In den letzten Jahren sei ich „ernsthafter denn je“ geworden, schreibt der Maschinist in seiner „Hirnsudelei 12/23„. Dass ich „aus Berlin weggegangen“ bin, ist allerdings Schnee von vorvorgestern: Nur 1999 bis 2001 war ich draußen in Mecklenburg, dann zog es mich aufgrund schierer Ödnis wieder zurück.
Auch in Berlin ist es möglich, ein recht ruhiges Leben zu führen. Mein Rudolfkiez ist zwar ein wenig belebter geworden, aber noch immer deutlich ruhiger als das benachbarte Touristennest mit der berühmten Simon-Dach-Straße. S-Bahn- und Zug-Geleise trennen effektiv, das Partyvolk hat keinen Grund, die Modersohnbrücke zu überqueren und hier herumzulärmen.
Also was ist bzw. war mit 2023? Was die Weltlage angeht maximal beschissen, aber das lasse ich hier glatt mal aus! Für mich gehört es zur Lebenskunst, das alles auch links liegen lassen zu können, wenn ich keinen Bock drauf habe, mich aufzuregen.
In keinem Jahr war mir so klar wie 2023, dass es meine Suche nach Erregungszuständen ist, die mich z.B. immer noch auf „X“, ehemals Twitter hält: Schauen, welche Säue grade wieder durchs Dorf getrieben werden und mich drüber aufregen – unsinnig, aber ich machs halt doch immer wieder! Die Zeit, die ich dort verbringe, ist allerdings weniger geworden.
Was 2023 richtig gut geklappt hat
In diesem Jahr habe ich ganze acht Kilo Körpergewicht abgeworfen. Und zwar ohne besondere „Diät“, einfach nur so durch halbwegs gesunde Ernährung, mehr selber kochen, weniger Pizza, Pasta, süße Stückchen. Einen richtigen Schub hat das Abnehmen seit Mitte September bekommen, denn seitdem besuche ich dreimal wöchentlich ein großartiges Fitness-Center. Dessen „E-Gym“-Maschinen schaffen es, mich durch viel Gamification, Feedback und Abwechslung in den Trainingsmethoden bei der Stange zu halten. In mehreren vorherigen Centern (wir habe hier viele!) wurde ich schnell zur Karteileiche. Die Sauna im Center trägt ebenfalls dazu bei, meine Lust am Sporteln aufrecht zu halten und offenbar trimmt sie mein Immunsystem genug, um auch im Corona-Jahr 3 keine Einbrüche zu erleben.
Wie jedes Jahr hat auch der Garten Freude gemacht: Mehr Regen, weniger Dürre, mehr Ernte – noch jetzt ernte ich Topinambur, die Gemüsepflanze, um die man sich fast nicht kümmern muss, hat deutlich mehr produziert als in anderen Jahren. Die Bohnen waren allerdings ein Flop, dafür gab es viele gute Tomaten besonderer Sorten. Das Wildschwein, das uns dieses Jahr zweimal besucht hat, ist zum Glück nicht wieder gekommen! Im Urlaub war ich nicht, der Garten ist quasi mein Urlaub in leicht erreichbarer Nähe.
Eine Kleinigkeit, die mich richtig glücklich gemacht hat: Mein Portemonaie mit allen Ausweisen und Bankkarten hatte ich verloren. Schon am nächsten Tag hat es mir ein ehrlicher Finder gebracht, sogar die 80,- Euro waren noch drin!
Fehlt mir was?
Eigentlich nicht. Dank Auftraggebern, die mich seit vielen Jahren beschäftigen, verdiene ich genug zur Minirente dazu, um den einzelnen Euro nicht zweimal umdrehen zu müssen. Stress ist mit meiner Artikel-Schreiberei für zwei Shops und ihre Magazine nicht verbunden, die Leute schätzen meine verlässliche Mitarbeit, es gibt nichts zu meckern. Allerdings kommt mir mein Leben ein wenig zu egozentrisch vor: Mit der Brotarbeit diene ich dem Konsum von Dingen, die man nicht zwingend zum Leben braucht. Aber hey, gäbe es all diese Dinge nicht, bräche unsere Wirtschaft zusammen, zumindest tröste ich mich damit über meine mangelnde „gesellschaftliche Relevanz“. :-)
Es gibt so viele Probleme, so viele Menschen, denen es nicht gut geht – und ich helfe nirgends, außer dass ich halt Steuern bezahle und Lieferanten Trinkgeld gebe. Statt dessen investiere ich recht viel Zeit ins Anstrampeln gegen den Verfall und „privatisiere“ im Garten („Und ich geh Blumen gießen, Blumen gießen“, wie Georg Kreisler einst sang). Immer mal wieder sichte ich die Ehrenamtsbörsen im Netz, kann mir aber nicht wirklich vorstellen, die nötige Verbindlichkeit in einer dieser Tätigkeiten aufzubringen. Und richtig nützlich wäre ich ja nicht beim Besuchen alter einsamer Menschen oder als Familien-Oma on demand, sondern im Rahmen meiner Kompetenzen – und das würde wiederum bedeuten, noch mehr vor Bildschirmen zu sitzen!
