Dass es weit Besseres gibt als das, was wir vom deutschen TV gewohnt sind, ist mir erst bei Breaking Bad so richtig drastisch aufgefallen: eine unglaublich gute, vielfach preisgekrönte Serie, die die Entwicklung eines an Krebs erkrankten, gutbürgerlichen Chemielehrers zum rücksichtslosen Drogenboss zeigt. Spannende Charaktere, überraschende Handlungen, filmkünstlerische Elemente, die das Seh-Erlebnis steigern und nicht etwa nerven – ich war hin und weg! Bzw. bin es noch, denn mittlerweile bin ich am Anfang der fünften Staffel, sechs gibt es insgesamt.
Für mich war Breaking Bad der Einstieg ins Programm-unabhängige Serien-Gucken. Als nämlich Amazon die Prime-Mitgliedschaft um seine umfangreiche Videothek ergänzt hatte, bekam ich gefühlt kostenlos unverhofft Zugang zu unzähligen Filmen und Serien, darunter als besondere Perle eben auch die Breaking Bad-Staffeln. Mir ist das weit lieber als die Folgen irgendwo von dubiosen Quellen zu streamen, ich habs lieber bequem und werbefrei auf meinem auch noch nicht alten Internet-fähigen TV-Gerät.
Gewöhnlich schaue ich kaum Filme oder Serien im TV, nur der Sonntags-Tatort ist ein stabiles Element in meinem Medien-Leben. Nun lässt sich Tatort mit Breaking Bad eigentlich nicht vergleichen, da jeder Tatort eine abgeschlossene Geschichte erzählt. Breaking Bad entwickelt dagegen eine spannende Story über mehrere Staffeln, wobei sich auch die Charaktere deutlich verändern. Trotz dieser Vorbehalte behaupte ich mal: deutsche Krimis trauen den Zuschauern zuwenig zu. Meist ist in den Drehbüchern sonnenklar, wer gut und wer böse ist. Allenfalls wird mal gezeigt, warum jemand „böse“ geworden ist. Die einzigen über mehrere Folgen entwicklungsfähigen Figuren, die Kommissare, zeigen schon mal Ecken und Kanten, bleiben aber immer bei den Guten. Breaking Bad lässt die Zuschauenden dagegen die Metamorphose des Protagonisten (und Sympathieträgers!) Walter White zum Bösen hautnah miterleben. Man geht den Weg in den Abgrund quasi selber mit, was durchaus irritieren, evtl. verstören kann. Und neben großartigen Landschaften und verblüffenden Perspektiven enthält Breaking Bad auch filmische Zumutungen, die nur genießt, wer bereit ist, Szenen auch mal für sich stehend als kleine Video-Kunstwerke zu goutieren, anstatt stets zu fragen, was das wohl jetzt im Rahmen der aktuellen Handlung bedeuten mag. Sinnlos ist zwar keine Szene, nur erklärt sich manches eben erst später, manchmal sehr viel später. :-)
Game of Thrones
Nachden mich Breaking Bad „angefixt“ und meine undifferenzierten Vorurteile gegen „amerikanische Serien“ auf geradezu beschämende Weise abgebaut hatte, wagte ich mich an die Fantasy-Saga „Game of Thrones“. Stammleser Hardy wird sich erinnern, dass ich das zunächst wegen „zuviel Gewalt“ abgelehnt hatte. Zudem bin ich keine Fantasy-Freundin: das Versenken in allzu fantastische Anderwelten erscheint mir als Weltflucht und Zeitverschwendung. Dennoch wollte ich nun wissen was dran ist an dieser weltweit so überaus erfolgreichen Serie. Wenn schon Zitate wie „Winter is coming“ Eingang in Alltagsgespräche finden, dann MUSS das einfach was Besonderes sein.
