Heute ist der erste Tag einer neuen Zeit, die eine schreiende Ungerechtigkeit abschafft: Dass Menschen für den Konsum einer weichen Droge verurteilt werden, die so viel harmloser ist als Alkohol, der jährlich über 10.000 Todesfälle und volkswirtschaftliche Kosten von ca. 57 Milliarden Euro verursacht (Jahrbuch Sucht 2023).
Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, allerdings bei weitem nicht genug. Zwar darf man jetzt 50 Gramm Cannabis besitzen und 25 Gramm mitführen, dazu drei eigene Pflanzen anbauen – immerhin! Allerdings macht das neue Gesetz (hier der Volltext) den geplanten Anbau in „Social Clubs“ derart kompliziert, dass das Ziel, den Schwarzmarkt zurück zu drängen, kaum erreicht werden wird. Und während harter Alkohol in jeder Kneipe, jedem Supermarkt und jedem Späti (=Kiosk) erhältlich ist und überall getrunken werden darf, sieht das Gesetz vor, dass der Cannabis-Konsum rund um Schulen, Kitas, Spielplätzen und öffentlichen Sportstätten in einem Radius von 100 Metern verboten ist.
Was das z.B. in Berlin bedeutet, visualisiert die Bubatz-Karte so:
Die rot hervorgebhobenen Bereiche sind die Verbotszonen, nämlich besagte 100 Meter rund um Schulen, Kitas, Spielplätze und öffentliche Sportstätten, die es in Berlin reichlich gibt. Wie ihr seht, bleiben kaum Freiräume übrig, ganz davon abgesehen, dass weder die Konsumenten noch die Polizei immer genau wissen können, wo diese Bereiche anfangen und enden.
Alle Kiffer zu Gärtnern machen? Träumt weiter!
Angesichts der Regelungen zum gemeinschaftlichen Anbau in den Social Clubs scheint das Ziel, „den Schwarzmarkt zu verdrängen“ völlig aus dem Blick geraten zu sein. Das Gesetz schreibt nämlich vor, dass sich alle Mitglieder am Anbau beteiligen müssen ( CanG, Abschnitt 2 §17 / 2). Dazu heißt es in den offiziellen Fragen & Antworten (FAQ) des Ministeriums:
„Sämtliche unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau von Cannabis verbundene Tätigkeiten, die der Aufzucht und Ernte dienen, z. B. Wässern, Düngen, Beschneiden, Abschneiden von Blättern und Blüten, Absonderung von Harz etc., sind durch Mitglieder zum Zweck des Eigenkonsums durchzuführen.“
Dazu muss man wissen: So ein Social Club darf 500 Mitglieder haben, eine Zahl, die bereits während der Voranmeldungen in drei Berliner Clubs erreicht wurde. Wie soll man aber 500 Personen an der Pflege einer professionellen Cannabis-Anlage beteiligen? Absurd!
Ein Dealer-Schutzgesetz?
Die Benennung „Cannabis Social Club“ wurde im Gesetz übrigens extra in „Anbauvereinigung“ geändert, da in den Räumen für die Abgabe an die Mitglieder nicht konsumiert werden darf. Einfach mal jeden Spaß rund um den Konsum verunmöglichen war wohl die Devise. Es ist letztendlich ein Gesetz für die Bedenkenträger geworden, das mit möglichst realtitätsfernen Regelungen das Ganze so kompliziert und aufwändig macht, dass der Gang zum Dealer um die Ecke nach wie vor die einfachste Form des Bezugs bleiben dürfte.
Wobei der „Gang zum Dealer“ heutzutage eher etwas für Touristen ist, denn längst ist die Hausbelieferung Standard. Das dürfen die Anbauvereinigungen allerdings nicht! Ich zitiere nochmal die FAQ, Antworten auf die Frage 30 und 33:
„Die Weitergabe von gemeinschaftlich angebautem Cannabis durch die Anbauvereinigung hat bei persönlicher Anwesenheit des weitergebenden Mitglieds und des annehmenden Mitglieds zum Zwecke des Eigenkonsums sowie innerhalb des befriedeten Besitztums (das heißt auf dem Grundstück, der Anbaufläche, im Gebäude) der Anbauvereinigung zu erfolgen.“
„Anbauvereinigungen dürfen Cannabis an Mitglieder oder sonstige Personen weder versenden noch liefern oder liefern lassen.“
Wenn also die Abgabestelle JWD ist, weil sich kein erlaubnisfähiger Verteilort in der Nähe befindet, kann der Weg zur Eigenversorgung recht weit ausfallen!
Ich könnte so weiter machen, das CanG bietet jede Menge komplexer Regelungen, die auch Prof. Dr. Rieck in seinem neuen Video zum Kopfschütteln brachte.
Dr.Rieck führt aus, dass sich das CanG als „Dealerschutzgesetz“ heraus stellen könnte, weil der Konsum nun legal, der Bezug aber zu schwierig sein könnte, um die User vom Schwarzmarkt abzubringen:
„…also ich finde es unfassbar schwierig zu durchschauen, was dort eigentlich jetzt erlaubt ist und was nicht. Es kann sehr gut passieren, dass die einzelnen Leute einfach sagen: „Was soll ich mit so einem komischen Gesetz? Es scheint jetzt irgendwie legal zu sein, 25 Gramm bei sich zu tragen, da kauft mans halt irgendwo, wo es einfach ist“. Das kann die Wirkung sein und das wäre natürlich ein bisschen unschön! Und ich muss auch ganz ehrlich sagen: Wenn man wirklich von der positiven Wirkung einer Legalisierung überzeugt ist, verstehe ich nicht, warum man sich dann nicht einfach durchringen kann und sagt: Da wird das Zeug eben genauso verkauft wie Alkohol, es steht dann im Supermarkt neben den Alkoholflaschen und drauf steht „Cannabis“ in den verschiedensten Darreichungsformen“.
Tja, das verhindern derzeit noch EU-Gesetze, weswegen auch die ursprünglich vorgesehene „Abgabe in Apotheken und lizensierten Geschäften“ vertagt wurde. Angeblich soll es irgendwann wenigstens Modellversuche in einigen Städten geben, woran ich aber noch nicht so recht glaube. Die CDU möchte das Cannabis-Gesetz sowieso wieder abschaffen, wenn sie an die Macht kommt, wofür sie allerdings Koalitionspartner bräuchte, die das mitmachen.
Hier noch eine Fundsache aus dem Urlaub in Apulien: Ein italienischer Joint-Automat („Cannabis light“ mit geringem THC-Gehalt).
Siehe auch:
- Cannabis in Italien: Warum Rom der neue Hotspot für Kiffer ist
- In Spanien haben die Cannabis Clubs eine ziemlich interessante und einzigartige Rolle. (dort darf auch konsumiert werden).
- Kiffer-Verbotszonen in Berlin: Herr Wegner, wo Bubatz legal? „Auf der östlichen Seite des Platzes unter dem U-Bahn-Viadukt bleibt eine Fläche von einigen Quadratmetern frei.“
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8 Kommentare zu „Cannabis teilweise entkriminalisiert: Das reicht nicht!“.