Claudia am 06. Dezember 2024 — 10 Kommentare

China-KI: DeepSeek schockt ChatGPT, ist Open Source und kostenlos für alle

Bisher kannte man fortgeschrittene ChatBots (LLMs) wie ChatGPT, Claude und Gemini ausschließlich von US-amerikanischen Big Playern wie OpenAI, Google und Anthropic. Mit DeepSeek ist nun eine chinesische KI erschienen, die den Platzhirschen das Wasser reichen kann. Für die US-Firmen ist das die erste echte Konkurrenz auf dem hart umkämpften Feld einer Zukunftstechnologie, deren Bedeutung kaum zu überschätzen ist.

Im Video „Chinas Antwort auf ChatGPT: Besser als o1 und kostenlos – Chinas Nummer 1 KI-Modell DeepSeek R1 schlägt ChatGPT im Test“ beschreiben die Digitalen Profis das neue chinesische Chat-Wunder. Es ist nicht nur gleichauf zu den altbekannten Varianten, sondern zählt zur neuen Generation, die schwierige Fragen besser beantworten kann und dazu einen „Denkweg“ beschreitet:

„OpenAI, der Konzern hinter ChatGPT hat ja im September mit den o1-Modellen die ersten Sprachmodelle einer “neuen Generation” vorgestellt. Mit diesen sogenannten “Reasoning-Modellen” sollen in vielen Fällen, gerade in den Bereichen Mathe oder logisches Denken noch bessere Ergebnisse möglich sein, da die KI hier quasi “nachdenkt” bevor einfach eine Antwort generiert wird.

Aber obwohl diese Modelle sich in der Praxis zu bewähren scheinen, gab es lange keine direkte Konkurrenz. Seit kurzem hat aber ausgerechnet ein chinesischer Anbieter mit dem Unternehmen High-Flyer ein eigenes Reasoning-Modell an den Start gebracht, das auf den Namen DeepSeek R1 hört. Und nicht nur das: Aktuell kann man dieses neue Modell komplett kostenlos und ohne Abo nutzen – bei ChatGPT braucht man für die Reasoningmodelle einen Plus-Plan.“

Ich habe die China-KI heute getestet und bin verblüfft, wie superschnell lange Antworten generiert werden. Dabei bildet DeepSeek die einzelnen Denkschritte ganz offen Schritt für Schritt ab, anders als ChatGPTO1 (hier eine Beschreibung), das den Denkweg zunächst versteckt und auch auf Anforderung („aus Wettbewerbsgründen“) nicht den tatsächlichen Prozess anzeigt. Wie Hannes Ruof (Digitale Profis) berichtet, schlägt DeepSeek in einigen gängigen Tests (Benchmarks) aktuelle LLMs und hat in eigenen Tests gute bis sehr gute Antworten gegeben.

KIs Leistungsvergleich

Wie von einer KI aus China zu erwarten, kennt das Modell unliebsame historische Ereignisse nicht, kann z.B. keine Auskunft geben, was auf dem Platz des Himmlischen Friedens geschehen ist und hält sich auch beim Thema Taiwan eher bedeckt. Dafür ist es kostenlos: Bis zu 50 Anfragen kann man täglich bearbeiten lassen, wogegen die (immer noch beschränkte) Nutzung des entsprechenden OpenAI-Modells 20 Dollar im Monat kostet.

Risiko Open Source

Dass die China-KI als Open Source zur Verfügung stehen wird, ist zwar erst angekündigt, wird aber wohl kommen:

Deep Seek kündigt Open Source an

Eric Schmidt – ehemaliger CEO und Vorsitzender von Google – ist besorgt angesichts dieser Entwicklung (übersetzt von Google):

„Natürlich sind Sie und ich nicht in China und ich weiß nicht, warum China sich entschieden hat, sie [=die KI-Systeme] freizugeben, aber sicherlich werden böse Gruppen und so weiter diese jetzt nutzen… Vielleicht unterschätzen die Chinesen einfach das Risiko, aber es besteht eine echte Gefahr, dass Systeme in den Händen von Terroristen sind. Die Verbreitung wird nicht durch den Missbrauch von Microsoft oder Google oder was auch immer erfolgen. Sie wird geschehen, indem sie ihre eigenen Server im Darknet einrichten…. Wir haben keine Theorie, was wir tun könnten, wenn das passiert.“

Video-Quelle: Eric Schmidt DROPS BOMBSHELL: China DOMINATES AI! Dieses Video ist auch ansonsten interessant, denn man erfährt, wie kreativ die Chinesen mit den US-amerikanischen Restriktionen im Prozessorgeschäft umgehen. Es ist ihnen sogar gelungen, einen KI-Chip zu entwickeln, der es mit dem Flaggschiff von Nvidia aufnehmen kann (siehe This NEW Huawei AI Chip Is SCARING Nvidia!).

Kurzum: Im Kampf um die Weltherrschaft in Sachen KI holt China auf – etwas, das die USA unbedingt verhindern wollen. Wie die EU mit ihren Regulierungen (AI Act) zwischen diesen Giganten bestehen kann, wird sich zeigen.

