Thinkabout ist ein großes Malheur passiert: Beim Versuch einer Datensicherung hat er versehentlich die Festplatte formatiert, effektiv formatiert, nicht nur die Schnellversion. Alle Fotos aus vielen Urlauben während mehrerer Jahre sind weg – welch ein Verlust!
Wie würde es mir damit gehen? Meine Haltung zu den Ergebnissen kreativer Tätigkeiten ist widersprüchlich. Einerseits hab‘ ich mich irgendwann mal entschieden, mich von jeder Menge solcher Dinge zu trennen. Motiviert durch diverse Umzüge in jüngeren Jahren und der Tatsache, dass ich all das alte Zeug sowieso nie zweimal betrachtete, trennte ich mich von ganzen Schubladen voller Fotos, inkl. der „Negative“, die man in den Zeiten der Foto-Chemie noch massenweise hortete. Bilder und Dokumente mit historischem Wert (die z.B. bürgerschaftliches Engagement dokumentierten) gab ich bei einem Stadtteilhistoriker ab, der große Rest landete im Müll. Darunter auch eigene „Werke“ wie etwa die in vielen Schreibgruppen und Kursen verfassten Texte und Gedichte, Schulhefte und Hausarbeiten aus Uni-Zeiten, allerlei Projekt-Reader und kreative Ergebnisse diverser Engagements, Plakate, Flyer, in Volkshochschulkursen enstandene Zeichnungen, sowie sämtliche alten Liebesbriefe und sonstigen sentimentalen Andenken – alles musste raus!
Wer bin ich – ohne all das Zeug?
Ich fühlte mich gut dabei, war es doch ein bewusstes Statement gegen die Selbstidentifikation mittels Alt-Materialien: Wer bin ich, wenn alle Dokumentationen bisherigen Schaffens nicht mehr existieren? Muss ich Erinnerungen unbedingt festhalten, bzw. die Chance, mich zu erinnern, in Gestalt all dieser Dinge lebenslang horten? Wenn ich vergesse, dann soll das halt so sein! Warum zwanghaft festhalten, was war, auch wenn es lange schon vorbei ist? Was wirklich WICHTIG war, hat mich geprägt und ist zum Teil meiner Selbst geworden, auch wenn ich mich an Details nicht mehr erinne. Also weg damit, das Umziehen wurde dadurch auch sehr viel einfacher!
Was ich mit der Aktion „Hau-weg-den-Kram“ auch vermeiden wollte: eine alte Dame zu werden, die nurmehr in Erinnerungen schwelgt und jeden noch nahe stehenden Menschen mit Foto-Alben und „Geschichten von früher“ nervt. Die Vernichtung der Materialien sollte mich gar nicht erst in Versuchung kommen lassen, den „Blick zurück“ zur Freizeitbeschäftigung zu machen – und das hat ja bis heute immerhin geklappt.
Aber….
…ganz 100%ig hab‘ ich die „große Entsorgung“ nicht durchgezogen: ein einziges Fotoalbum mit Bildern aus der Zeit zwischen 19 und 29 hab‘ ich behalten, darin auch einen Umschlag mit unsortierten Fotos aus der Kindheit. Und vor ein paar Jahren hab ich einen Stapel Super-8-Filme meines verstorbenen Vaters „übernommen“ – mit der Idee, die irgendwann digitalisieren zu lassen und die alten Familienurlaubsfilme (Italien 62 bis 71!) nochmal anzuschauen. Vermutlich sind sie aber gar nicht mehr gut genug erhalten. Ich weiß es nicht, konnte mir das bisher auch einfach nicht leisten, bzw. meine Prioritäten beim Geld ausgeben sind definitiv andere.
Und noch etwas ist passiert, mit dem ich so nicht gerechnet hatte, was aber mein ganzes „Materialien-Regime“ wieder in Richtung „horten“ verändert hat: Seit ich einen PC besitze (ca. 1992) ist auf der Festplatte immer genug Platz! Kein Grund mehr, irgend etwas als Ballast zu empfinden und zu löschen. Dort kann ich also bei Bedarf „in alte Zeiten abtauchen“ und mir Texte und Webwerke aus den Kindertagen des Netzes anschauen (etliche davon sind auch online archiviert). Das Fotografieren hatte ich in jungen Jahren aufgegeben, doch sobald es erschwingliche digitale Kameras gab, war ich wieder dabei. Weniger, um Urlaube (die ich sowieso nur selten mache) zu dokumentieren, sondern um meine Umwelt abzubilden: seit 2006 sammeln sich so etwa zigtausende Fotos vom ersten und zweiten Garten. Und es täte mir verdammt leid, wenn die auf einmal alle weg wären!
ALLE wären immerhin nicht verloren, denn es gibt das wilde Gartenblog und diverse Speicher bei Flickr Google+ und Pinterest, wo so manches gelandet ist. Und auch mein Freund und Gartengefährte macht ja Fotos vom Garten…
So bin ich im vorgerückten Alter wieder milder geworden, was die Haltung zum Horten von Erinnerungsartefakten angeht. :-) Und fühle mit Thinkabout die Härte so eines Vollverlusts!
Vom Buch, das die Welt verpasst hat
Die Entsorgung der alten Sachen hab‘ ich übrigens nie bedauert – bis auf das eine Mal Anfang DIESES Monats, als sich rund um meinen Artikel „Wenn SIE nicht MEHR will – zur Tragik im Geschlechterkampft“ eine intensive Diskussion entwickelte. Da hätte ich das mit 26 Jahren verfasste Pamphlet „Frauen anmachen, aber richtig!“ doch gerne zur Hand gehabt, um zu schauen, was mir damals zu dieser so zeitlos brisanten Frage in die (noch mechanischen) Tasten floss. Ich war gerade nach Berlin gezogen und las oft die Kleinanzeigen der Stadtteilmagazine, insbesondere die vielen Partnersuchanzeigen. Zwar suchte ich nicht, sondern war mit Partner gekommen, doch erschien mir dieser Markt als tolles Umfeld, um so eine Schrift mit Erfolg zu vertreiben. Der Text wurde sogar fertig, doch scheiterte es damals noch an der Möglichkeit, ein „ordentliches Buch“ draus zu machen, ohne erst einen Verlag finden zu müssen. Selber drucken lassen war noch viel zu teuer.
So blieb meine „Botschaft an die Männerwelt“ in der Schublade. Ich fand sie vergleichsweise spät wieder und hätte sie behalten, wenn ich den Text gut gefunden hätte. Doch er langweilte mich beim Anlesen, also dachte ich nicht lange nach und klopfte ihn ebenfalls in die Tonne.
Vermutlich hat die Welt dadurch keinen großen Verlust erlitten! :-)
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29 Kommentare zu „Was, wenn alle Fotos auf einmal weg sind?“.