Und ja, ich wurde nicht enttäuscht! Schier unglaublich, dass dieses gewaltige Epos mit seinen unterschiedlichen Schauplätzen und unzähligen Handlungssträngen vom amerikanischen Sender HBO fürs TV produziert wurde! Die Episoden haben durchweg Kino-Qualität: opulente Ausstattung, Liebe zum Detail, beeindruckende Landschaften, tolle Schauspieler. Schon das Intro ist wunderschön, optisch, inhaltlich und musikalisch. Kein Wunder, dass es bereits viele Cover-Versionen gibt (z.B. auf Violine, Chello, als 8-Bit-Spiele-Sound, als Harfen-Duett – und es gibt sogar eine Parodie darauf im Stil der 80ger und eine Version mit den Simpsons.
Umstritten: viel Sex und Gewalt
Meine Angst vor „zuviel Gewalt“ hat sich nur teilweise bewahrheitet. Die Gewaltszenen werden nie so ausgiebig gezeigt, dass man das Gefühl hat, sie seien speziell fürs perverse Delektieren an Grausamkeiten und Verstümmelungen gedreht (wie man etwa bei der Leichenfledder-Serie „Bones“ vermuten könnte). Es ist nun mal eine mittelalterliche, barbarische Welt, die da gezeigt wird, in der die Drecksarbeit des Tötens und Mordens noch kaum mit Distanzwaffen und Giftspritze, sondern mit vollem Körpereinsatz, mit Hackebeil, Schwert und auch mal mit bloßen Händen verrichtet wird. (Dass kürzlich zum wiederholten Male Videos vom Journalisten-Köpfen von der ISIS-Terrortruppe durch die sozialen Medien gereicht werden, zeigt im Übrigen, dass die Barbarei auch 2014 nicht aus der Welt ist, ganz im Gegenteil.) Die Gewalttätigkeiten im Zuge der Kriege, Schlachten und Überfälle der verschiedenen Adelshäuser und wilden Stämme wirken jedenfalls im Rahmen der Story immer stimmig. Dass da auch ein paar Sadisten durch die Staffeln turnen, deren schauerliches Tun man gelegentlich mitbekommt, ist zwar eine Herausforderung für empfindliche Gemüter (zur Not schau ich mal kurz weg…), doch meiner Begeisterung für die Geschichte insgesamt konnten sie nichts anhaben.
Dass GOT auch sexuelle Gewalt zeigt, wurde vielfach kritisiert. So schrieb Jürgen Schmieder in der Süddeutschen:
„Game of Thrones“ verschiebt die Grenzen noch mehr, weil sexuelle Gewalt nicht wie etwa bei „Downton Abbey“ als grausame Tat eines Einzelnen oder als singuläres Verbrechen gezeigt wird, sondern als fast normaler Bestandteil der menschlichen Beziehungen. George R. R. Martin, der Autor der bisweilen noch expliziteren Romanvorlage und teils auch der Drehbücher zu „Game of Thrones“, wehrte sich in einer E-Mail an die New York Times gegen die Kritik: „Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt sind Teil eines jeden Krieges, der jemals geführt wurde, von den alten Sumerern bis heute. Diese Aspekte bei einer Geschichte über Krieg und Macht auszulassen wäre falsch und unehrlich“, schrieb er.
Kunst entwickelt sich seit jeher durch das Brechen von Tabus und die explizite Darstellung unschöner menschlicher Aspekte. Durch die aktuelle Debatte wird die Wirkung von „Game of Thrones“ auf den Zuschauer verdeutlicht. Die Serie berührt ihn nicht – sie springt ihn an, sie tut ihm weh.
Ja, manches tut weh bei Game of Thrones, doch waren es eher nicht die wenigen kurzen Vergewaltigungsszenen, die bei mir gelinde Schock-Effekte auslösten, sondern andere. Dass auch die gewaltfreien Sex-Szenen und „zu häufige Nacktheit“ kritisiert wurden, wundert mich angesichts des Zeitgeists nicht. Da es Leute gibt, die sämtliche Nacktszenen einer Staffel hintereinander schneiden, weiß ich jetzt, dass es während der vierten Staffel insgesamt 6 Minuten und 11 Sekunden Nacktheit zu sehen gab, verteilt auf 10 Episoden á 60 Minuten. Wem das zuviel ist, sollte „GOT“ halt nicht gucken.
