Ein bißchen spät, der Neujahrseintrag, aber mir war einfach nicht nach Diary in diesen stillen Tagen und Nächten, die so sehr zum nachdenklichen Nichts-Tun einladen. Und Nachdenken ist eigentlich auch schon zu viel gesagt, ich meine so ein inneres Verharren, schlichtes Aussetzen, das bloße Dasein genießen – es war jedenfalls schön!
Anders als in den letzten Jahren kommt jetzt allerdings kein Alltag zurück: mein liebster Freund ist dabei, auszuziehen und ich hole gerade Kostenvoranschläge für meinen Umzug in der letzten Januarwoche ein. (Braucht jemand zwei Bäderliegen? Ein fast unbenutztes Keyboard? Einen Jahrgang Internet World?) Am 15. gibt’s den Mietvertrag und Ende Januar werde ich umgezogen sein. Himmel, was für eine Veränderung! Zwar geht’s nur einen halben Kilometer weiter, über meine geliebte Modersohnbrücke mit dem tollen Weitblick auf die Skyline Berlins hinüber ins Rudolfkiez unterhalb der Oberbaum-City. Da es jedoch meine erste „Single-Wohnung“ seit zwölf Jahren sein wird, ist es doch eine große Umstellung – nicht mal einen Fernseher werde ich zu Anfang haben, mal gucken, vielleicht schaff‘ ich ja gar nicht erst einen an.
Hab ich Vorsätze? Fürs neue Jahr oder überhaupt? Ich wünsche mir, nicht so schnell von neuen Routinen verschluckt zu werden, das ist das einzige. Indem alles Gewohnte und lang Bekannte sich in letzter Zeit von mir verabschiedete, kommt ein anderes Lebensgefühl auf, das – wenn ich mich ihm zuwende – weit wunderbarer ist als alles, was mich „üblicherweise“ durch den Alltag begleitet. Der nächste Tag, die nächste Stunde, der nächste Augenblick kann das „ganz Andere“ bringen – es ist nichts Konkretes, einfach ein Gefühl, das mir sehr gut gefällt – es IST schon das Ganz Andere! Und doch werde ich vermutlich bald bemerken, dass ich wieder eine Reihe „verläßlicher Routinen“ einübe, die mich durch die Tage tragen, weil es einfach bequemer ist, sich nicht ständig mit dem „alles-ist-möglich“ zu konfrontieren. Mal sehen, vielleicht gelingt es ja, den Freiraum der „gefühlten Unsicherheit“ zumindest zu erweitern.
Und die Krise? Das soziale Netz? Der Standort? Ich kann alles in allem einfach nicht begreifen, dass hierzulande bei einem – verglichen mit vielen anderen Weltgegenden – geradezu obszönen Reichtum die Laune derart im Keller ist, und zwar nicht erst seit der „Krise“. Die Weinerlichkeit, das Selbstmitleid, das Gejammere, die ständigen Schuldzuweisungen an Andere, diese Mut- und Ideenlosigkeit – man hat allen Grund, ein Misantrop zu sein! Allerdings: seit kurzem macht es mir keinen Spaß mehr, und da ich bei meinem „Blick auf die Welt“ immer von mir ausgehe, hoffe ich, dass es nicht nur mir so geht. Zeiten der Veränderung sind doch auch sehr spannende Zeiten – und vielleicht ist der Konsumismus ja doch nicht das letzte Wort zur Frage nach dem richtigen Leben gewesen?
Mir scheint, heut‘ will mich die Muse nicht richtig liebevoll küssen, ich wende mich also besser dem zu, was anliegt: Steuer 2001, oh je! Knietief steh ich im Papierkram, noch zwei, drei Stunden vielleicht. Wie ich das hasse und deshalb immer wieder vor mir her schiebe, schrecklich!!!
Ich wünsch Euch ein wunderbares 2003 und freu‘ mich über gelegentliche „Besuche“ an dieser Stelle. Ach ja, ein interessanter Spruch ist mir in einem Mail-Footer begegnet: „flexible Weisheit wird genutzt, unflexible zur Schau gestellt…“ – es lohnt, darüber ein wenig zu meditieren.
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