Antje Schrupp schreibt in ihrem aktuellen Posting „Was das Scheitern der Piraten lehrt“ über die möglichen Gründe des piratischen Kenterns:
Ein wesentlicher Punkt scheint mir zu sein, dass viele in der Piratenpartei Macht und Politik verwechselt haben, beziehungsweise Macht als Ersatz für Politik verstanden haben. Und dass sich deshalb in ihrem Scheitern auch die Krise einer mit zu viel Männlichkeit aufgeladenen Parteienpolitik zeigt (was nicht dasselbe ist wie „zu viele Männer“, aber natürlich damit zusammenhängt), die auch symptomatisch für andere Parteien ist. Nur dass die – vermutlich durch ihre mehr oder weniger quotenbasierten Gegenstrategien – diesem Prozess nicht mit voller Härte ausgeliefert sind.
Unter „Macht“ verstehe ich hier eine Praxis, die eigenen inhaltlichen Anliegen durchzuboxen, indem man auf formale Möglichkeiten und Rechte zurückgreift und es darüber vernachlässigt, sich mit den Anliegen von politischen Gegner_innen und derem Begehren wirklich inhaltlich auseinanderzusetzen.
Wie allermeist finde ich Antjes Fragestellung spannend, deshalb poste ich meinen längeren Kommentar dazu auch hier:
Das Scheitern der Piratenpartei ist für mich ein erneuter Beweis, dass “Basisdemokratie” nur in überschaubaren Gruppen funktioniert, die genug Zeit und Lust haben, sich miteinander inhaltlich auseinander zu setzen. Nicht aber in landesweiten Parteien, deren Mitgliedschaft in die zigtausende geht!
Offenbar muss jede Generation diese Erfahrung einmal selber machen – insofern waren und sind die Piraten auf jeden Fall ein nützliches Lernfeld. Eine Partei braucht Strukturen, die es ermöglichen, Streitfragen zu entscheiden und damit auch zu den Akten zu legen. Natürlich auch mit der Folge, dann klar sagen zu können: diese Position gehört nicht zu unserem Parteiprofil und muss also draußen bleiben.
Statt dessen kochen sämtliche Probleme immer weiter vor sich hin. Die gelegentlichen Parteitage als einziges “oberstes Gremium” sind alles andere als demokratisch, da dort nur jene Piratinnen und Piraten entscheiden, die auch anwesend sind. Also immer nur ein kleinerer Teil der Mitglieder.
Das große piratische Versprechen einer “Liquid Democray” (Nachtrag: Ständige Mitgliederversammlung, SMV) wurde nicht umgesetzt – genau das aber war für viele eine große Hoffnung auf eine echte Veränderung des üblichen “Partei machens”. Doch alsbald versandete das Vorhaben im Streit zwischen den Datenschützern und den Transparenzlern, die sich nicht darauf einigen konnten, ob man bei Abstimmungen nun mit Klarnamen oder zumindest nachvollziehbarem Pseudonym mitbestimmen soll oder komplett anonym.
Das Feminismus-Thema war gleichwohl das erste, bei dem es “hart zur Sache” ging, wobei ich durchaus den Eindruck hatte, dass es den Piraten zu gutem Teil “von außen” augezwungen wurde. Sie reagierten allerdings mehrheitlich eher “weich”, was man an der großen Bereitschaft, Frauen in Ämter zu wählen und am “durchgendern” der Texte ja sehen konnte.
Als grundsätzlich problematisch zeigte sich auch die “gelebte Transparenz” bzw. die nicht mehr vorhandene Trennung zwischen privat und öffentlich. Jeder Furz, den jemand per Twitter abgelassen hat, wurde als “Äußerung eines Piraten/einer Piratin” geshitstormt und von der Presse gerne in anderen Öffentlichkeiten skandalisiert.
Die Konflikte, die zum Scheitern führten, sind insofern nicht genuin “piratische”, sondern solche, die sich aus dem Versuch, in Zeiten des Internets und der sozialen Medien “Politik 2.0″ zu machen, zwangsläufig ergeben. Zu geringe weibliche Mitgliedschaft oder fehlende “Patriarchen” erscheinen mit gegenüber diesen Mega-Themen als nachrangige Aspekte.
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8 Kommentare zu „Woran sind die Piraten gescheitert?“.