Gestern morgen funktionierten zwei meiner Mailboxen nicht mehr, ich konnte zwar Nachrichten empfangen, aber nicht mehr versenden. „Unerwarteter Verbindungsabbruch“ war alles, was ich darüber in Erfahrung bringen konnte. Anstatt groß rumzuforschen, benutzte ich zum Senden eine andere Mailbox, und siehe da: heute geht es wieder. Aussitzen ist eben manchmal doch die beste Lösung!
Nicht länger „aussitzen“ kann ich die Frage, wie ich jetzt möglichst schnell wieder Geld verdiene – auf neuen und alten Wegen. Nach den ersten fünf, sehr gut gelaufenen Schreibimpulse-Kursen war eine kreative Pause angesagt. Die hab‘ ich mir auch gegönnt, locker darauf vertrauend, dass meine sonstigen Einkünfte die Lücke überbrücken werden. Dann aber begann es auch hier zu „stottern“: ein Hauptkunde balanciert am Rande der Insolvenz und zahlt nur Mini-Beträge ab, ein anderer, von dem einige Aufträge zu erwarten sind, hat ausgesprochen lange Entscheidungsfindungszeiten – und prompt steh‘ ich finanziell vor dem Nichts!
Was tun? Diese Frage ist mir im Alltag weit näher als das meditative „Wer bin ich?“ – und doch hat das eine mit dem Anderen viel zu tun. Seit 1996 arbeite ich „im Internet“, und zunächst dachte ich, ich hätte ein neues Paradies gefunden. Ich erschuf Netz-Magazine, knüpfte unzählige Kontakte, moderierte eine große Mailingliste, die einzig der „Webkultur“ gewidmet war – und ich machte Kunst, spielte mit den Möglichkeiten der neuen Technik, drückte mich in ihnen aus, entwickelte schließlich meine persönliche „Schreibe“, die die Jahre überdauert hat und in diesem Webdiary zu besichtigen ist.
Um den Gelderwerb musste ich mich zu Beginn nicht kümmern. Mein befristeter Arbeitsplatz als Projektleiterin bei einem ABM-Träger war gerade weggekürzt worden und – ausgehend von BAT 3a Vollzeit – hatte ich mittels Arbeitslosengeld ein recht bequemes Auskommen. Ich suchte NICHT nach einem neuen, ähnlichen Job, sondern warf mich mit aller Begeisterung, neugierig, lernwillig und schier unendlich belastbar auf das neue Medium. Und tatsächlich: Das Vertrauen, dass sich in Sachen Geld verdienen schon irgend etwas ergeben werde, hat nicht getrogen. Schon sehr bald kamen die ersten Interessenten, die sich von mir eine Website bauen ließen, zudem schrieb ich für Printmedien über Internet-Themen und dann sogar ein „Netzlexikon“ – erschienen im MIDAS-Verlag, leider ein wenig der Zeit voraus.
Über die Jahre ist es dann immer so weiter gegangen. Nie musste ich „akquirieren“, um zu Aufträgen zu kommen – immer fanden sich rechtzeitig neue Auftraggeber ein: Menschen, die mich aufgrund meiner nonkommerziellen Aktivitäten bemerkt hatten und Gefallen fanden an dem, was ich so mache. Und sie empfahlen mich weiter, gaben Folgeprojekte in Auftrag – bis heute funktioniert diese „Schiene“, doch kann sie mich nicht mehr vollständig finanzieren. Schließlich hat mittlerweile jeder eine Website, der sie wirklich braucht. Und wer macht in diesen schwierigen Zeiten schon Geld für ein Update locker, wenn es nicht unumgänglich ist?
Zudem hat sich die Netzwelt grundstürzend geändert. Manchmal staune ich, wie effektiv mittlerweile alles durchkommerzialisiert ist. Sucht man irgend eine kleine Hilfe bei ganz alltäglichen Bedürfnissen, landet man auf intelligent gestalteten Angebotsseiten: winzige Basic-Infos gibt es kostenlos, doch sobald auch nur der geringste echte Nutzen gefragt ist, ist die Registrierung und das Abo fällig. Und all das funktioniert mittlerweile auch. Die Leute ZAHLEN wirklich!
Ich bin keine Nostalgikern und stehe hier nicht an, über „den Kommerz“ zu klagen. Klar müssen alle Geld verdienen und warum zum Teufel soll irgend jemand seine hart erarbeiteten Werte fortlaufend kostenlos unters Volk werfen? Ja wo leben wir denn? Ganz gewiss nicht im Paradies!
Ich frag mich nur: was bedeutet das für MICH? Die Tatsache, dass das Netz zum großen kommerziellen Nutz-Medium geworden ist, heisst auch, dass es als „Kultur-Medium“ kaum mehr wahrgenommen wird. Zwar gibt es immer noch Menschen, die auf ihren Homepages und Blogs wundervolle Inhalte bieten, aber sie werden kaum mehr gefunden. Für Erwähnungen in Newslettern und auf gut besuchten Websites muss man lange schon zahlen, in den Suchmaschinen erscheinen fast nur noch kommerzielle Anbieter, die es sich leisten können, viel Arbeit in die „Optimierung“ ihrer Webseiten für Google et al zu investieren – mit allen Tricks.