China KI Symbolbild

***

Zur Info: Was es mit dem „Reasoning“, diesem (vermeintlichen) Nachdenken einer KI auf sich hat, habe ich Perplexity erläutern lassen. Der erste Teil bezieht sich auf alle KI-Varianten, der zweite Teil auf die Implementierung in den großen LLMs, deren Fähigkeiten im „Reasoning“ noch bei weitem nicht an echtes Nachdenken heranreichen!

Auch interessant:

  • Streit um KI-Technologie Schweizer Unternehmen im neusten Handelsstreit USA-China
    „Am Montag verschärften die USA die Exportbeschränkungen für KI-Chips nach China…..Schweizer Branchenvertreter, die nicht mit Namen genannt werden wollen, bestätigen, dass Schweizer Unternehmen momentan ihre Lieferungen nach China gründlich überprüfen. Die Frage ist, ob Komponenten aus der Schweiz auch US-amerikanische Technik drin haben und inwiefern die neue Exportbeschränkung im jeweiligen Fall greift.“
  • Handelskonflikt zwischen USA und China spitzt sich zu
    „China hat den Export von kritischen Rohstoffen wie Gallium, Germanium und Antimon an die USA untersagt. Damit reagiert die Staatsführung auf die erweiterten Exportbeschränkungen der US-Regierung für Hightech-Produkte wie Chips für Künstliche Intelligenz (KI), die am Montag angekündigt worden waren.“

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Diskussion

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10 Kommentare zu „China-KI: DeepSeek schockt ChatGPT, ist Open Source und kostenlos für alle“.

  1. Ich nutzte zuletzt Perplexity, das auch immer die Quellen auflistet. Dafür muß ich mich nicht einmal registrieren.
    Mir widerstrebt das Registrieren bisher.

  2. @Gerhard: ich nutze auch Perplexity (ProVersion) und werde nicht wechseln. DeepSeek zeigt keine Quellen an, was das normale ChatGPT auch nicht tut, wohl aber Perplexity. Zudem hab ich bei Persplexity auch die Möglichkeit, auf Claude 3.5, GPT-4o und Sonar, sowie Dall-E (Bilder) zuzugreifen, ohne Aufpreis. Claude 3.5 formuliert besser, man kann nach einer Antwort „umschreiben“ lassen und dafür auf eine andere KI umschalten.

  3. @Claudia, da bist du ja gut im Bilde!
    Gestern hatte eine Bekannte eine Frage zur Wirkungsweise eines Medikaments, da konnte ich sofort mit Perplexity helfen. Die Quelle dazu dann gleich zur Hand.
    Mir scheint, daß dieses Toll auf „bewährte“ Quellen zurückgreift, offenbar mit einem gewissen“Qualitäts-Ranking „im Hinterkopf“. Ungesicherte bzw, sogar „abstruse“ Quellen würdigt es wohl nicht.

  4. @Gerhard, @Claudia, ich teile eure Erfahrung zu Perplexity. ChatGpt in der kostenfeien Version ist meist bei gleicher Fragenstellung sehr viel dürftiger, allerdings liefern beide Systeme immer wieder mal sehr unterschiedliche Ergebnisse (gerade auch, @Gerhard, was Medikamente betrifft).

    Danke Claudia für deinen Beitrag und deine Querverweise. Alles hoch interessant. In Deepseek komme ich derzeit noch nicht rein, denke aber, dass das in den nächsten Tagen möglich sein wird.

    Die Chinesen haben m.E. nach mittlerweile sehr genau erkannt, dass, wenn sie ein Alternativprodukt in den Markt drücken wollen, dies entweder a) sehr viel billiger oder b) BESSER sein muss. Damit ist China auf dem Weg zu einer zukünftigen weltweiten Marktdominanz. Grotesk dabei, das gerade durch Zölle und Abschottung dieser Prozeß noch befeuert wird, wie z.B. das neue Huawei System Harmony OS zeigt, forciert aus dem Android-Boykott oder dein Beispiel, Deepseek.

    1,4 Milliarden nach Wohlstand hungrige Chinesen, insgesamt also doppelt so viele Menschen wie die USA und Europa gemeinsam auf die Waagschale bringen, in einer Arbeitsintensität, von denen sich die weslichen Länder schon lange verabschiedet haben, – da zerrinnen Jahre des techn. Fortschritts wie das Eis im Wasser. Und wenn die chinesiche Roboterdichte die deutsche mittlerweile auch überholt hat mag man garnicht an die Menge denken, mit denen der Markt dann zukünftig geflutet wird.

    Durch Abschottung wird m.E. nach diese Uhr nicht mehr zurück gedreht werden können.

  5. @Menachem: Man muss sich bei DeepThink anmelden. Oder wieso kommst du nicht rein? Ich nutze für sowas (worauf ich nicht so vertraue) meist eine sowieso total verspammte Mailadresse, die ich sonst nicht verwende.
    Ja, es ist erstaunlich, was die Chinesen hinbekommen, trotz der Beschränkungen durch die US-Regierung. Von denen ich auch „betroffen“ war, als ich mir wegen der guten Cam ein HUAWAI-Smartphone kaufen wollte. Habe dann ein gebrauchtes, etwas Älteres gekauft, das noch mit Google-Diensten läuft!
    Verrückt, diese Abschottungen! Denn China hat ja auch Hebel, wie man jetzt bezüglich der „kritischen Rohstoffe“ sieht.

