Zu Dokumentationszwecken liste ich hier mal vielerlei Reaktionen auf die Zypern-„Rettung“ auf. Im ersten eigenen Artikel zum Thema „Zypern“ war ich zu schnell mit einer – entsprechend oberflächlichen – Meinungsbildung. Mittlerweile hab‘ ich viel gelesen und sehe die Dinge jetzt anders. Es geht nicht vornehmlich um „russische Oligarchen“ und etwaige Schwarzgelder, alles ist viel komplzierter und es tut mir leid, spontan einem solchen Reflex aufgesessen zu sein.
Jetzt sammle ich also nur, ohne selbst sagen zu können, was man hätte tun oder lassen sollen.
- „Wie schon zweimal zuvor in ihrer jüngeren Geschichte lassen sich die Deutschen immer tiefer in einen Konflikt mit ihren Nachbarn führen. Ohne Rücksicht auf die Kosten und mit einem Ziel, das einem Angst und Bange werden kann: die deutsche politische Vorherrschaft auf dem Kontinent.“ – J. Augstein / SPIEGEL
- „Für die Europäische Zentralbank geht es in der Zypern-Krise auch um das eigene Überleben: Der Großteil der Staatsanleihen von Zypern sind bei der EZB als Sicherheiten hinterlegt. Sie machen ein Drittel des Eigenkapitals der EZB aus. Geht Zypern pleite, wankt die EZB.“ Deutsche Wirtschafts Nachrichten;
- „Für viele Unternehmen wird das eine Tragödie. Wie sollen sie ihre Löhne zahlen?“ fragt Pophaidis, der auch als Berater von Firmen arbeitet. „Etwa 70 Prozent des Geschäftslebens ist hier von den zwei größten Banken abhängig.“ Die gibt es von sofort an in der alten Form nicht mehr.“ C.Schlötzer / Süddeutsche.de
- „Zum einen stehe der Fall Zypern Modell für den Umgang mit drohenden Bankpleiten in der Zukunft, erklärte Dijsselbloem. Zum anderen sei klar, dass auch andere Euro-Länder mit übergroßem Bankensektor diesen verkleinern müssten. Eine Ankündigung, die für heftige Reaktionen an den Märkten sorgte. So heftig, dass selbst die Euro-Gruppe zurückruderte.“ HANDELSBLATT;
- „…auch die Europäische Union trägt Schaden. In Erinnerung bleibt ein rüde auftretender deutscher Finanzminister, der mehr die Stimmung in Deutschland als das Wohl der Gemeinschaft im Blick hatte. Und allen Investoren und Sparern in- und außerhalb der Währungsunion haben die Chaos-Politiker eines klar gemacht: Wer sein Geld im Euro-Raum anlegt, geht zusätzlich zu wirtschaftlichen enorme politische Risiken ein. Dieser Vertrauensverlust wird nachwirken, in den Krisenländern und weit über Europa hinaus.“ Markus Sievers / Berliner Zeitung;
- „Der aus Panik vor einem verfrühten Euro-Crash gezimmerte Deal zwischen Brüssel und Zypern markiert das Ende des klassischen Bank-Wesens, wie man es bisher kannte. Die Troika hat den vollen Zugriff auf jedes einzelne Bank-Konto – und macht im Krisenfall davon knallhart Gebrauch.“ Deutsche MittelstandsNachrichten
- „Der Fall Zypern zeigt, dass letztlich immer ein Grund gefunden wird, um das austeritätspolitische Konzept der Troika durchzusetzen, sobald Finanzhilfen des ESM und des IWF notwendig werden. Zypern konnte eindeutig nicht, wie zuvor den anderen europäischen Schuldenstaaten, vorgeworfen werden, es habe „über seine Verhältnisse gelebt“. Stattdessen wurde Zyperns „Geschäftsmodell“ für gescheitert erklärt – wohlgemerkt, weil lediglich zwei – allerdings große – Banken in die Pleite geschlittert sind und zwar in erster Linie wegen des von den Euro-Rettern im vergangenen Jahr durchgesetzten Schuldenschnitts für Griechenland. Dieses Geschäftsmodell wird allerdings innerhalb der Euro-Zone beispielsweise auch von Luxemburg verfolgt.“ Eichner’s Blog;
