Claudia am 22. Dezember 2024 — 9 Kommentare

Mitschuldig: Ignoranz, Bequemlichkeit, Unzuständigkeit, Dummheit!

Mittlerweile sind Details über die Vita des Attentäters Taleb Al-Abdulmohsen und früheres „auffällig werden“ bekannt geworden, die vor allem eines zeigen: Niemand hat sich so richtig drum gekümmert, obwohl seine Gewaltandrohungen offen auf X standen und auch gemeldet wurden! Wie der SPIEGEL berichtet, ist der Täter bereits einmal wegen „Störung des öffentlichen Friedens“ verurteilt worden, weil der die Ärztekammer 2013 bedrohte, weil es Probleme bei der Anerkennung seiner Prüfungsleistungen gab:

„Er habe Handlungen angedroht, die international Beachtung finden würden und auf den Anschlag auf den Marathon in Boston vom 15. April 2013 verwiesen – die Drohung erfolgte nur zwei Tage nach dem dortigen Anschlag……..Im Januar 2014 soll er auf dem Amt in Stralsund erschienen sein und um finanzielle Unterstützung gebeten haben. Er soll dort ebenfalls mit einer Tat gedroht haben, an die man sich lange erinnern werde; außerdem soll er mit Suizid gedroht haben….. Im September 2015 soll er zudem im Kanzleramt angerufen und sich über das Rostocker Urteil beschwert haben. Er soll die Richter als Rassisten bezeichnet und gesagt haben, er werde sich eine Pistole besorgen. Laut Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) wurde Taleb Al-Abdulmohsen nicht als Gefährder geführt.“

Immerhin: Im Zuge der Ermittlungen vor dem Rostocker Urteil wurde seine Wohnung durchsucht, es gab keine Anzeichen für konkrete Anschlagspläne. Nach der nächsten Drohung gab es eine „Gefährderansprache“ durch die Polizei. Wie kann es also sein, dass er NICHT „als Gefährder geführt“ wurde?

Dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) wurden von einer aufmerksamen US-amerikanischen Leserin 2023 die Gewaltandrohungen des Täters gemeldet. Doch das Amt sah sich als „unzuständig“:

„Das Bundesamt hat im Spätsommer letzten Jahres einen Hinweis über seine Social-Media-Kanäle zu der mutmaßlich für den Anschlag in Magdeburg verantwortlichen Person erhalten. Dieser wurde, wie jeder andere der zahlreichen Hinweise auch, ernst genommen. Da das Bundesamt keine Ermittlungsbehörde ist, wurde die hinweisgebende Person, wie in solchen Fällen üblich, direkt an die verantwortlichen Behörden verwiesen.“

Warum hat das Amt die Meldung nicht selbst an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet? Klar, es ist bequemer, die weitere Verfolgung der Angelegenheit der aufmerksamen Leserin (aus den USA!) zu überlassen! Wie ein Screenshot zeigt, hat sie explizit darum gebeten, an die Polizei weiterzuleiten, da sie kein Deutsch könne. Eine E-Mail habe sie jedoch gesendet, aber keinerlei Antwort erhalten (die Belege hängen an diesem Threat).

Dann das „Sicherheitskonzept“ in Magdeburg: Dazu sagt ein Sprecher der Stadt, es habe sich „über Jahre bewährt“ und was der Täter jetzt ausgenutzt habe, seien die Rettungsgassen und Fluchtwege. Um übrigen sei das Konzept mit allen abgestimmt gewesen, man habe mit so etwas „in dieser Dimension“ nicht rechnen können, vielleicht wäre es einfach nicht zu verhindern gewesen. Seltsame Aussagen, denn der ganz ähnliche Terrorakt gegen einen Weihnachtsmarkt in Berlin hat doch gezeigt, womit zu rechnen ist!

Wozu aber Poller, wenn es offene Stellen gibt, über die Autos einfach rein fahren können? Ein Terror-Experte meint dazu:

„Poller und Absperrungen auf Weihnachtsmärkten helfen nur dann, wenn sie keine Lücken lassen. Ansonsten kann man sich alle Poller sparen. Es gibt Berichte, dass nicht überall Poller aufgestellt wurden, weil eine Straßenbahn in der Nähe des Marktes fährt. Sollte dem so sein, hätte die Stadt zwei Möglichkeiten gehabt: Entweder hätte die Straßenbahn während des Marktes nicht fahren dürfen oder der Markt hätte an einen Platz verlegt werden müssen, der vollständig abgesperrt werden kann.“

Ich füge hinzu: Man kann auch das tun, was jetzt vielerorts getan wird: Feuerwehrlaster vor den Lücken parken – und diese wegfahren, wenn Krankenwagen oder Polizei durch müssen! Aber der Stadtsprecher hält das Konzept nach wie vor für gut, „weil es abgestimmt war“.