  6. Mit der “theoretischen Mathematik“ mangelts bei Perplexity allerdings noch bissel:
    https://noemix.wordpress.com/wp-content/uploads/2024/08/perplex.png (Screenshot)
    (Ein Alleinstellungsmerkmal menschlicher Intelligenz ist ja die Fähigkeit, Humor, Scherz oder Ironie zum Ausdruck zu bringen sowie auch als solche zu erkennen und interpretieren. Dass eine künstliche Intelligenz dereinst ebenso dazu befähigt wäre, steht derweil noch nicht in Aussicht.)

  7. Danke für diesen sehr interessanten Artikel.

    Wie die EU mit ihren Regulierungen (AI Act) zwischen diesen Giganten bestehen kann, wird sich zeigen.

    Bestimmt kennst du das Bonmot von Sascha Lobo. Wir (Europa) werden keine Rolle spielen. Nicht jetzt und schon gar nicht in der Zukunft. Das könnte anders sein. Aber wir reden nicht nur viele unterschiedlichen Sprachen, wir sind auch so auf Eigeninteressen gepolt, dass wir die Chancen, die dieser größte Markt (Europa) bietet, schlichtweg nicht nutzen können. Armselig.

  8. @nömix: Habe die Frage DeepSearch vorgelegt, das nach einem langen Denkweg (der oft die absurdität / Unstimmigkeit thematisiert hat) folgendes Ergebnis präsentierte:

    Initially, two people are in the car.
    Three people get out of the car. This may seem impossible at first, but it can happen if someone else, who wasn’t originally in the car, gets in and then exits.
    After three people have exited, the car is empty.
    The question asks how many need to get back in for no one to remain in the car. Since the car is already empty, no one needs to get back in.

    Immerhin wesentlich besser als Perplexity, alle Achtung!

    Update: und nun nochmal Perplexity, aber Pro-Account:

    „Das Rätsel spielt mit Logik und Widersprüchen. Schauen wir es uns Schritt für Schritt an:

    • Ausgangssituation: Es sitzen zwei Leute im Auto.
    • Drei steigen aus: Das ist ein Widerspruch, denn es können nicht drei Personen aussteigen, wenn nur zwei im Auto sind.
    • Das bedeutet, die Situation ist unmöglich oder absurd.

    Daher ist die Antwort auf die Frage: Es müssen keine Personen einsteigen, weil die Ausgangssituation bereits unlogisch ist.“

    The Winner is: Perplexity pro, mit Abstand!

  9. @Horst: Es gibt offenbar auch in Europa, sogar in Deutschland Fortschritte in Sachen LLM-KI, die allerdings nicht von allen, sondern nur von Unternehmen und Forschungsinstitutionen angewendet werden sollen/können. Am 26.11. zum Download veröffentlicht:

    Mehrsprachig und Open Source: Forschungspro­jekt OpenGPT-X veröffentlicht großes KI-Sprachmodell

    Auch ein französisches Modell (Mistral 7B, ebenfalls open source) mischt mit und besteht recht gut gegen das Modell von Facebool Llama 2 – einen Vergleich kann man spielerisch auf der Seite LLM-Boxing erleben, bzw. durch eigenes Wählen der besseren Antwort auf eine vorgegebene Frage mitbestimmen.

    Solange diese KI-Modelle nur für Nerds, Superuser und Unternehmen mit den entsprechenden Voraussetzungen nutzbar sind, spielen sie im öffentlichen Bewusstsein jedenfalls keine große Rolle. So etwas im Web allen zur Verfügung zu stellen, kostet eben Ressourcen, wie sie nur die bekannten Tech-Giganten bereitstellen bzw. besorgen können.

  10. Das wir im KI-Markt nicht ganz oben in der Liga mitspielen finde ich erstmal überhaupt nicht tragisch. Wenn vom europäischen Markt gute Individuallösungen angeboten werden können, ist das doch schon was. Wir haben auch keine europäischen Betriebssysteme wie WIN oder Smartphones. Und? Wer braucht das noch heute. Dafür aber den einzigsten weltweiten Hersteller hier in Europa der in der Lage ist, die Maschinen für die Hochleistungs-Chips herzustellen.

    In die KI-Entwicklung werden ja schon seit vielen Jahren Unmengen an finanziellen und personellen Ressourcen reingehauen, die wir hier gar nicht zusammen bekommen hätten. Dafür hat es bei Airbus geklappt. Mal geht`s eben,- mal geht`s nicht.

    Jedenfalls, 2 Atomkraftwerke, von der Kapazität her gesehen, brauchen wir hier nicht, die, wie ich heute gelesen habe, Google für seine Server braucht. Und Meta ist auch nochmal in der gleichen Richtung unterwegs, was nicht allen gefällt. Das letzte Wort ist da noch lange nicht gesprochen.

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