Claudia am 21. Dezember 2007 —

Gegenstände, die niemand braucht

Gestern war ich bummeln: Tauentzien, Ku’damm, Weihnachtsmarkt an der Gedächniskirche. Die aufwändige Illuminierung der Shopping-Meile schert sich nicht ums Klima und beeindruckt mit Lichterketten und strahlenden Tierformen auf dem Mittelstreifen. „Fröhliche Weihnachten allen Berlinern wünscht die Wall GmbH“ schreit es in Leuchtschrift quer über die Straße, kaum trete ich aus der U-Bahn am Wittenbergplatz. Dem Klohäuschen-Hersteller verdankt die City-West ihr Weihnachtslicht – danke, danke, danke!

Noch ist es früh am Abend, es herrscht kein Gedränge, so dass ich das Angebot der Buden und Verkaufsstände problemlos sichten kann. Was es da nicht alles gibt! Steckerleuchten für 10 Euro im Retro-Design (kultig!), Brettchen und Körbe aus poliertem Wurzelholz, jede Menge Schmuck, Schals, Buddha-Statuen, noch mehr Lampen, Räucherstäbchen, Aroma-Öl, weitere Schals, Wandschmuck in Schiefer mit Uhr drauf, noch mal Wurzeln mit „eingebauten“ Emaille-Gesichtern (hübsch!), Holzspielzeug, Baumschmuck, Kerzen und wieder andere Schals – manches gefällt mir sogar, doch bin ich, wie meistens, konsumbehindert: Ansehen ist ok, aber sobald ich daran denke, etwas von alledem nach hause zu tragen, sehe ich es bei mir herum stehen, Platz wegnehmen und heftig verstauben. Verrückt – oder allzu normal? Früher fehlte das Geld und ich beneidete die Leute, die sich alles Schöne leisten konnten, wonach es sie gelüstete. Heute könnte ich auch, zumindest ein bisschen, aber das Besitzverlangen ist weg!

Dinge los werden, die ich nicht mehr brauche oder nie brauchen konnte, entmüllen, ent-sorgen, entrümpeln ist mir soviel näher als „jagen & sammeln“, so dass sich schon beim zweiten Blick auf irgend ein „schönes Ding“ innere Stacheln aufstellen: noch so eine Last, noch so ein Staubfänger (ich putze NICHT gern!). Wieder so ein Teil, das ich JETZT nett finde, das aber definitiv keinen Nutzen hat außer dem, schön auszusehen? Nein! Es reicht völlig, was von selber rein kommt, indem liebe Menschen etwas mitbringen.

Gestern zum Beispiel der Kalender und die urige „Schatzkiste“, gefüllt mit lockenden Kalorienbomben. Ja, auch bei den vielen süßen und gehaltvollen Leckereien steht mir gleich vor Augen, wie mich deren Verzehr über mein Gewichtslimit (73 Kilo bei 165) heben wird: ZU VIEL ist das, wogegen ich an der Konsumfront kämpfe, deren Warenstrom aus 10.000 hübschen aber nicht gebrauchten Gegenständen mir manchmal vorkommt wie eine Monster-Welle, die nur ein Verhalten nahe legt: rette sich, wer kann! Ich schätze mal, 80 Prozent aller Dinge, die rund um Weihnachten gekauft und verschenkt werden, sind definitiv überflüssig: füllen Schrankwände und Kleiderschränke, verstopfen Regale, landen auf Hochböden oder im Keller. Was, wenn mal alles voll ist?

Fest des Schenkens

Weihnachten wird mittlerweile auch in Japan gefeiert, obwohl es dort nur 1% Christen gibt. Von den Ursprüngen des Festes wissen sie dort fast nichts, es gilt als „Fest des Schenkens“. Schon verrückt, dass die Feier zur Geburt jenes Jesus, der einst die Händler aus dem Tempel warf, nun als abendländischer „Potlatsch“ seine Globalisierung erfährt! Aber so kommt es immer: Buddha wollte auch nicht mittels Bildern und Statuen verehrt werden, doch wurde und wird niemand sonst so häufig in Stein, Holz, Messing, Bronze und Gips gegossen wie er.

