Gestern war ich bummeln: Tauentzien, Ku’damm, Weihnachtsmarkt an der Gedächniskirche. Die aufwändige Illuminierung der Shopping-Meile schert sich nicht ums Klima und beeindruckt mit Lichterketten und strahlenden Tierformen auf dem Mittelstreifen. „Fröhliche Weihnachten allen Berlinern wünscht die Wall GmbH“ schreit es in Leuchtschrift quer über die Straße, kaum trete ich aus der U-Bahn am Wittenbergplatz. Dem Klohäuschen-Hersteller verdankt die City-West ihr Weihnachtslicht – danke, danke, danke!
Noch ist es früh am Abend, es herrscht kein Gedränge, so dass ich das Angebot der Buden und Verkaufsstände problemlos sichten kann. Was es da nicht alles gibt! Steckerleuchten für 10 Euro im Retro-Design (kultig!), Brettchen und Körbe aus poliertem Wurzelholz, jede Menge Schmuck, Schals, Buddha-Statuen, noch mehr Lampen, Räucherstäbchen, Aroma-Öl, weitere Schals, Wandschmuck in Schiefer mit Uhr drauf, noch mal Wurzeln mit „eingebauten“ Emaille-Gesichtern (hübsch!), Holzspielzeug, Baumschmuck, Kerzen und wieder andere Schals – manches gefällt mir sogar, doch bin ich, wie meistens, konsumbehindert: Ansehen ist ok, aber sobald ich daran denke, etwas von alledem nach hause zu tragen, sehe ich es bei mir herum stehen, Platz wegnehmen und heftig verstauben. Verrückt – oder allzu normal? Früher fehlte das Geld und ich beneidete die Leute, die sich alles Schöne leisten konnten, wonach es sie gelüstete. Heute könnte ich auch, zumindest ein bisschen, aber das Besitzverlangen ist weg!
Dinge los werden, die ich nicht mehr brauche oder nie brauchen konnte, entmüllen, ent-sorgen, entrümpeln ist mir soviel näher als „jagen & sammeln“, so dass sich schon beim zweiten Blick auf irgend ein „schönes Ding“ innere Stacheln aufstellen: noch so eine Last, noch so ein Staubfänger (ich putze NICHT gern!). Wieder so ein Teil, das ich JETZT nett finde, das aber definitiv keinen Nutzen hat außer dem, schön auszusehen? Nein! Es reicht völlig, was von selber rein kommt, indem liebe Menschen etwas mitbringen.
Gestern zum Beispiel der Kalender und die urige „Schatzkiste“, gefüllt mit lockenden Kalorienbomben. Ja, auch bei den vielen süßen und gehaltvollen Leckereien steht mir gleich vor Augen, wie mich deren Verzehr über mein Gewichtslimit (73 Kilo bei 165) heben wird: ZU VIEL ist das, wogegen ich an der Konsumfront kämpfe, deren Warenstrom aus 10.000 hübschen aber nicht gebrauchten Gegenständen mir manchmal vorkommt wie eine Monster-Welle, die nur ein Verhalten nahe legt: rette sich, wer kann! Ich schätze mal, 80 Prozent aller Dinge, die rund um Weihnachten gekauft und verschenkt werden, sind definitiv überflüssig: füllen Schrankwände und Kleiderschränke, verstopfen Regale, landen auf Hochböden oder im Keller. Was, wenn mal alles voll ist?
Fest des Schenkens
Weihnachten wird mittlerweile auch in Japan gefeiert, obwohl es dort nur 1% Christen gibt. Von den Ursprüngen des Festes wissen sie dort fast nichts, es gilt als „Fest des Schenkens“. Schon verrückt, dass die Feier zur Geburt jenes Jesus, der einst die Händler aus dem Tempel warf, nun als abendländischer „Potlatsch“ seine Globalisierung erfährt! Aber so kommt es immer: Buddha wollte auch nicht mittels Bildern und Statuen verehrt werden, doch wurde und wird niemand sonst so häufig in Stein, Holz, Messing, Bronze und Gips gegossen wie er.
Mit Geschenken und Mitbringseln aller Art will man zeigen, dass der Beschenkte einem etwas wert ist. Etwas kaufen, nett verpacken und mit besten Wünschen überreichen erscheint als einzig angemessenes Mittel, Zuneigung zum Ausdruck zu bringen – insbesondere, wenn es grade alle machen wie zu Weihnachten. Wochenende für Wochenende melden die Lokalnachrichten im Advent den Stand der Dinge an der Konsumfront, wer da nicht mithält, fühlt sich glatt als Deserteur. Das „Weihnachtsgeschäft“ gilt als Konjunkturbarometer, ein Minus gegenüber dem Vorjahr wäre ein böses Vorzeichen, nicht etwa ein Anzeichen der Einsicht, dass allzu viel „hübsches Zeug“ auch Last sein kann: gekauft, geschenkt, unterm Weihnachtsbaum gestanden und schon ein Entsorgungsproblem. Die meisten „Verbraucher“ haben ja schon alles, was sie brauchen bzw. irgendwann brauchen könnten, oft sogar doppelt und dreifach.
Doch unaufhaltsam drängt der nächste Strom schöner Dinge heran, versehen mit den besten Wünschen, Widerstand ist zwecklos. Der in all den angesammelten überflüssigen Dingen schier untergehende Messi ist nicht mehr sozialer Problemfall, sondern Leitbild der Gesellschaft. Ich finde, man sollte es ihm sagen.
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7 Kommentare zu „Gegenstände, die niemand braucht“.