Dass mir hier etwas fehlt, liegt daran, dass mein ganzes Leben aus der Mitarbeit in vielen engagierten Projekten bestand – zuletzt einige Jahre in einer Krisen- und Beratungseinrichtung für Geflüchtete (hier ein Beispiel). Aufgehört wegen Neo-Linken, die- als weiße Studierende der Sozialarbeit – mit ihren Symbolpolitiken und der aus den USA unkritisch übernommenen „Critical Whiteness-Agenda“ einfach zu nervig wurden. Seitdem kein neues Engagement, sondern „nur“ das eigene friedliche Leben.
Wünsche fürs neue Jahr
Natürlich wünsche ich mir den Weltfrieden, wer wünscht das nicht? Da das aber ein ziemlich illusorischer Wunsch ist, könnte ich zumindest versuchen, mehr „inneren Frieden“ zu finden. Ich schaue recht viele Videos auf Youtube, vermutlich mehr als in jedem anderen Jahr zuvor. Dabei bemerke ich jedes Mal eine gewisse Rastlosigkeit: Der Algorithmus spielt mir so viele interessante Videos zu, dass ich nur schlecht wieder davon loskomme. Es ist ein eigenartiger innerer Stress, anders als die Teilhabe an irgendwelchen Erregungswellen in den „sozialen“ Medien. Der Philosoph Thomas Metzinger empfiehlt, positive Bewusstseinszustände zu kultivieren – selbst meditiert er und findet so, was er sucht.
Obwohl ich es öfter versucht habe, ist es mir nie gelungen, Meditation zum Teil meines Alltags zu machen. Das meditativste, das ich erlebe, sind Momente der Konzentration im sonntäglichen Yoga und manchmal bei der Gartenarbeit. Das ist bedauerlich, denn in diesen Zeiten wäre es sicher gut, einen inneren „Ort“ zu finden, der stets als Rückzugsmöglichkeit von den Zumutungen der Welt zur Verfügung steht. Sehr inspirierend fand ich dazu das Video-Interview mit dem Mönch Gelong Thubten „Can’t medidate?„. Anders als es der deutsche Untertitel vermuten lässt, gibt das Gespräch einen weitgehend ideologiefreien Einblick: Alle wesentlichen Aspekte des Meditierens, die Hindernisse (!) und Benefits werden vermittelt – auf eine sympathische Art in gut verständlichem Englisch (Deutsche Untertitel hab‘ ich dennoch eingeschaltet). Wirklich empfehlenswert für alle Interessierten, die Analysen unseres normalen „SoSeins“ sind wirklich großartig – aber eben auch, dass wir „mehr als das“ sein können, was uns die Biologie, unser Reptiliengehirn und die Leistungs- und Konsumgesellschaft vorgibt.
Dankbarkeit und guten Rutsch!
Noch in keinem Jahr habe ich mich so privilegiert gefühlt wie 2023 – einem Jahr, in dem Kriege, Klimawandel und Naturkatastrophen das Leben vieler Menschen kosteten, ihre Lebensgrundlagen vernichteten oder sie in die Flucht trieben. Dass ich in einem Land lebe, das bis jetzt allenfalls ein klein wenig Wohlstand verliert (von hohem Niveau aus!), ist ein Glück, für das ich dankbar bin. Ich lebe in einer angenehmen Wohnung, wo warmes Wasser aus der Wand kommt, kann essen, was und wieviel ich mag und es mangelt mir an nichts. Auch lebe ich nicht in einer Diktatur oder Autokratie, in der ich Angst haben müsste, wegen meiner Meinung, Kleidung oder Lebensweise ins Gefängnis zu kommen oder umgebracht zu werden. An all das denke ich oft, wenn ich die vielen lese, die immer nur nörgeln, meckern und schimpfen und diesen Staat am liebsten in die Tonne treten würden. Wie dumm kann man eigentlich sein?
Nun wünsche ich Euch allen einen guten Rutsch! Und Glück und Erfolg im neuen Jahr 2024, wenig Stress, viel Wohlbefinden, Gesundheit und alles, was Ihr Euch selber wünscht!
Möge uns der Himmel nicht auf den Kopf fallen!
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10 Kommentare zu „Jahresrückblick 2023 – höchstpersönlich“.