Wer aus persönlicher Sicht bloggt und sich selbst dabei nicht außen vor lässt, erzählt im Lauf der Zeit eine Menge über sich, über das eigene Leben, die persönlichen Haltungen und Meinungen. Normalerweise stehen die so veröffentlichten Details im Kontext der Artikel und sind einem bestimmten Zeitpunkt zuzuordnen: man muss schon sehr kontinuierlich mitlesen, um wirklich viel von den jeweils Bloggenden zu erfahren.
Derzeit geistert nun ein „Stöckchen“ durchs Netz, das für drastische Abkürzung sorgt, quasi Selbstdarstellung 3.0 im beschleunigten Verfahren. Das Mem heißt 20 Fakten über mich, ein zugegeben reizvoller Schreibimpuls, der viele zum Mitschreiben inspiriert. Auch ganz ohne dass jemand „das Stöckchen zuwirft“ schreiben immer mehr Menschen drauf los.
Hier eine mittellange Auswahl:
- 20 facts about me – das Nuf.
„Mein Mann musste mir schriftlich bestätigen, dass wir nach der Hochzeit nur noch den Hochzeitstag nicht aber unseren Jahrestag feiern werden. Ich hätte mir sonst zwei Daten merken müssen.“ - 20 Sachen über mich – die Kaltmamsell
„Privater Umgang mit Menschen fällt mir schwer, es gibt nur ganz wenige Menschen, in deren Gegenwart ich mich entspanne.“ - 20 Dinge über mich, die Sie wahrscheinlich schon ahnten, aber nicht zu fragen wagten – Anne Schüssler
„Bei längeren Autofahrten unterhalten sich der Mann und ich tatsächlich sehr oft über Systemtheorie und so Zeug. Allerdings sind wir auch schon fast 14 Jahre zusammen, und so eine Beziehung wächst ja mit den Gesprächsthemen oder so. Vielleicht auch andersrum, die Gesprächsthemen wachsen mit der Beziehung. Ach, was weiß ich.„ - 20 Fakten über mich – Johannes Mirus
„Ich finde es bis heute schade, dass ich nie ein normales Studentenleben geführt habe.“ - 20 überlebenswichtige Informationen – Meike Lobo
„Ich bin auf eine Weise fasziniert von Serienmord, die andere Menschen manchmal befremdet.“ - 20 Dinge über mich, die Sie nach Herzenslust egalen oder nichtsen können. Serotonic.
„Sobald ich sage, dass ich keinen Dreisatz kann, findet sich jemand, der gönnerhaft lacht und mir die Angelegenheit mal eben näherbringen will. Am Ende kauen wir beide kaltschweißig an unseren Fingernägeln. Es ist mir aber auch schon gelungen, mein Nicht-Verstehen im Rahmen eines solchen Erklärungsversuches auf den Erklärenden zu übertragen.“ - 20 Dingse über mich – Ellebil
„Ich übergebe mich äußerst ungern. So ungern, dass ich es in den letzten 15 Jahren genau zwei Mal gemacht habe.“ - 20 Dinge über mich – Juna im Netz
„Ich mag Menschen. Menschen sind zu den großartigsten Dingen fähig. Faszinierend!“ (Das merkt man auch an ihrem begeisterten Posting mit Links auf andere 20-Fakten-Blogger) - Blogvirus: 20 facts about me – Opas Blog
„Ich hätte nie gedacht, dass mir – und Oma – diese Bloggerei so viel Spaß macht. Nachdem mittlerweile auch der Tagesspiegel über Opas Blog berichtet hat, wird das, was von Einigen zuvor noch belächelt wurde, selbst von diesen inzwischen sogar ernst genommen.“ - 20 Facts about me + 6 Bonus-Facts! Michaela Albrecht
„Als ich 18 Jahre alt war, habe ich in einer Disco mal eine Handtasche geklaut. Ich wollte einfach wissen, wie es sich anfühlt, etwas zu stehlen. Es hat sich übrigens beschissen angefühlt. Ich habe der Frau daher alles wieder zurückgeschickt – aber ohne Absender.“ - 20 Facts about me – dieschlimmehelena
