Mal wieder in die Sauna, das war einer der Punkte auf meiner Liste der Strategien gegen den Netzfrust. Im Unterschied zu den anderen ist dieser Vorsatz immerhin leicht umzusetzen. In Friedrichshain gibt es zudem eine wundervolle Kiezsauna. Da war ich also heute wieder mal – sogar ohne Eintritt zu bezahlen, denn ich hatte noch ein voll gestempeltes Bonusheft.
Es gibt da ein Dampfbad, eine Bio-Sauna und eine große „Finnische“. Wie immer war ich zuerst im Dampfbad, das grade mal so groß ist, dass vier Leute gemütlich und sechs deutlich zu eng sitzend rein passen. Zwei Frauen waren schon drin, so Twentysomethings, die sich laut unterhielten und damit auch nicht aufhörten, als ich mich dazu setzte – möglichst weit in die Ecke und gleich in eine „versunkene“ Haltung verfallend, damit ich sie nur nicht störe. Ich schloss die Augen, machte auf „dösend“ und lauschte ihrem Geplauder, das ich auch bei bestem Bemühen in dem kleinen Raum nicht hätte ausblenden können.
„Ja, wenn man mal so eine Woche ohne einander ist, fehlt einem was. Da werde ich dann gleich offener für Andere, das merke ich schon.“
„Kann ich verstehen, geht mir auch so, ich flirte dann eher so rum“.
„Ja genau. Es ist sowieso die Frage, was wird. Er wird auch nächstes Jahr wieder nur den 30%-Job kriegen, und nächstes Jahr wieder und wieder – wenn überhaupt. Da ist einfach keine Perspektive drin, er kommt einfach nicht mit sich klar!“.
„Man muss sich halt dann irgendwann fragen, wie lange man da noch dabei sein will…“
„Solange es nicht nervt, dass er nicht mit sich klar kommt, gehts ja. Aber wenns anfängt zu nerven…“
Ich will mich erholen, entspannen, abschalten, rufe ich mir in Erinnerung, nicht in anderer Leutes Abgründe schauen. Einfach ignorieren… und ja, sie stehen endlich auf und verlassen das Dampfbad.
Selber bleibe ich noch ein bisschen, irgendwie wird mir gar nicht richtig warm, bzw. nicht so „zu warm“, dass ich weiß, dass ich jetzt auch ‚raus sollte. Ein Warmduscher-Dampfbad ist das hier, vielleicht immer schon eins gewesen? Keine Ahnung – auch ohne Hitze-Druck verlasse ich den feuchtwarmen Ort, dusche kurz, pausiere 10 Minuten und betrete dann die „Finnische“. Ein großer Raum, der gewiss über 30 Leute fasst, ca. 10 sitzen und liegen auf den drei Etagen verteilt. Drei Männer, sechs Frauen, ein Sternchen, das man auch als weiblich mit ungewöhnlich burschikosen Körperformen lesen könnte. Zwei der Frauen um die 70, ein Mann mittleren Alters mit Tattoos, wie sie zu Zeiten des Arschgeweihs in Mode waren, der Rest geschätzt um die 30.
Normale nackte Menschen – eine Wohltat!
Neben dem Wellness-Aspekt ist mir das Betrachten normaler (!) nackter Menschen in der Sauna eine Freude. Nirgends sonst kann man den Eindruck besser zurecht rücken, den Werbe- und Film-Welten von den Körperformen der Mitmenschen verbreiten, als in einer gemischten Sauna! Hier sieht NIEMAND so aus wie die runter gehungerten und fitness-gestählten Gestalten, die uns da fast ausschließlich gezeigt werden – schön! Auch die jungen Frauen, die auf ganz natürliche Art wunderschön sind, wirken nie so „normschön“. Und noch nie hab‘ ich in der Sauna eine Figur mit zum Restkörper nicht mehr passendem Kunstbusen gesehen (vielleicht vertragen die Implantate die Hitze nicht?).
Die Saunierenden in dieser Runde sind angenehm still. Wie immer gibt es zur vollen Stunde den Aufguss, dieses Mal von einem Mann ungemein lasch zelebriert, eine Stunde später dann von einem Mädel „mit Schmackes“ verabreicht. Aber beide ermunterten die Anwesenden vorab: „Wenn es jemandem zuviel wird, einfach raus gehen!“ Noch vor fünf Jahren war es ein absolutes NoGo, während des Aufgusses die Sauna zu verlassen, denn das zerstört durch die einfallende Kaltluft das Aufguss-Erlebnis für alle. Natürlich ist dennoch niemand sitzen geblieben, wenn der Kreislauf schlapp machte! Mittlerweile muss das wohl extra angesagt werden. Tja, Warmduscher-Zeiten…. Sicherheit ist oberstes Gebot.
Im Ruheraum liege ich auf der besten Bäderliege, die es gibt (mit flexiblen Schnüren als Auflage!). Ich hab‘ das mal recherchiert, doch ist diese Liege nicht nur gut, sondern auch teuer, so dass ich sie mir für den Garten nicht leisten konnte. Ein Blick in die Runde zeigt: sieben von zehn Leuten lesen ein Buch oder Magazin, niemand nutzt ein Handy oder Tablet (geht vermutlich auch nicht in diesem einstigen Kellergewölbe). Ich hab‘ nicht mal eine Brille mitgenommen, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen.
Nach dreieinhalb Stunden hab‘ ich genug. Genug vom Rumliegen, Dösen, Saunieren, Abkühlen, Füße baden. Es war mal wieder schön, aber es hat mich nicht so stark berührt wie früher. Ich müsste wohl etwas weniger werden, so kilomäßig. Dann kämen Hitze und Kälte wieder besser an mich ran.
Zuletzt sei noch erwähnt, dass diese Art „Kiezsauna“ eine ostdeutsche Tradition ist. In den alten Bundesländern gibt es nur Mega-Wellness-Spassbad-Sauna-Landschaften oder die Sauna im Fitness-Center – keine kleinen überschaubaren Saunabetriebe für die Öffentlichkeit im Wohnumfeld. Es war also definitiv nicht ALLES schlecht in der DDR… :-) Ich bin jedenfalls froh, dass sich die kleinen Saunas hier halten können!
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3 Kommentare zu „Selfcare: In der Sauna“.