Ich fange an mit „was war das?“ – denn grade hab‘ ich auf ein Twitter-Statement (eines Mannes) reagiert, das so lautete:
„Scheiß doch auf die Seemannsromantik Ein Tritt dem Trottel, der das erfunden hat. Niemand ist gern allein mitten im Atlantik – Element of Crime“
Meine Resonanz: Ja, richtig, aber… hör doch mal:
Dieser Uralt-Song transportiert ein archaisches Männlichkeitsbild, das frau erst dann freundlich-nostalgisch zitieren und wertschätzen kann, wenn es definitiv überwunden ist. Verrückt, nicht wahr? :-)
Es gibt eine deutlich peinlichere deutsche Fassung:
Mit 14 Jahren fing er als Schiffsjunge an,
Er war der Jüngste aber er war schon ein Mann
Ein Mann wie ein Baum und stark wie ein Bär,
So fuhr er das erste mal über das MeerSie hieß Mary- Ann und war sein Schiff
Er hielt ihr die Treue was keiner begriff
Es gab so viele Schiffe so schön und groß
Die Mary- Ann aber ließ ihn nicht los…
und später dann:
Und als er eines Tag`s erster Steuermann war
Da liebte er ein Mädchen mit strohblondem Haar
Er gab ihr sein Herz doch sie war ihm nicht treu
So fuhr er bald wieder zur See Ahoi.
Das markiert – abgesehen vom archaischen Besitzdenken – ein für mich noch immer relevantes Attraktivitätsmerkmal der Männlichkeit: Unabhängigkeit, Interessen abseits und jenseits von „Beziehung“, die IHN letztlich halten, auch wenn ansonsten alles den Bach runter geht. Ein „Heldentum der Autonomie“, das komplett irreal, aber doch irgendwie attraktiv ist. Auch für Frauen.
Ich schreibe über dieses Thema im gleichen Geiste wie ein ehemaliger Raucher nach der Befreiung ein schönes nostalgisches Buch über die Freuden und Schönheiten des Rauchens, über die Erotik des Sargnagels verfassen kann. :-)
Denn „nachhaltig“ ist diese Art Männlichkeit nicht. Es handelt sich eher um das kollektive schön-reden der Drohnen-Existenz: es braucht letzlich nicht viele Männer für die Reproduktion der Art. Das weiß selbst der zitierte Song-Text:
„Nach jeder Reise schwur er jetzt mustre ich ab
Er schwur`s als Kapitän doch sie wurde sein Grab
Die Mary-Ann sank am 19 Mai
Bei einem Orkan vor der Hudson Bay“.
Einer weniger. Wen kümmerts…
Liebe Männer, liebe Frauen: wir sollten verdammt froh sein, dass all das hinter uns liegt! SPIELERISCH kann man solche Geschlechter-Imagos im erotischen Kontext natürlich gerne zur beiderseitigen Lust inszenieren. Aber im Ernst, im richtigen Leben haben solche Bilder keinen förderlichen Platz mehr in der Welt.
Das ist meine Meinung. Nicht etwa Feminismus.
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15 Kommentare zu „Männlichkeit: Was ist das? Was war das?“.