Mit Geschenken und Mitbringseln aller Art will man zeigen, dass der Beschenkte einem etwas wert ist. Etwas kaufen, nett verpacken und mit besten Wünschen überreichen erscheint als einzig angemessenes Mittel, Zuneigung zum Ausdruck zu bringen – insbesondere, wenn es grade alle machen wie zu Weihnachten. Wochenende für Wochenende melden die Lokalnachrichten im Advent den Stand der Dinge an der Konsumfront, wer da nicht mithält, fühlt sich glatt als Deserteur. Das „Weihnachtsgeschäft“ gilt als Konjunkturbarometer, ein Minus gegenüber dem Vorjahr wäre ein böses Vorzeichen, nicht etwa ein Anzeichen der Einsicht, dass allzu viel „hübsches Zeug“ auch Last sein kann: gekauft, geschenkt, unterm Weihnachtsbaum gestanden und schon ein Entsorgungsproblem. Die meisten „Verbraucher“ haben ja schon alles, was sie brauchen bzw. irgendwann brauchen könnten, oft sogar doppelt und dreifach.

Doch unaufhaltsam drängt der nächste Strom schöner Dinge heran, versehen mit den besten Wünschen, Widerstand ist zwecklos. Der in all den angesammelten überflüssigen Dingen schier untergehende Messi ist nicht mehr sozialer Problemfall, sondern Leitbild der Gesellschaft. Ich finde, man sollte es ihm sagen.

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Diskussion

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7 Kommentare zu „Gegenstände, die niemand braucht“.

  1. neulich habe ich gehört, dass bücher ganz vorn liegen in der hitliste der weihnachtsgeschenke – das finde ich positiv. ein buch ist meist was sinnvolles, und wenn man es nach dem lesen nicht mehr braucht, kann man es weiterverschenken, einer bibliothek geben oder weiterverkaufen. und man kann nicht viel falsch machen damit, wenn man ein bisschen überlegt, welche interessen der beschenkte hat. man kann ihm damit auch denkanstöße geben…

  2. Klar gibt’s auch sinnvolle Geschenke – selbst den Kalender und die Schatzkiste fand ich ganz lieb, ich schaue im Fall des Falles ja mehr auf den Schenker als das Geschenk. Aber einmal pro Weihnachten muss ich einfach vom Leder ziehen… :-))

  3. Wundert mich auch immer wieder, was manche Leute lieber besitzen als Geld…

    In unserer Familie haben wir zum Glück die unselige Schenkerei abgeschafft. Und meine Frau und ich auch die noch unseligere Fahrerei zur noch unseligeren Weihnachtsfeier in Hannover. Seither können wir uns über Weihnachten und die Vorweihnachtszeit sogar wieder freuen.

    @limone: Gerade kämpfe ich mich durch einige Veröffentlichungen, die ich für den Deutschen Science Fiction Preis (www.dsfp.de) lesen muss. Ich kann nicht behaupten, dass jedes Buch, das ich da lese, sinnvoll ist. Ganz und gar nicht!

    Gruß
    Ralf

  4. … ich erinnere mich, mal von einem Araber gelesen zu haben, wie er an jemanden des Westens schrieb: „Ihr fuellt eure Wohnraume mit so vielen alten Sachen, die niemand mehr braucht … wir fuellen sie mit Frauen und Kindern.“

    Und diese Aussage hat was. Wie sind manche Raeume einem Museum gleich. Hab das auch selber durchgemacht mit unserem Bed&Breakfast im Norden dieses Landes. Da kommen Gaeste, wegen deiner Gastfreundschaft, deines Fruehstueckes … aber vor allem wollen sie deinen Ramsch ansehen und darueber diskutieren. Nun, wir hatten gluecklicherweise einige sehr gute Stuecke aus dem alten Italien und England. (Von dem wir uns heute gottseidank trennten)

    Ich hatte eben zwei Erlebnisse. Da war ich gestern zum Lunch-Supper bei einer Familie in Alabama eingeladen. Hierzulande legen Leute sehr viel Wert auf eine kunstvoll hergerichtete Tafel. In diesem Sinne schaetzte ich denn auch den gedeckten Tisch, vorab was einem zum Essen vorgesetzt wurde, sich neben franzoesichen Spitzenkoechen durchaus sehen/schmecken lassen konnte. Aber weisst, schaute ich mich im Esszimmer rum, auch in den uebrigen Raeumen, kam mir heimlich das Grauen hoch. So viel Ramsch, auch Kitsch. Lichtmaessig mit kleinen Lampen und indirekter Beleuchtung ganz sicher kunstvoll eigerichtet … fuehlte mich wie in einem Museum, wo man nichts anruehren darf. Und das ist besonders hier im Sueden oft der Fall. Eben eine andere Lebensphilosophie.

