Die dritte Woche in der neuen Wohnung. Einerseits fühl‘ ich mich, als wohnte ich schon sehr viel länger hier, so vertraut sind mir diese typischen Berliner Altbauzimmer: der zigmal übermalte Stuck an den Decken, die immer etwas zugigen achtteiligen Kastendoppelfenster, die beim Renovieren so wahnsinnig Arbeit machen, die angenehm großzügige Raumhöhe, die es langjährigen Bewohnern praktisch verunmöglicht, je wieder in einen Neubau zu ziehen – wie konnte ich nur allen Ernstes daran denken, in ein Hochhaus zu ziehen!
Andrerseits gibt’s kein Wasser in der Küche! Im letzten Diary-Eintrag war ich noch begeistert von der Instandsetzungswilligkeit der Hausverwaltung, die doch tatsächlich daran denkt, fast durchgefaulte Bodendielen zu erneuern. Nun aber zieht sich das bereits in die dritte Woche und noch immer ist kein Handschlag getan. Gelegentlich erscheint ein Handwerker, schaut sich alles an, berät mit dem Hausmeister und will angeblich einen Kostenvoranschlag machen – und dann höre ich nichts mehr davon. Es könnte mich kalt lassen, doch kann ich, solange die Bodendielenreparatur ansteht, keine Spüle aufstellen. In den ersten Tagen hab ich trotzdem noch ein bisschen gekocht und eben im Bad gespült, doch ist das eine ausgesprochen sperrige und umständliche Prozedur, da lasse ich es lieber ganz.
Hab‘ ich dann auch gemacht und so ist heute mein 13.Fastentag: Wasser, Kräutertee, je ein halber Liter Obst- und Gemüsesaft, dazu täglich 30 Gramm Honig. Nennt sich „Buchinger-Fasten“ und braucht weder Herd noch Spüle! Schon lang hatte ich vor, mal wieder zu fasten, bin dann aber doch nie dazu gekommen, fand den Einstieg nicht, fühlte mich dem Essen in all seinen Bedeutungen auch viel zu fest verbunden, als dass ich es hätte loslassen wollen. Jetzt bin ich froh, dass es geklappt hat, es ist wunderbar, mal ganz ohne diesen vielfältigen Zauber rund ums Essen auszukommen und sich auch noch wohl zu fühlen.
Das war nicht die ganze Zeit so. Ich litt phasenweise unter starken Konzentrationsmängeln, fühlte mich in den 10.000 Angelegenheiten, mit denen ich mich befassen sollte, könnte, müßte, geradezu am Versacken. Meine To-Do-Listen vervielfältigten sich und waren nicht mehr zu bewältigen – bis ich es mir erlaubte: Ok, bist halt mal unkonzentriert! Die Welt wird deshalb nicht wirklich gleich einfallen… und wie durch Zauberhand verwandelte sich der Leidenszustand in wohlige Gelassenheit, gepaart mit einer gewissen Neugier auf die weitere Entwicklung. Ja, immer wieder beeindruckt mich dieses Wunder, dass durch ein „Ja“ zu dem, was ist, die „gefühlte Negativität“ verschwindet, wegschmilzt wie der letzte Schnee an einem sonnigen Tag.
Nun hab ich gestern sogar meine Umsatzsteuervoranmeldung geschafft! Etwas, was ich immer gerne vor mir herschiebe und üblicherweise nur unter innerem Fluchen und Schimpfen zustande bringe. Im Diary dagegen, das ich immer mit Freude weiter schreibe, ist eine ungewöhnlich lange Pause eingetreten – ich konnte mich definitiv nicht für ein Thema entscheiden, nichts fesselte mich länger als ein paar Augenblicke und dann stand mir auch wieder die To-Do-List im Wege. Fakt ist, dass mein ganzes Leben, wie es noch bis vor kurzem war, sich aufgelöst hat. Alles ist neu und will erstmal erfahren werden, bevor ich drüber schreiben kann. Ich fühle die erstaunliche Freiheit, aber auch die Dringlichkeit, eigene Strukturen in ein Nichts hinein zu erschaffen. Alle Routinen haben sich verabschiedet, einschließlich der Rythmen, die das Kochen & Essen dem Tag aufprägt. Nun ist es nicht mehr damit getan, den Schwerpunkt auf „Beobachten“ zu legen oder auf die Befindlichkeit beim Einfach-so-weiter-machen. Da ist im Moment kein „einfach so“ mehr. Ich muß mich wirklich fragen, was ich eigentlich will und wie – ein recht neuer Gedanke, aber auch irgendwie abenteuerlich! Alles scheint möglich….
…aber immerhin ruft noch die Arbeit! Deshalb war es das für jetzt – möge die Sonne auf Euch scheinen, wenn nicht von außen, dann eben von innen!
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