Während einer von Stefan Münz angezettelten Diskussion auf Google+, die sich thematisch schnell von ihrem Startimpuls („Springer-Chef Döpfner: „Wir haben Angst vor Google“) weg und über „Google“, „Monopole“, „Kapitalismus“ hin zur Lage der Menschheit insgesamt bewegte, kam mal wieder der „Plan B“ zur Sprache. Kann ja nicht ausbleiben, wenn man sich weitgehend einig ist, dass es kracht, wenn wir so weiter machen wie bisher – fast egal, welches Bündel an Hauptursachen und vermutlicher Zeit, die uns bleibt, den einander weitgehend fremden Gesprächsteilnehmern so vorschwebt.
Nun war das Mem „Plan B“ einigen Mitdiskutanten bereits insofern bekannt, als sie sich vor etlichen Jahren – in der euphorischeren Anfangszeit von Google+ – tatsächlich selbst daran gemacht hatten, einen „Plan B“ zu entwickeln. Einfach mal so aus einem Kommentar-Thread heraus, jedoch mit Umsteigen auf ein Google-Doc. Ja warum denn nicht? Wir haben ja länger schon Internet… :-)
Ich war zwar Feuer und Flamme für die Intention des Vorhabens (wer sucht heute nicht gerne nach Weltrettung?), hatte aber nicht den Schimmer einer Hoffnung, dass diese Herangehensweise etwas bringen würde. Was ja nicht wundert angesichts der Erläuterung, die Stefan Münz als „Moderator“ auf Rolf Todescos Erwähnung des „Plan B“ der unwissenden Mehrheit der Mitlesenden nachreichte:
„Vielleicht sollten wir die anderen Mitdiskutanten hier mal über die Backgrounds aufklären. Wir hatten vor etwa zweieinhalb Jahren – ausgehend von einer Google+-Diskussion mit ein paar Leuten eine Google Group eingerichtet, in der wir ganz in Ruhe eine neue Menschheitsverfassung entwickeln wollten, die als ein GoogleDoc gemeinsam bearbeitet werden konnte. Warum immer am hier und heute kleben, warum nicht mal versuchen, alles irgendwie anders und besser zu denken? Das war die Devise.
Die Gruppe gibts auch noch:
https://groups.google.com/forum/#!forum/verfassungen-verfassen
Bei uns war es damals so, dass wir uns nach einer Weile doch irgendwie verzettelt haben, einander nicht mehr so richtig folgen konnten in den Gedankengängen, und dann war da ja auch noch dieses „echte Leben“, mit Geldverdienenmüssen, Familie und so. Jedenfalls ist die Sache dort wieder eingeschlafen. Aber vielleicht gelingts ja trotzdem noch – es darf dort gerne weiter gerungen werden – und dann bekomme ich vielleicht auch mal wieder Lust öfters dort mitzumischen. Aber die Zündkerze spielen möchte ich eigentlich nicht :-)“
Wow, jetzt beim Verlinken der „Gruppe“ sehe ich, wie weit die Leute noch gegangen sind – so mit Herzblut und Textarbeit, Diskussion und Web/Netz-Konfiguration… Ich bin schon abgesprungen, als es noch nicht mehr gab aus 1,5 gefühlte DIN A4-Seiten eines Dokuments, das dann – wie ich jetzt sehe – noch deutlich gewachsen ist. (Es heißt „Entwurf einer Verfassung“ – hab es auch jetzt nicht weiter gelesen).
Warum das so nicht geht? Weil auch „Plan A“ kein PLAN ist, sondern ein Geschehen. Allerdings eines, das sich in seinen sämtlichen üblen Auswüchsen auf menschliches Handeln, Wollen, Sehnen und Entscheiden zurückführen lässt. Da ist kein Gott (der sich speziell um unser Schicksal kümmert) und auch keine Natur, der wir nur trauen bräuchten (die kommt gut ohne uns aus) – wir sind als ganze Menschheit wie auch als Individuum tatsächlich voll verantwortlich, zumindest unbezweifelbar ursächlich für dieses „dem Untergang beschleunigt entgegen rennen„, das wir als ab und an wache Individuum kaum übersehen können.
