Ist unseren Regierenden eigentlich noch irgend etwas peinlich? Wohl kaum, sonst dürften sie sich derzeit nicht trauen, morgens aus dem Bett aufzustehen! Denn was der SPIEGEL gestern aus Snowdens Infos veröffentlicht hat, widerspricht aufs Schärfste der vorgetragenen Unwissenheit über das Ausmaß an Ausschnüffelei und Überwachung, das man uns zumutet.
Demnach ermöglicht ein System namens “XKeyscore” „annähernd die digitale Totalüberwachung”. BND und Verfassungsschutz hätten dieses von der NSA zur Verfügung gestellte Programm hierzulande bereits im Einsatz:
„Ausgehend von Verbindungsdaten (“Metadaten”) lässt sich darüber beispielsweise rückwirkend sichtbar machen, welche Stichworte Zielpersonen in Suchmaschinen eingegeben haben. Zudem ist das System in der Lage, für mehrere Tage einen “full take” aller ungefilterten Daten aufzunehmen – also neben den Verbindungsdaten auch zumindest teilweise Kommunikationsinhalte. Monatlich hat die NSA Zugriff auf rund 500 Millionen Datensätze aus Deutschland – davon wurden im Dezember 2012 etwa 180 Millionen von “Xkeyscore” erfasst.“
Mit anderen Worten: Wenn wir hier eine Vorratsdatenspeicherung haben, so haben über unseren Verfassungsschutz die US-Geheimdienste auch Zugriff auf die Daten. Eine spannende Frage ist, ob die Software irgendwelche Hintertüren hat und die NSA einfach mal die komplette Überwachungsinfrastruktur von BND und Verfassungsschutz ohne zu Fragen und ohne Rechtstaatssimulation mitnutzen kann. Und wie werden eigentlich die 320 Millionen anderen Datensätze gesammelt?
Devote Lobbyarbeit, hilfreiche Aktenübergabe
Dass die NSA “die deutschen Kollegen als Schlüsselpartner” lobt, wundert nicht mehr wirklich:
“Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen”, notierten NSA-Mitarbeiter im Januar. Im Lauf des Jahres 2012 habe der Partner sogar “Risiken in Kauf genommen, um US-Informationsbedürfnisse zu befriedigen”. (SPON)
Die Herr-Knecht-Beziehung zwischen den USA/NSA und deutschen „Diensten“ und das damit verbundene Wissen über die Ausspähungen ist offensichtlich Jahrzehnte alt. Ich zitiere hier mal (ungern) DIE WELT, da ich den Originalartikel grade nicht finde:
„Nach einem „Focus“-Bericht weiß das Ministerium von Hans-Peter Friedrich (CSU) bereits seit über 20 Jahren, dass die NSA Deutschland großflächig ausspioniert. Im Juli 1992 habe das Ministerium hoch geheime Akten der Stasi-Unterlagen-Behörde eingezogen, schreibt das Nachrichtenmagazin.
Aus den mehr als 13.000 originalen NSA-Dokumenten sei unter anderem hervorgegangen, wie der US-Geheimdienst in den 70er Jahren das Bundeskanzleramt und deutsche Unternehmen wie Siemens überwachte. Auch detaillierte Beschreibungen eines Hochleistungs-Abhör-Systems hätten sich in den Dossiers befunden. Wie großflächig die NSA bereits Ende der 80er Jahre arbeitete, zeige auch, dass sie direkten Zugriff auf alle Einwohnermelderegister der Bundesrepublik hatte.
http://www.welt.de/politik/deutschland/article118240271/Nachrichtendienste-streiten-neue-Spaehvorwuerfe-ab.html
Aufklärung? Mehr Datenschutz? Nicht im Ernst…
Merkels Pressekonferenz, in der sie um „Geduld“ bis zu einer weiteren Aufklärung rund um PRISM & Co. bat, wurde sogleich vom NSA-Pressesprecher obsolet gemacht: „“Wir sagen ihnen nicht alles, was wir machen und wie wir es machen, aber jetzt wissen sie Bescheid”. Will heißen: mehr Infos gibts nicht, egal wie sehr sich die Crazy Germans (Sprengsatz.de) empören. Der Kommentar (Nr.7) von Adrian Bunk zur offensichtlichen Verlogenheit regierungsamtlicher Bekenntnisse zu mehr Datenschutz darf hier nicht fehlen:
Derzeit wird die EU-Datenschutzreform verhandelt. Bis letztes Jahr gab es im Entwurf eine Klausel welche die Weitergabe an Programme wie PRISM verbot, die auf Grund von Druck aus den USA aus dem Entwurf entfernt wurde. Dadurch wäre es Firmen wie Apple, Microsoft, Google oder Facebook nicht mehr erlaubt Daten von EU-Bürgern in Reichweite der US-Regierung zu bringen. Frau Merkel könnte jerderzeit die Wiedereinführung dieser Klausel in den Entwurf fordern – aber das will sie scheinbar nicht.
Und wenn man sich anschaut dass zum Beispiel De-Mail eine offensichtliche Schnittstelle zum Mitlesen und Manipulieren von Nachrichten eingebaut hat, dann verwundern einen mehr das verlogene Fordern nach mehr Datenschutz der Bundeskanzlerin und des Bundesinnenministers als die Tatsache dass sie nichts aktiv dafür tun.
Was haben die USA aufs Ganze gesehen vor?
Erstaunlicherweise lässt sich das ganz einfach in einem offiziellen Dokument der amerikanischen Geheimdienste nachlesen. Thomas Stadler (Internet-Law) hat es ausgegraben so dass wir jetzt nachlesen können: Sie wollen alle 16 Dienste datentechnisch zu einer riesigen Geheimdienst-Cloud zusammen führen, auf die dann auch die Armee, die Polizei (!) und weitere Berechtigte zugreifen können.
Sie schreiben klar hin, was sie wollen:
„global awareness: the ability to develop, digest, and manipulate vast and disparate data streams about the world as it is today.“
Man beachte das „manipulate“ und bedenke: Wer lesen kann, kann auch schreiben!
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Auch zum Thema:
- Unterirdisch: Die US-Spionage in Deutschland schneidet die Wurzeln der Grundrechte ab.
„Das sicher Geglaubte ist nicht mehr sicher, die Grundrechte sind nicht mehr gewiss. Das ist keine Lappalie. Das ist ein Fall von Staatsnotstand.“
- Lesetipp: Kostenloses Privacy Handbuch – 309 Seiten Tipps zum Schutz der Privatsphäre;
- Beckmann-Talk: Der gläserne Bürger – ausgespäht und ausgeliefert? – hier ein paar ausgewählte Langzitate aus der ausnahmsweise großartigen Sendung.
- Amerikas Wahn – Ein Kommentar von Klaus Brinkbäumer
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8 Kommentare zu „BND, Verfassungsschutz, NSA: eine globale Überwachungs-Cloud entsteht“.