen. Auch ein paar Jüngere sind dabei, vermutlich Studierende oder Freiberufler, teils mit recht interessant tätowierten Körpern.
Draußen auf den Straßen sind die Körper der Älteren ja meist gut verhüllt. Im Fitness-Center ist das nicht der Fall, man trägt ein sportliches Minimum und in der Umkleide sowie in der Saunalandschaft ist mensch nackt. Ich sehe also Körper in den verschiedensten Stadien: hager-sportlich, schwer übergewichtig, auf verschiedene Art gebrechlich (die REHA-Kundschaft), mittelmollig, übertrieben mager – ja, das Altern ist nichts für Feiglinge, heißt es zu Recht. Auch wenn ich mich selbst im Spiegel der Umkleide betrachte, sehe ich mein Übergewicht deutlicher als zuhause! Immerhin habe ich seit dem Start schon 1,5 Kilo abgenommen, was eigentlich doppelt zählt, denn es sind ja ganz offensichtlich Muskeln gewachsen, die schwerer sind als Fett.
Motivation: Nicht für die Schönheit….
Klar, es wäre nett, wenn meine Silhouette nicht mehr diese Bauchwölbung zeigen würde, aber das ist nicht der Grund, warum ich auf einmal vom lebenslänglichen Sportmuffel zum Fitness-Fan werde. Ich will möglichst gesund bleiben und vor allem in späteren Jahren – sofern ich sie erlebe! – nicht so gebrechlich werden wie etliche der REHA-Sportler/innen im Center. Sie verstärken meine Motivation, indem ich sehe, was droht, wenn ich nichts mache, bzw. mein Sitzleben unverändert fortführe. Diese acht Kraftmaschinen, die da in einer Runde stehen, geben ja einen genauen Rythmus vor: Eine Minute Training, dann eine gute Minute „Pause“, in der man auf die nächste Maschine wechselt. Diesen zügigen Wechsel schaffen manche nur mit Mühe und auch am Gang, an der Haltung sieht man, wie „gebeugt vom Leben“ mensch werden kann.
Dahin möchte ich gar nicht erst kommen, es gibt immerhin auch positive Vorbilder. Zu Studi-Zeiten hab‘ ich mal (einmal nur!) einen Gymnastikkurs der Uni aufgesucht, den eine 83-jährige Gymnastiklehrerin leitete. Wow, war die fit! Mehr jedenfalls als die Mehrzahl der Teilnehmerinnen, die (wie ich!) bereits Probleme hatten, bei den Übungen mitzuhalten. Für mich ist es eine existenzielle Aufgabe, meine Selbständigkeit zu erhalten, denn als „weiter arbeitende Rentnerin“ ohne Vermögen kann ich nicht darauf vertrauen, mir all die Dienstleistungen leisten zu können, die ein Leben im gebrechlichen Körper halbwegs erträglich machen. Schon jetzt herrscht ja extremer Fachkräftemangel in der ambulanten Pflege und teurer wird das alles auch ständig.
Also muss Fitness mein neues Hobby werden, was mir dank des erstaunlich angenehmen Fitness-Centers momentan auch gut gelingt. Daneben tauche ich ein in die vielfältige Info-Welt rund um Training, Ernährung, Bewegung – Himmel, was es da alles gibt! Mittlerweile bin ich vermutlich informierter als mein Hausarzt, bei dem ich diese Woche einen Termin habe. Ein Jahr, nachdem er mir Statine wegen zu hoher Cholesterinwerte verschrieben hat, die ich wegen fürchterlicher Nebenwirkungen gleich wieder absetzte. Bin gespannt, was das „Labor“ nun zeigt, denn ich hab‘ mich durchaus bemüht, die „Werte“ auf natürliche Weise zu senken.
Über Krankheit schreiben ist ein Diary-Eintrag aus dem Jahr 2006 getitelt. „Mutwillige Ignoranz“ war damals meine Haltung gegenüber allen Anzeichen von Krankheit und Verfall. Der Zustand meiner Mutter hatte mich ins Grübeln gebracht, ob das so weiter gehen kann, jedoch wusste ich genau, was ich NICHT wollte. Ausnahmsweise, weil es so gut passt, ein Eigenzitat:
„Alte Menschen, die nur noch über die Details ihrer Krankengeschichte sprechen, waren mir immer schon ein Graus: die letzten Untersuchungen, die aktuellen „Werte“, die umfangreiche Medikamentierung, mit denen sie „eingestellt“ werden – muss mich das auch erwischen? Soll ich dem noch Vorschub leisten, indem ich mich über Tietze-Syndrom, Mausarm, Nervenschäden, Knieschmerzen, schwindende Sehkraft und Raucherbeschwerden verbreite? Kommt nicht in die Tüte, dachte ich bis jetzt, wer wird denn dem Teufel noch Zucker geben?“
17 Jahre später bin ich genau da: Hausarzt, Werte, Statine… :-) Aber keine Sorge: „nur noch“ droht hier nicht! Zudem schreibe ich nur ganz am Rande mal über Krankheit, das Thema ist Gesundheit, Fitness, Lebensfreude – und wie man sich diese erhält, auch wenn das Weltgeschehen wirklich deprimierend ist!
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4 Kommentare zu „Flucht in die Körperwelten: Im Fitness-Center“.