- „Gar nicht zu denken wagt man an die dauerhaften politischen Schäden, die mit dem von Deutschland angeführten Rigorismus beim Diktat der Gläubigerländer angerichtet worden sind und werden. Ganz zu schweigen von dem menschlichen Leid, das mit den aufgezwungenen Maßnahmen verbunden ist. Das Schlimmste daran ist, dass sich alle Versprechen, nach einiger Zeit werde das Tal der Tränen durchschritten sein und alles wieder besser werden, nicht erfüllen werden, solange die bisherige “Rettungslogik” beibehalten wird, weil sie tiefer und tiefer in die Krise hineinführt. Je klarer das den Betroffenen wird, desto größer wird ihr Zorn auf diejenigen werden, die diese Versprechen gegeben haben, und desto eher werden sie sich vom europäischen Einigungsgedanken abwenden.“ H.Flassbeck / Nachdenkseiten;
- „… mit Konzepten, die jene treffen, die den Weg ihres Staates in die Krise nicht beeinflussen konnten, kann die EU-Politik als stabilisierender Heilsbringer nicht punkten.
Bedenklich auch, wie wenig die EU-Politik imstande ist, mit rein politischen Fragen richtig umzugehen. Da wird tatenlos zugesehen, wie sich das EU-Mitglied Ungarn immer weiter von den Prinzipien einer demokratischen Grundordnung entfernt. Da wird die im Kern gemeinschaftliche Aufgabe des Umgangs mit den jährlich Tausenden illegalen Einwanderern und Asylbewerbern, vor allem auch jenen, die von Schleppern aus Nordafrika nach Spanien und Italien gebracht werden (Stichwort: Lampedusa), ganz einfach den betroffenen EU-Mitgliedsstaaten überlassen.“ Capa-kaum - „Niemand ist „schuld“ an der Schuldenkrise …, die einfach Ausdruck der systemischen Überproduktionskrise des Spätkapitalismus ist, der nur noch vermittels schuldengenerierter zusätzlicher Nachfrage sein Zombieleben weiterführen kann. Berlin vermochte es aber, aufgrund seiner nun errungenen wirtschaftlichen und politischen Dominanz, die Folgen dieser Schuldenkrise, von der Deutschlands Exportindustrie profitierte, ausnahmslos den Südeuropäern aufzubürden. Tomasz Konicz / Telepolis;„
- „Georgios Vassiliou: Ich bin enttäuscht darüber, wie die EU Zypern behandelt. Ich dachte, wir seien Teil einer großen Familie, aber die Familie geht rau mit uns um. Sie glauben wohl, sie können es mit uns machen, weil wir ein kleines Land sind. Uns wird vorgeschrieben, dass unsere Schulden nicht höher als 100 Prozent der Wirtschaftsleistung sein dürfen. Anderen EU-Ländern wird viel mehr erlaubt, bis zu 180 Prozent.“ Interview / DIE ZEIT
- „Aus der Währungsunion ist ein Schreckensregime geworden. Und zwar nicht nur für die Zocker auf Zypern. Wer auch immer als nächstes “gerettet” werden muss, sollte sich auf das Schlimmste gefasst machen. Wenn Europa ein “Geschäftsmodell” wäre, so würden die Kunden nun in Scharen davonlaufen. Aber der bizarre Vergleich aus der Wirtschaft hinkt – sowohl für Brüssel wie auch für Nikosia. Denn Zypern ist nicht etwa wegen seines Bankensektors in die Krise geraten – sondern wegen der verfehlten Griechenland-”Rettung”. Schäubles Schuldenschnitt hat Zyperns Banken ruiniert.“ Lost in EUrope
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8 Kommentare zu „Kleine Presse- und Blogschau zur Zypern-„Rettung““.