    Vor zwei Wochen huetete ich das Haus und den Hund einer Bekannten. Ihre Raeume sind beinahe kahl. Beinahe weiss in weiss. Von den einzelnen Bildern an den Waenden, den wenigen Moebelstuecken kamen jedes einzelne so zur Geltung. Hattest beinahe das Gefuehl, dass dir dort jeder dieser raren Gegenstaende eine Geschichte erzaehlte. Es war mir dort richtig wohl … fuehlte mich wie in meiner imaginaeren schneeweissen Wolke, einem weiss-in-weissen Raum, der dir das Gefuehl des Schwebens verleiht. Eben so wie ich es in manchen italienischen Haeusern erlebte, du dich der Sonne naeher fuehlst, das Licht dich aufnimmt.

    Und ich schreibe dies alles … weil was du auf dem Markt gesehen hast, mich gar nicht mehr anmacht. Ich sehe dann immer wie es zuhause aussieht … ach zu den ewig herumliegenden Zeitungen und Zeitschriften, welche ich mit aller Kraft versuche aus den Zimmern zu verbannen, und dabei den Krieg gegen diese schon laengst verloren hab … da sollte ich noch all den Ramsch dazu stellen?

  5. Weihnachten ist eine schöne Zeit und da gehören Geschenke eben einfach dazu!! Genauso wie der Weihnachtsmarkt und unnötige Dinge. Die Freude beim kaufen und schenken und den Gedanken daran sollte nicht immer so runtergemacht und als dumme schenkerei bezeichnet werden!! Es lebe Weihnachten :-) Und nun allen ein frohes Jahr!

  6. @ houserocker: Ich gebe dir bedingt recht. Sich Geschenke machen, kann schoen sein. Sich dazu verpflichtet fuehlen, weniger, oder ist sogar eben unsinnig. Zu Weihnachtszeit gab es hier (USA) im Radio die Weihnachtsstation. Klar mit den 24 Melodien, die du schon laengst auswendig kennst, und die in immer weiteren Varianten gespielt werden. Und das 24/7. Dazwischen jede Menge Kommerz, was man sich alles schenken soll.

    Klar schenkt Paps der Mom dieses Jahr einen Mercedes, oder Lexus. Nicht dass der arme Mann dies schenkte, er hat sich neben der bestehenden Buerde nur noch die weiteren monatlichen Zahlungen aufgehalst. Wohlverstanden, das Werbebild ist ganz eindeutig, dass immer der Mann sowas schenkt. Und Kinder kriegen alle ihren Computer. Zu sowas muessen die armen Eltern einfach hinhalten, denn die Schule verlangt schon laengst, dass die Hausaufgaben auch durch die Kleinsten ueber den Computer abgwickelt werden.

    Was mir sehr zu denken machte, war ein Commercial: „Was willst du zu Weihnachten?“ Und dann beginnt das Kind alles aufzuzaehlen, was es will. Will und nicht etwa was es sich wuenschte. Und so sind denn hier auch Weihnachten. Am 25. morgens wird der riesige Haufen unter dem Weihnachtsbaum gepluendert. Es kann nicht schnell genug gehen, um die teils sorgsam selber, teils durchs Warenhaus verpackten Geschenke vom laestigen Papier zu befreien, sich den Inhalt anzusehen, und dann gleich zum naechsten Paket zu gehen. Von Dankeschoen kein Wort, denn das Kind hatte diese Sachen ja alle gewollt. Und hat es gekriegt! (Reden wir hier besser nicht von den Motiven, warum alle Forderungen des Kindes erfuellt wurden).

    Das ist der immer laenger gewordene Schatten zum weihnaechtlichen Licht. Und das mitzumachen, hatte ich/wir keine Lust mehr. Meine Allerliebste und ich hatten gottseidank sehr viel zu tun, meldeten uns freiwillig zur Arbeit uber diese Tage. Die Stunden zu Feierabend, bei (in den USA verbotenem) Kerzenlicht, gehoerten zu den schoensten. Ein festlich gedeckter Tisch zu einem einfachen Mahl … schauten uns in die Augen.

    Es war unser schoenstes Weihnachtsgeschenk!

  7. IHR SEIT ALLE BEHINDERT WER SCHENKT DEN BITTE BÜCHER MAN SCHENKT GELD UND DANN KAUFT DER GESCHENKTE SICH WAS

    GRÜß FICK EUCH IHR FREAK UND HARZ4 ENTFÄNGER