„Als Kind wollte ich Nonne werden, bis ich erfuhr, dass die keine Kinder haben können. Später wollte ich keine Kinder mehr. Aber Nonne war dann auch keine Alternative.“ - #20Dinge – Sacha Rottländer
„Stubenarrest kann auch sommers lichtlos auf Betongboden im Heizungskeller stattfinden.“ - der “20 facts about me”–virus – MissMenke
„Ich habe zwei Söhne, von denen einer nicht so sehr im Netz präsent sein möchte. Das geht manchmal so weit, dass er mich bittet, bei biografischen Angaben nur von einem Sohn zu sprechen, was wiederum zu Gelächter bei Sohn Nr. 2 und mir führt.“ - 20 fakten über mich – felix schwenzel
„ich sehe aus wie mein vater, nur unrasiert und unfrisiert.“ - 20 Fakten über mich – Jens Scholz
„Wenn was kaputt geht gewöhne ich mich eher daran, als für Ersatz oder Reparatur zu sorgen. Der Vorteil davon ist, dass ich keine Angst vor Verfall habe.“ - Was soll’s: ungefähr 20 Dinge, die Sie und ich nie wissen wollten – Lena Reinhard
„Ich war 20 Jahre lang Vegetarier und habe letztes Jahr damit aufgehört.“ - 20 Fakten über mich – ZweiFragezeichen / Carlin Hafen
„Als Kind dachte ich, die gelben Hinweisschilder für Erdgasleitungen wären dazu da um mit Aliens Kontakt aufzunehmen. Ich hab lange drauf herumgedrückt und es probiert. Die Arschlöcher haben mich bis heute noch nicht abgeholt.“ - Nennt mich Stöckchenusurpator! – Natalie Springhart / Gemischtwarenlädchen
„Meine geheimen Fantasien jedwelcher Art lassen sich am ehesten mit “All shall love me and despair!” umschreiben.“ - 20 Dinge über mich, die Sie … wahrscheinlich gar nicht wissen wollen – Trotzendorf
„Ich halte Melancholie für den wichtigsten Gemütszustand.“ - [Blog-Stöckchen]: 20 Dinge über mich – der Berberich
„Seltsam, wenn man eine solche Liste schreibt ergibt sich ein Gefühl, wie nach einem Vorstellungsgespräch: Hinterher fallen einem viel mehr Sachen ein, die man hätte sagen können. Danke fürs Lesen.“
So, ich hoffe, niemand fühlt sich durch meine Zitat-Auswahl auf den Schlips getreten! Auch diese Liste soll ja – genau wie die jeweiligen „20 Fakten“ – unterhaltsam sein, Interesse wecken und Lust aufs Lesen machen.
Nun könnte der Titel, den ich diesem Blogposting gab, vermuten lassen, dass ich solche Selbstdarstellungs-Listen kritisiere. Bewahre, ich hab‘ selbst schon jede Menge von mir erzählt, das gut in diese Form gepasst hätte. (Vermutlich hindert mich nur eine altersbedingte Scheu, nicht allzu eitel wirken zu wollen).
Dennoch ist es eine Überlegung wert, warum sich gerade jetzt, in Zeiten der Offenbarung fast totaler Überwachung, so ein „Stöckchen“ zum schier unabweisbaren Virus entwickelt, der täglich mehr Menschen infiziert. Ist es vielleicht der Versuch, das Bild der eigenen Person mittels einer Flucht nach vorne doch selber bestimmen zu wollen? Entgegen der „Profilbildung“ bei unübersichtlich vielen staatlichen und kommerziellen Akteuren zu sagen: SO BIN ICH – und nicht so, wie IHR vielleicht meint…
Tja, ich weiß es nicht.
***
Auch lesenswert:
Die Privatsphären-Falle – Michael Seemann
„Der Begriff Privatsphäre taugt nicht als Argument gegen Überwachung, weniger Privatsphäre macht offenbar niemandem Angst.“
[Und das hier ist ein Test, einfach ignorieren]
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16 Kommentare zu „Was die NSA vielleicht noch nicht wusste: 20 mal 20 Fakten – ein Blog-Virus“.