Spätestens 2022, seit Putin den lange schon schwelenden Ukraine-Krieg per „militärischer Spezialoperation“ (=Angriffskrieg) eskaliert hat, wurde hierzulande klar, dass er an friedlicher Koexistenz nicht interessiert ist, sondern nur an Unterwerfung. An der Seite der USA, die die Gegenwehr der Ukraine massiv unterstützten, hat sich Deutschland – zwar zögerlich, aber letztlich doch – klar positioniert und ebenfalls geholfen: humanitär, wirtschaftlich und militärisch. Stichwort: „So lange wie nötig„. Das war die erste Zeitenwende, Russland war wieder Feind und Pistorius rief (vorausschauend?) dazu auf, wieder „kriegstüchtig“ zu werden.
Das alles erschien zwar sehr gewöhnungsbedürftig, wurde jedoch lange von einer Bevölkerungsmehrheit getragen: Schließlich war sonnenklar, wer angegriffen hat, und dass Russland der Feind ist, kennen Ältere noch gut aus der Zeit des kalten Kriegs.
Aber jetzt der nächste Hammer, ein sehr viel größerer noch dazu: Die USA unter Trump, Musk und Vance sind nicht mehr Freund, Verbündeter und Beschützer, sondern kündigen diesen Job einfach mal so mir nichts, dir nichts. Vance fürchtet nicht Russland oder China, sondern die Erosion der Meinungsfreiheit in Europa! Und Trump ist drauf und dran, seinen „Deal“ mit Putin zu machen, zu Lasten der Ukraine und ganz ohne die Europäer zu fragen oder irgendwie zu beteiligen. Warum auch, es kommt nurmehr auf „Power“ an – und das bedeutet: Nur wer genügend Waffen und „Fähigkeiten“ hat, wird ernst genommen – die Europäer gehören nicht dazu.
Gleichwohl sollen sie nach dem Deal mit eigenen Truppen „den Frieden sichern“. Wieviele Soldaten es wohl braucht an der 1974 km langen Landgrenze der Ukraine zu Russland? Mehr noch: Es sieht nicht so aus, als wären die USA noch willens, auf russische Angriffe gegen diese Friedensschützer irgendwie zu reagieren. Und überhaupt: Was bedeutet jetzt noch Artikel 5? Ohne die Schutzmacht USA steht Europa sicherheitspolitisch quasi nackt da!
Das ist die zweite Zeitenwende, deutlich schwerer zu verkraften als die erste. Und alle haben recht, die jetzt schreiben: Man hätte es eigentlich wissen müssen! Auch Obama und Byden haben immer schon verlangt, dass die Europäer sich mehr selbst um ihre Sicherheit kümmern sollten – aber weil sie es freundlicher sagten als Trump et al, hat man es nicht ernst genommen. Wir lebten alle gerne weiter im Wolkenkuckucksheim, stritten über Migration, Schuldenbremse, Heizungsgesetz und Bürgergeld – und auch jetzt im Wahlkampf wird nicht wirklich thematisiert, dass uns der sicherheitspolitische Boden unter den Füßen weggezogen wird, indem die USA sich aus Europa zurückziehen.
1968 skandierte man auf Demos gerne „Ami go home!“, eine Parole, die Oscar Lafontaine 2019 wieder ausgab. Die Wähler/innen des BSW sind vermutlich begeistert, dass der Wunsch nun Realität wird. Leider kann ich nicht glauben, dass Putin zufrieden sein und friedlich bleiben wird, wenn er per Deal mit Trump ein Stück Ukraine bekommt. Er hat viel größere Ziele und darüber nie gelogen – hier mal die ganze Geschichte nachlesen!
Gerade wird gemeldet, Putin sei zu Verhandlungen mit Selenskyj bereit, „wenn nötig“. Auch der Beitritt zur EU solle von Russland nicht behindert werden. Ein Lichtblick? Die nächsten Tage werden es zeigen! Ich hoffe sehr, dass es zumindest einen Waffenstillstand geben wird, der die Bombardierungen der Ukraine beendet, die in den letzten Tagen sogar zugenommen haben. An einen stabilen „gerechten Frieden“ kann ich nicht glauben, würde mich aber freuen, wenn ich mich irre!
- Tagesspiegel: Eine Friedenstruppe für die Ukraine? Das ist der Stand
- T-Online: Trump will 500 Milliarden Dollar: US-Forderungen an Ukraine: Höher als im Versailler Vertrag
- Horst Schulte: J.D. Vance und der rechte Applaus: Angriff auf die Demokratie
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15 Kommentare zu „Und wieder ist Zeitenwende…“.