Diese Entwicklung entzieht meiner bisherigen Art und Weise, zu Aufträgen zu kommen, den Boden. Das ist lange schon spürbar, aber ich hatte, solange es noch irgendwie ging, nicht wirklich Lust, mich dem Problem zu stellen. Ein Schritt in die richtige Richtung sind immerhin schon die Online-Schreibkurse – aber davon alleine werde ich nie leben können, wenn sie GUT bleiben sollen und nicht zu einem anonymen Massenbetrieb werden, bei dem ich dann nur noch das Organisatorische abwickle.
Das klingt so „mächtig“, so als könnte ich es tun, wenn ich nur wollte – aber so ist es nicht. Im Rahmen eines Jobs bin ich auch mal eine ganz ordentliche Verwaltungs- und Organisationskraft, aber wenn ein Projekt ganz „aus mir heraus“ entstehen und blühen soll, dann muss ich an meiner Arbeit auch richtig Freude haben. Und zwar nicht nur am Erfolg, sondern am konkreten Tun von Tag zu Tag.
Unter Druck..
Wie beneide ich doch gelegentlich die Menschen, die immer schon wissen, was sie arbeiten und womit sie nützlich sein können! So ein handfester, klar definierter Beruf, Arzt, Schornsteinfeger oder Steuerfachgehilfin – muss doch toll sein! Man weiß, wann die Arbeit zu Ende ist und muss sich keine Gedanken machen, wovon man demnächst leben wird. Und man hat „richtige“ Freizeit, sogar Urlaub. Das „ganzheitliche“ Leben und Arbeiten, in dem alles mit allem zusammen hängt, ist nicht wirklich die glückbringendere Wahl. So zumindest erlebe ich das zur Zeit, nach acht Jahren Selbständigkeit als „multi-dimensionale“ Webworkerin.
Was also tun? Tagtäglich gehe ich mit dieser Frage um, wohl wissend, dass sie nicht rein grüblerisch zu lösen ist. Es gibt ja doch etliches, was ich tun könnte – immer wieder mal schreib ich eine neue To-Do-Liste, um mir die Möglichkeiten neu vor Augen zu halten, aber es bedarf zumindest eines kleinen Funkens heller Begeisterung, um so richtig mit etwas Neuem loszulegen. Statt dessen wächst nur der Druck, der von meinem Kontostand ausgeht. Noch nie hab‘ ich mich so blockiert gefühlt wie in den letzten Wochen.
Darüber schreiben ist immer eine gute Möglichkeit gewesen, mir klar zu machen, was eigentlich los ist. Im Moment scheint auch diese „Methode“ wenig Erhellung zu bringen. Ich kann die Situation beschreiben, aber der „Ruck“, der irgendwie kommen muss, geschieht nicht, indem ich Sätze aneinander reihe. Meine innere Bereitschaft, auch radikale Lösungen anzunehmen, ist mittlerweile groß – nichts dagegen, wieder mal „angestellt“ zu arbeiten oder als „feste Freie“ kommerzielle Projekte zu pflegen, Communities zu bedienen, PR- und Werbetexte zu schreiben, Newsletter zu betreuen, was immer halt gebraucht wird. Auch außerhalb des Netzes würde ich arbeiten, wenn sich etwas anböte – aber all das führt nur mitten hinein ins Heer der Arbeitslosen, die genau solche Jobs suchen.
Kühe hüten?
Kürzlich sah ich mal eine Website, die sich auf die Vermittlung von Kühe-Hüterinnen spezialisiert hatte. Auf der Alm sitzen und aufpassen, dass keine Kuh abhaut oder abstürzt – Monate lang! Was für ein Leben das wohl sein mag? Selbst das würde ich vielleicht probieren – aber natürlich wäre ich dafür „überqualifiziert“ und würde nicht genommen. Und meine Festkosten könnte ich damit auch nicht erwirtschaften.
Ja verdammt noch mal, was soll ich also tun? Einen Kredit aufnehmen, um drei Monate zu überbrücken? Bis dahin hat mich der „Ruck“ gewiss dreimal ereilt und die Zeit würde reichen, etwas Neues zu entwickeln, das mich finanziell wieder ausreichend trägt. 5000 Euro wären genug, meine materiellen Bedürfnisse sind schließlich minimal und die Festkosten hab‘ ich sicherheitshalber immer so niedrig wie möglich gehalten. Aber auch das ist keine echte Möglichkeit – einer Freiberuflerin ohne Sicherheiten gibt niemand Kredit, heutzutage weniger denn je.
Im Moment versuche ich, die eigene Blockade durch „Körperarbeit“ aufzulockern. Alle zwei Tage bin ich im Fitness-Center – die 40 Euro pro Monat hab‘ ich noch nicht eingespart, da die Kündigungszeiträume eh viel zu lange sind. Ich übe jetzt Krafttraining, in der Hoffnung, dass mir nicht nur körperliche Kraft zuwächst. Und danach dann immer die Rishikesch-Reihe – Yoga als Dehnungsübung im Anschluss an die Geräte.
Tatsache, ich fühl‘ mich dann besser, optimistischer, gelassener – aber auf den „Ruck“ warte ich immer noch.
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