Während die Top-Nachrichten der letzten Tage vor allem dem Prozess von Uli Hoeneß galten, spitzt sich das Desaster um die Ukraine immer weiter zu. Im Minutentakt kann man per „Ticker“ verstörende News lesen, etwa beim Focus:
+++ Russland feuert auf Aufklärungsflugzeug +++
+++ Ukraine: „Russland ist bereit zum Einmarsch“ +++
+++ Ukraine gründet freiwillige Nationalgarde +++
+++ Putin stationiert Kampfflugzeuge in Weißrussland +++
+++ Merkel: Putin hat die Krim „geraubt“ +++
+++ EU-Parlament verurteilt die „Aggression Russlands“+++
Was da abgeht, macht mir zunehmend Angst. Seit Wochen sehe ich mit einigem Entsetzen, wie fast alle unsere Politiker und Parteien gemeinsam mit der Mainstream-Presse den Konfrontationskurs gegen Russland voran treiben. Ganz so, als hätten wir nichts zu befürchten und sowieso alles Recht auf „unserer“ Seite. Dass sogar die GRÜNEN im Bund der Kriegstreiber mitmachen, anstatt sich um Deeskalation zu bemühen, macht mich fassungslos! Eigentlich hatte ich vor, sie bei der Europa-Wahl wieder zu wählen, doch jetzt sieht es so aus, als bliebe mir nurmehr die LINKE, die sich als einzige Partei der gefährlichen Spirale aus Drohungen, Sanktionen und dem Zündeln mit militärischen Optionen verweigert.
Dass nur eine Minderheit den Eskalationskurs mitträgt, ficht „die da oben“ wie so oft nicht weiter an: Im Konflikt um die Krim befürworten laut aktuellem ZDF-Politbarometer nur 26 Prozent der Deutschen die von der EU angekündigten Wirtschafts-Sanktionen gegen Russland. Dagegen sind 44 Prozent dafür, dass die Europäische Union ausschließlich mit diplomatischen Mitteln auf Russland einwirkt. Nur drei Prozent sprechen sich für eine militärische Unterstützung der Ukraine aus.
Und was machen die GRÜNEN? Anstatt zu versuchen, aus diesem großen Potenzial zusammen mit der Linken und außerparlamentarischen Gruppen eine neue Friedensbewegung anzustoßen, wollten sie allen Ernstes Gerhard Schröder per Europa-Parlament einen Maulkorb verpassen. Der hatte nur gesagt, was auch Helmut Kohl gestern verlautbarte: dass man die russischen Interessen ernst nehmen und die Zukunft am Verhandlungstisch gestalten soll, nicht mittels brachialem Vorgehen und ignorantem, bloß feindseligem Umgang mit Putin. Schröder hatte auch darauf hingewiesen, dass „wir“ im Jugoslawienkonflikt ja ebenfalls „das Völkerrecht gebrochen“ hätten, man sich mit dem erhobenen Zeigefinger also zurück halten solle.
Schwerer noch als dieser „Sündenfall“ wiegt für mich der Bruch des Versprechens, das Gorbatschow für sein Ja zur deutschen Wiedervereinigung verlangt und auch zugesichert bekam: dass die Nato sich NICHT weiter nach Osten ausbreiten werde, Russland also nicht in die jetzt nahezu vollständige „Umzingelungssituation“ (siehe Grafik in diesem Artikel) kommen solle. Mit dem „gemeinsamen Haus Europa“ und einer ordentlichen Perspektive für Russland ist es auch nichts geworden – wie kann man das nur alles ignorieren und mal eben auch noch die Ukraine in die EU, womöglich auch die Nato aufnehmen wollen?
Auf der Krim sind die Russen seit 200 Jahren, die Bevölkerung ist mehrheitlich russisch – ja verdammt, warum lässt man sie nicht einfach ziehen? Zu einer so brisanten Lage wie jetzt wäre es vermutlich gar nicht erst gekommen, hätte man rechtzeitig mit Russland „auf gleicher Augenhöhe“ verhandelt, um eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Antje Vollmer sagt in einem lesenswerten Interview über das Verhalten der GRÜNEN im UKRAINE-Konflikt:
„Mir scheinen, das sage ich mit großer Trauer, auch die Grünen sehr geschichtsvergessen. Sie agieren, als kennten sie kein Heute und Morgen, sondern nur den starken Moment der euphorischen Gesinnung. Das ist politischer Narzissmus, aber keine Lösung des realen Konflikts.“
Was wird denn vergessen?
„Derzeit wird an den Ersten Weltkrieg erinnert. Der ist auch deswegen ausgebrochen, weil Politiker sich leichtfertig in eine Fehleinschätzung der Lage hineingesteigert hatten. Von diesem Baum sind sie dann nicht wieder heruntergekommen. Die Grünen ähneln jetzt der SPD 1914. Im Augenblick ist es wichtig, die Politiker auf beiden Seiten des gerade wieder entstehenden Eisernen Vorhangs von diesen Bäumen der Hysterie wieder herunterzukriegen.“
Wer aber soll bzw. kann das tun, wenn sogar die GRÜNEN voll auf den Eskalationskurs setzen?
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Siehe auch:
- Schlagloch Russland-Berichterstattung: Im Zweifel für Zwischentöne – Die Darstellungen der Krim-Krise zeigen, dass glatte Geschichten von Gut und Böse fehlgehen. Putins Politik als illegitim darzustellen, ist falsch (Taz.de)
- Entpört Euch! Ein Plädoyer für die Rückkehr zur Realpolitik. (Handelsblatt)
- Lasst die Krim abstimmen – aber richtig (Süddeutsche)
- 3.Weltkrieg? Mir egal!
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28 Kommentare zu „Angst: Krim, Krieg, Grüne“.