***

Ganz furchtbar das alles! Auch die Folgen, die jetzt schon das „Debattenklima“ bestimmen, die Instrumentalisierungen, die Attacken gegen migrantisch aussehende Personen in Magdeburg, rechtsextremistische Demos und entgegentretende Demos gegen rechts – von „öffentlichem Frieden“ kann jedenfalls nicht mehr die Rede sein. Aber immerhin: Die Weihnachtsmärkte sind nach wie vor gut besucht!

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Mitschuldig: Ignoranz, Bequemlichkeit, Unzuständigkeit, Dummheit!“.

  1. Moin

    Am besten hält man es wie Henning Uhle und nimmt erst einmal den Fakt zur Kenntnis, dass eine Person ein Auto als Waffe für ein Attentat missbraucht hat. Es mag auch alles gut und schön sein, was dann immer gleich so schnell „herausgefunden“ und als Kritik und Versagen angeprangert wird. Macht die Sache aber auch nicht ungeschehen und über die tatsächlichen Motive mögen doch bitte nach der Untersuchung der Tat durch die Ermittlungsbehörden die Gerichte entscheiden.

    In der Hinsicht mißfällt mir sowohl der zu erwartende Schnellschuß von rechts über die „üblichen verdächtigen“ genauso wie Burks unsäglicher Ansatz, dass gleich wieder mit dem Hintergrund Islam zu verwursten und nach dem Plonk das halt auf den Absatz Konvertieren zu schieben – ziemlich dünne Nummer.

    Ganz furchtbar das alles! Auch die Folgen, die jetzt schon das „Debattenklima“ bestimmen, die Instrumentalisierungen, die Attacken gegen migrantisch aussehende Personen in Magdeburg, rechtsextremistische Demos und entgegentretende Demos gegen rechts – von „öffentlichem Frieden“ kann jedenfalls nicht mehr die Rede sein.

    Auch da reicht ja nicht das zu erwartende Geblöke in den SM, sondern die Medien feuern in der üblichen Weise fleißig und teils mehr als pietätlos mit und jazzen das Thema selber wieder mit jedem noch so unpassenden Mist hoch dabei. Danke für nichts.

    Etwas mehr Mitgefühl für die Betroffenen, die da ständig wieder lesen müssen, wäre schon angebracht, statt noch tagelang jedes Mutmaßen gegenseitig wiederzukäuen.

    Hoffen wir, dass die Angehörigen und Betroffenen trotz allem auch ohne den Fokus Weihnachten in der Lage sind, das Geschehene irgendwie zu verarbeiten. Etwas bleibt da sowieso immer hängen.

  2. „Etwas mehr Mitgefühl für die Betroffenen, die da ständig wieder lesen müssen, wäre schon angebracht, statt noch tagelang jedes Mutmaßen gegenseitig wiederzukäuen.“
    Dieser Aussage simme ich uneingeschränkt zu.
    Im Übrigen kann man nur hoffen, dass das offenkundige Versagen der zuständigen Stellen u.a. auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen wird.

  3. Ja, erst mal abwarten. Bislang ist viel Spekulation, viel Gedöns und leider auch schon Wahlkampf.

  4. SWG;

    genauso wie Burks unsäglicher Ansatz, dass gleich wieder mit dem Hintergrund Islam zu verwursten und nach dem Plonk das halt auf den Absatz Konvertieren zu schieben – ziemlich dünne Nummer.

    burks ist nicht mehr lesbar; ich weiss mittlerweile wirklich nicht mehr, was bei ihm ernsthafter diskurs oder zynische trollerei ist. das verlangen nach besuch seiner site zu duschen, wurde mir zu ausgeprägt.

    @claudia;

    (die Belege hängen an diesem Threat)

    kinda works both in this case, but actually its still a thread ;)

  5. Hallo Ihr Lieben! Erst einmal FROHE WEIHNACHTEN oder schöne ruhige Tage, je nachdem, ob Ihr feiert oder nicht! Es fällt mit allerdings schwer, weihnachtlich „froh“ zu sein angesichts der Weltlage, die sich immer konfliktreicher entwickelt.

