In meinem Homebüro vergehen die Tage äußerlich recht gleichmäßig, Feiertag hin oder her. Dennoch ist da ein Unterschied: an gesetzlichen Feiertagen erwartet niemand von mir, auf E-Mails „zeitnah“ zu reagieren. Dadurch fühle ich mich ruhiger, auch das Hintergrundrauschen der Stadt ist abgeflaut, es fahren weniger Autos und Laster herum. Dass es zudem noch schneit, verstärkt den Eindruck der Stille.
Gestern hab‘ ich mir erst ergoogelt, ob Karfreitag ein bundesweiter Feiertag ist. So sicher war ich mir als religiös nicht Engagierte da nicht. Den Morgen verbrachte ich wie meistens mit dem Lesen diverser Nachrichtenübersichten: GoogleNews (Mainstream), Rivva (Blogosphäre), NetNewsGlobal (NonMainstream) und natürlich auch ein Blick auf meine aus Newsfeeds zusammen gestellte Blogroll. „Karfreitag“ fand in all diesen News praktisch nicht statt (Ausnahme: Thinkabout). Man musste schon mit Stichwort danach suchen. Was sich dann findet, sind vielfältige Klagen über die verordneten Beschränkungen, Proteste gegen das Tanzverbot, sowie ein Aktíonsbündnis, das unter dem Motto „Ich lass dich beten – lass du mich tanzen!“ bundesweite Veranstaltungen und Aktionen durchführen will, inkl. Kirchenaustritte zu Ostern.
Die Protestierenden halten die staatlich verordnete Einschränkung von Grundrechten zugunsten christlicher Feiertage für eine nicht mehr zeitgemäße Bevormundung. Anhänger/innen 80 verschiedener Religionen und Weltanschauungen seien mittlerweile in Deutschland heimisch, in vielen Gegenden Ostdeutschlands gäbe es nur ca. 30% Christen, während der große Rest konfessionslos sei. Und in den Großstädten (also da, wo man am Veranstaltungsverbot am meisten leidet) hingen weniger als die Hälfte noch einer christlichen Glaubensrichtung an. Dennoch werden ALLE mittels empfindlicher Geldstrafen dazu gezwungen, an Karfreitag drastische Einschränkungen ihrer Grundrechte hinzunehmen.
Ob diese Zahlen stimmen, mag ich jetzt nicht recherchieren, doch der allgemeine Trend geht unbestreitbar weg von den hierzulande „etablierten Religionen“. In Hamburg gibts mehr Muslime als Katholiken und viele junge (und auch ältere) Menschen mit spirituellen Interessen wenden sich anderen Lehren zu: Buddhismus, Sat-Sang/Advaita, Neo-Schamanismus, Tantra etc. usw.
Warum also nicht darüber nachdenken, Feiertage „für alle“ an die Stelle der spezifisch-christlichen zu setzen? Allerdings vermute ich, dass ein Konsens über einen „Tag der Stille“ nicht zu erreichen wäre. (Es wird immer Menschen geben, die erst tanzen wollen, wenn es mal einen Tag lang verboten ist). Also sind mir christliche Feiertage immer noch lieber als keine. Was tatsächlich droht ist ja kein christliches Mullah-Regime, sondern die totale Dominanz der „Märkte“: durchweg arbeiten, konsumieren, verbrauchen – und bloß keine Ruhezeiten, um über all das nachzudenken!
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3 Kommentare zu „Karfreitag als Feiertag – noch zeitgemäß?“.