Was mir besonders gefällt
Was das Verhältnis der Geschlechter angeht, so glänzt Game of Thrones durch viele starke Frauengestalten, die tragende Rollen spielen und – genau wie wichtige männliche Figuren – immer mal wieder unerwartet zu Tode kommen. Es sind fast durchweg interessante, sehr unterschiedliche Charaktere, die von Movie-typischen Frauenbildern auch gewaltig abweichen dürfen – wie etwa die kampfkräftige, zwei Meter große Brienne of Tarth, die in einer dekadenten Welt voller Schurken und zwielichtiger Charaktere als Einzige die alten Ritter-Tugenden hoch hält. Dasselbe gilt auch für die Männer: der kleinwüchsige Tyrion Lennister ist zum Glück bis jetzt (Ende 4.Staffel) noch am Leben. Er wurde im Lauf der Ereignisse so sehr zum Sympathieträger, dass ich drei Wochen aussetzte, bevor ich mir die Folge anschaute, von der ich fälschlicherweise annahm, er werde nun auch dran glauben müssen.
Ich merke gerade, wie schwer es ist, in der „Kürze“ eines Diary-Artikels ‚rüber zu bringen, was mir an der Serie so unglaublich gut gefällt. Unter anderem ist es ähnlich wie bei Breaking Bad: oft gibt es keine klare Trennung zwischen gut und böse, genau wie in unserer Welt. Es wird hier kein altes Märchen erzählt: vieles kann man quasi zwischen den Zeilen als eine Art Spiegel verstehen, den der Autor des „Liedes von Eis und Feuer“ uns Heutigen vorhält. Der globale Kampf um Macht und Ressourcen ist ja nicht etwa „von gestern“ – und dass „gut gemeint“ nicht immer auch gut ist, davon können wir wohl alle ein Lied singen! So befreit etwa die schöne Khaleesi, die ebenfalls Anspruch auf den Thron erhebt, auf ihrem langen Weg an die Macht ganze Städte von der Sklaverei, um dann zu erleben, dass viele Befreite mit der Freiheit gar nichts anfangen können, sondern sich „ins Elend gestürzt“ sehen.
Ach ja, bevor ich es vergesse: die Fantasy-Elemente der Story bleiben in sehr erträglichem Rahmen. Zwar gibt es Drachen (ganze drei), ein paar Riesen, eine Magierin und alte Götter, die (sehr selten) aus Bäumen sprechen. Es gibt Wiedergänger, einen drei-äugigen Raben und unbeschreibliche „weiße Wanderer“ hinter der großen Mauer aus Eis, die die sieben Länder vor ihnen schützt. All das spielt aber nicht die Hauptrolle und verschafft (bisher) keiner der kämpfenden Parteien Macht genug, um die anderen zu besiegen. Die übernatürlichen Phänomene sind jedoch, wenn sie denn auftreten, großartig umgesetzt, perfekt animiert und teilweise wirklich neu.
Alles in allem hat mich die Serie dazu angeregt, mir die Bücher auf englisch für den Kindle zuzulegen – eindeutig die preiswerteste Variante und eine gute Gelegenheit, besser englisch lesen zu lernen.
Irgendwie muss man die Wartezeit bis zur 5.Staffel ja überbrücken… :-)
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Meine Bezugsquellen (Werbelinks):
Per Amazon Prime instant video kam ich ohne Aufpreis an „Breaking Bad“. Für die ersten drei Staffeln „Game of Thrones“ hab ich hier je 22,99 und für die letzte 23,99 bezahlt – nach Preisvergleichen, die ergaben, dass das die günstigste legale Variante für mich war.
Und hier Band 1 bis 4 als Kindle-Book:
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5 Kommentare zu „Von Breaking Bad zu Game of Thrones – Serien, wie sie das deutsche TV nicht hinkriegt“.