Boris ist sprachlos und schreibt das in sein Blog. Wirkt seltsam, aber ich kann’s verstehen: Sich überstürzende Ereignisse mit hoch wahrscheinlich üblen Folgen, sämtliche Medien berichten, analysieren, diskutieren – was soll man da noch dazubloggen? Dass das alles ganz furchtbar ist und man sich viele neue (und alte) Sorgen machen muss? Wem würde das irgendwas nutzen?
Aber einfach gar nichts schreiben zu Trumps erstaunlich deutlichem Sieg und zur spektakulären Auflösung der Ampel am gleichen Abend? Ein Blog ist doch auch ein kleines Lagerfeuer, an dem man zusammen kommen kann und sich über die Schrecklichkeiten austauschen, auch ganz ohne den Anspruch, etwas im Medienkonzert womöglich noch Fehlendes zu verlautbaren.
Ich fang einfach mal an mit meinen losen Gedanken zur Lage:
- Ampel-Aus versus Trump-Sieg: Irgendwie tut es gut, sich jetzt auf das Ende der Ampel-Regierung und die Frage „wie weiter“ konzentrieren zu können! Denn dass Trump derart deutlich gewonnen hat ist erschreckend und noch weiß niemand, was von all den vorab verkündeten Vorhaben er umsetzen wird – vermutlich eher mehr als weniger. Einfluss darauf haben wir keinen, also beteilige ich mich erstmal nicht am Ausmalen kommender Schrecklichkeiten und ihrer Folgen.
- Olaf Scholz zur Lindner-Entlassung: Wow, was für eine Rede, er hat Lindner ja richtig zerlegt! So kennt man Olaf Scholz eher nicht, der ja schon viel Kritik wegen „mangelnder Führung“ auf sich gezogen hat. Damit war meist gemeint, dass er Lindners Störmanövern nichts entgegen setzte, sondern im Hintergrund blieb, wärend Habeck den Kontrapart gab. Nun meinen Kommentierende, die Rede sei „unangemessen“ gewesen, das Lindner-Bashen gehöre sich nicht, usw. Mir kam das eher wie ein Befreiungsschlag vor, Scholz hatte die Faxen endlich dicke und sah keinen Grund, das nicht im Detail zur Sprache zu bringen.
- Lindners Aktionen und seine Reaktion auf die Entlassung: Ja, ich gehöre zu denen, die denken, dass Lindner es absichtlich so weit getrieben hat, weil seine FDP in der Todeszone bei 3 bis 4 Prozent dümpelte. Und es klappt ja insoweit, als die FDP nun wieder knapp 5% erreichen soll (war irgendwo in den Nachrichten). Vom Ablauf her hat er sich das Ampel-Aus aber anders vorgestellt und war not amused über die Art seiner Entlassung. Seine Gegenrede erschien mir dünn und unglaubhaft: Trotz der offenbar vorbereiteten Scholz-Rede wollten weder die SPD noch die GRÜNEN das Ampel-Ende. In den Tagen zuvor gab es genügend Gelegenheiten zum Kompromiss – aber den wollte Lindner nicht.
- Schuldenbremse: Der Ukraine dauerhaft bei ihrer Verteidigung zu helfen und gleichzeitig 1,5 Mio ukrainische Flüchtlinge zu beherbergen rechtfertigt aus meiner Sicht einen „Überschreitungsbeschluss“. Selbst wenn die Ukraine wegen Trump verliert oder einen Diktatfrieden akzeptiert, bekommen wir noch viel mehr Flüchtlinge – und all das aus dem normalen Haushalt? Absurd! Ganz allgemein bin ich der Meinung, die Schuldenbremse gehört reformiert und sollte nicht für Investitionen (Wirtschaft, Infrastruktur) gelten. Andere Länder, allen voran USA, aber auch viele EU-Länder investieren trotz Schuldenerhöhung – warum sollten denn wir den wirtschaftlichen Niedergang ohne Gegenmaßnahmen hinnehmen?
- CDU im Aufwind – aber wohin? Dass die CDU nicht alle noch anstehenden Gesetzespakete der Ampel durchwinken will, verstehe ich. Aber bei einigen (Abbau der sog. kalten Progression, Sofortmaßnahmen für die Industrie, Krankenhausreform) sollte sie zeigen, dass sie Verantwortung fürs große Ganze noch kann! So knallhart, wie Merz sich aktuell gibt, frage ich mich immer: Denkt der denn gar nicht daran, dass er nach Neuwahlen wieder Koalitionspartner braucht? Die FDP wird kaum groß genug werden, damit es für eine reine Zweierkoalition reicht.
- Vertrauensfrage und Neuwahlen: Da bin ich wirklich sehr gespannt, wie sich das entwickeln wird. So nachvollziebar der Wunsch (Umfrage: 84%) nach sofortiger Vertrauensfrage und schnellstmöglichen Neuwahlen ist: In der Praxis wird das in der Vorweihnachtszeit schwierig, denn das ist traditionell die Zeit, zu der sich die große Mehrheit von der großen Politik eher abwendet. Und rein logistisch ist eine Bundestagswahl ja keine Kleinigkeit, die man mal eben so auf die Schnelle organisieren könnte.
- Zeitdruck und Verantwortung: Trump ante Portas, Ukraine, EU-Abstimmungen – es gibt in nächster Zeit viel zu beraten und zu beschließen, aber Deutschland als größte Wirtschaftsmacht der EU ist nicht mehr handlungsfähig. Das war dem Lindner offenbar egal, als er die Dinge auf die Spitze und bis zum Ampel-Aus getrieben hat. Ein Desaster, mehr fällt mir dazu grad nicht ein!
Genug, ich könnte noch lange so weiter schreiben, belasse es aber mal bei diesen sieben Punkten. Die Nummerierung stellt kein Ranking dar, sondern soll es erleichtern, sich auf den einen oder anderen Punkt zu beziehen.
Nun also: Wie geht es Euch mit alledem? Was denkt, fürchtet, hofft Ihr?
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Und sonst:
Bundeswahlleiterin warnt vor »unabwägbaren Risiken« bei einer Neuwahl im Januar – SPIEGEL ONLINE
Der Trump-Schock – im Campact-Blog mit Vorschlägen, wie „wir so etwas in Deutschland verhindern“ könnten.
Ampel-Versprechen im Faktencheck – Volksverpetzer
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24 Kommentare zu „Trump on, Ampel off: Lose Gedanken zur Situation“.