    Zur Sache: Mittlerweile sind noch weit mehr Unzulänglichkeiten diverser institutioneller und staatlicher Beteiligen bekannt geworden – nichts davon widerspricht meiner Sicht der Dinge, die ich in diesem Blogpost, – ausnahmsweise mal nahe tagesaktuell – ausdrückte, ganz im Gegenteil!
    Absichtlich habe ich mich nicht an den Spekulationen über den Täter beteiligt, sondern lediglich die offenkundigen Fakten des furchtbaren Geschehens / Tathergangs inkl. Vorlauf thematisiert. Dass Angehörige der Opfer dieser Tage in diesem kleinen, unwichtigen Blog am Rande des Webs lesen, halte ich für unwahrscheinlich – und selbst wenn, würden sie mir doch vermutlich zustimmen!
    Ich bin auch keine Politikerin, die erst einige getragene Sätze zum Mitgefühl mit den Opfern und der eigenen Betroffenheit verlieren muss, bevor Aussagen zur Tat statthaft sind. Und abwarten, bis die Ermittlungsbehörden (die noch nicht mal einig waren, WER denn zuständig ist: Bundesanwaltschaft oder das Land) etwas verkünden (kann dauern!), sehe ich nicht ein: es gab und gibt genügend Details, die öffentlich und unbestritten sind – warum also nicht darüber bloggen? Wenn ich im übrigen Blogs verlinke, die etwas zur Sache veröffentlichen, heißt das nicht, dass ich deren Inhalten zustimme!
    Jeden Morgen erlebe ich Anflüge von Wut und Trauer, wenn ich Nachrichten höre und dann lese: Magdeburg trauert um die vielen Opfer, während Putin erneut die Energieversorgung der Ukraine angreift, auch Gaza wird weiter bombardiert, dazu „Trump/Musk ante portas“ mit Perspektiven, die nur ängstigen können. Weihnachten 2024: Viele wollen im Zusammenkommen, in Gemeinschaft „ein Zeichen der Hoffnung“ setzen. Mir fällt es zugegeben schwer, dieses Empfinden zu teilen.
    Es bleibt die Konzentration auf den Alltag, der auch an Weihnachten weiter geht – ich muss jetzt z.B. kochen, der Liebste kommt zum Essen. Euch danke ich für Eure Kommentare und dass Ihr dieses kleine Blog am Rande des Webs immer wieder mal lest!

  6. „Euch danke ich für Eure Kommentare und dass Ihr dieses kleine Blog am Rande des Webs immer wieder mal lest!“

    Liebe Claudia,
    sei nicht so bescheiden! Dein „kleines Blog“ zu besuchen, ist -sicher nicht nur für mich – im Laufe der Zeit zur Routine geworden.
    Alles Gute für 1925!!

  7. @Fred Lang

    Alles Gute für 1925!!

    Oha – Zeitmaschine;-)

    @Claudia

    Falls das in den falschen Hals gekommen sein sollte, dann meinte ich mit den SM ganz sicher nicht Dich oder Dein Blog. Besser kann zum Thema nicht kommentiert werden, während es querbeet auch in den Nachrichten teils nur widerlich war. Einer der Betroffenen oder Angehörigen möchte ich bei diesen Phrasendreschmaschinen und dem damit verbundenen Clickbaiting nicht sein. Da ist Ausschalten die einzige Alternative und eine Hilfe von einfach mal ausquatschen bis zum Psychologen hat von den Hiwis sicher keiner angeboten.

    Dieses Schwarze-Peter-Spiel und Herauswinden ist m.E. aber nicht nur ein typisch deutsches Phänomen, sondern gerade in der Politik und Unternehmen häufig zu beobachten. Der einfache Satz „Wir/Ich habe/n Mist gebaut!“ kommt in diesen Sphären nicht vor, stattdessen schwallt man Blech vom Feinsten.

    Ansonsten werden wir sehen, was die Themen der Zukunft sind und am besten versuchen wir nicht nur zu Weihnachten und im Neuen Jahr nett zu sein!

    Einen guten Rutsch miteinander und bleibt anständig;-)

    Thomas

  8. @Siewurdengelesen
    Schön wär’s ja.

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