Gegen Plan A, der keiner ist, kann man nicht mit einem „Plan B“ antreten, der ernsthaft versucht, PLAN zu sein. Wir können uns in einer Debatte ja meist nicht mal mehr über die Bedeutung der Begriffe einigen, und bei jeder erdenklichen vorgeschlagenen Regel finden sich kreative Geister, die deren Kollateralschäden glaubhaft aufzeigen. Zudem kommen beim Begriff „Plan B“, wenn er im Kontext „Kapitalismus“ auftaucht, auch immer gleich Befürchtungen auf, dass möglicherweise die FREIHEIT beschränkt werden solle – und das geht ja gar nicht…
„Plan B“ muss genauso ein Geschehen sein wie „Plan A“. Er kann nicht ausgedacht, verabredet und durchgesetzt, sondern muss GELEBT werden. Damit meine ich jetzt NICHT die grüne Agenda ökologischeren und gesünderen Lebens, sondern die Art, wie wir Politik machen, machen wollen, sollten und könnten – in Zeiten des Internets. Wie wir es schaffen könnten, dieses krasse Lemminge-Verhalten zu beenden.
Dabei ist das wichtigste Wort das „wir“, nicht das „wie“. Im letzteren Bereich sind Menschen begnadet erfinderisch, wenn sie entsprechend motiviert sind. Da müssen wir uns keine Sorgen machen.
Das Problem ist das planetare „wir“, das so schwer mitfühlbar ist, weil unsere Psyche noch immer auf der Stufe eines Stammesbewusstseins verharrt: Die Anderen, die Fremden, die Leute da irgendwo im Rest der Welt sind uns nicht so nah und wichtig. Nicht mal der Wohnungsnachbar ist es ja noch, egal wie sozial und menschenfreundlich unsere Gesinnung „im Prinzip“ sein mag.
Da nun aber mehr und mehr Menschen in aller Welt Anschluss ans Netz bekommen, wird es immerhin möglich, bwz. POTENZIELL möglich, miteinander zu reden. Sogar im „richtigen Leben“ ist das länger schon leicht machbar, sei es im Kontext Migration, „Flüchtlingsstrom“ oder Tourismus. Dass wir trotz Abdankung der Gatekeaper nicht mal in Europa wirklich zu einem „großen Gespräch“ über Grenzen hinweg finden, ist bezeichnend für das Versagen in Sachen „wir“.
Wer aber soll die Welt retten wenn nicht wir?
„Hypertext als Utopie“ ist mir in den Sinn gekommen, weil ich – angeregt durch das Gespräch – ein altes Interview mit Stefan Münz nochmal las: Hypertext als vergessene Kunst. Da sagte Stefan:
„Hypertexting erfordert ein eigenes, andersartiges redaktionelles Arbeiten. In den meisten Redaktionen wird nur herkömmlich gearbeitet, eben so, wie du es beschreibst. Bei der Texterstellung wird nicht berücksichtigt, was es zu dem Thema bereits gibt im Web, der Text stellt sich selber nicht bewußt in den Kontext der anderen Texte. Die meisten neuen Texte sagen zwischen den Zeilen immer nur das eine: „jetzt komm ich, und ich bin das einzig Wahre, was zu dem Thema gesagt wird“. Gerade Magazine, die aus diesem Selbstbewußtsein ihr ganzes Daseinsrecht ableiten, tun sich schwer mit echtem Hypertext. Denn Hypertexting ist „kongeniales“ Arbeiten, ein Akzentesetzen im Bewußtsein, für ein großes Ganzes zu arbeiten, das nicht nur auf der eigenen Domain stattfindet.“
Ich übersetze mal, um zu zeigen, was mich dabei inspiriert hat:
„Plan B“ erfordert ein eigenes, andersartiges Leben und Arbeiten. Meist wird ja nur herkömmlich gearbeitet, eben so, wie du es beschreibst. Dabei wird nicht berücksichtigt, was es für das jeweilige Bedürfnis schon für – von anderen erarbeitete – Lösungen gibt. Man stellt das eigene Tun nicht bewußt in den Kontext des Handelns Anderer. Die meisten Aktivitäten wollen immer nur das eine beweisen: „jetzt komm ich, und ich bin das einzig Wahre, für das sich zu leben lohnt“. Gerade Organisationen und Gruppen, die aus diesem Selbstbewußtsein ihr ganzes Daseinsrecht ableiten, tun sich schwer mit „Plan B“. Denn „Plan B“ ist „kongeniales“ Arbeiten, ein Akzentesetzen im Bewußtsein, für ein großes Ganzes zu arbeiten, das weit mehr umfasst als die persönlichen Wohlfühlinteressen auf kurze Frist.
Tja, ob wir wohl noch rechtzeitig Hypertext-fähig werden?
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36 Kommentare zu „„Plan B“ oder Hypertext als Utopie“.