Grade hab‘ ich die erste ernsthafte „To-Do-List“ geschrieben seit ich wieder zuhause bin. Alle Arbeit dieser ersten Woche war ein eher chaotisches Rumwuseln und Werkeln, reagieren auf das, was sich in den Vordergrund drängt, nicht etwa ein in die Zukunft gerichtetes planvolles Tun. Der Wechsel aus tropischer Hitze in den recht winterlichen deutschen Frühling, dazu die über die Medien herein dräuenden deutschen Stimmungen und Probleme waren als Eindrücke schon ganz für sich so spektakulär „anders“, dass ich mich auf einer ganz basalen Ebene einfach „geplättet“ fühlte und gar nicht erst versuchte, großartig aktiv zu sein.
So langsam lässt das nun wieder nach. Ich bin tatsächlich „angekommen“ in meinem Berliner Heimbüro, doch anders als vor der Reise stehe ich inmitten einer Leere. Kurz nach der Ankunft beschrieb ich den Zustand analog zur Gangschaltung als den Moment mit getretener Kupplung, bevor man den neuen Gang einlegt: Nicht hier, nicht dort, aus allem draußen.
In den ersten Tagen war das angenehm, geradezu selbstverständlich, eine nötige Pause, um den Wechseln zu verarbeiten. Jetzt drängt sich mehr und mehr die Frage auf, welchen Gang ich denn nun einlegen will, einlegen sollte, wollte, könnte, müsste?
Der nächste Kick lässt auf sich warten
Der Vergleich hinkt insofern, dass ich natürlich mein tägliches Geschäft weiter betreibe: die Brotarbeit muss getan werden und wird auch getan. Allerdings hab‘ ich es in meinem gesamten bisherigen Arbeitsleben darauf angelegt, den Bereich der routinierten „Brotarbeit“ klein zu halten und immer mehr von und mit dem zu leben, was aktuell Gegenstand meiner Begeisterung ist. Und im Moment fühle ich keinerlei Begeisterung für irgend etwas. Zwar weiß ich, dass sie sich in der Regel einstellt, sobald ich mich auf eine konkrete Arbeit einlasse, zum Beispiel eine neue Website gestalte. Diese kleinen „Flows“ im konzentrierten Tun meine ich jetzt aber nicht, sondern so ein über das Alltägliche hinaus weisendes Sehnen und Wünschen (manchmal auch Fürchten), das zum Beispiel mit der Reise nach Kambodscha verbunden war, solange sie noch in der Zukunft lag.
Es fehlt mir die Aussicht auf den nächsten Kick, wenn ich es mal genau anschaue. Um Zukunft zu gestalten, braucht es Wünsche nach Veränderung, doch grade fällt mir so gar nichts ein, was ich gerne anders hätte. Mein Ehrgeiz, JEMAND zu sein, ist nicht mehr besonders groß, jedenfalls keine Ressource mehr, aus der ich ständig die Kraft und Lust zur LEISTUNG schöpfen könnte, wie das früher so leicht ging. Ab und an kommen mir zwar Ideen, was die Welt noch brauchen könnte, doch sackt der Teil der Begeisterung, der vor allem damit glänzen will, regelmäßig schnell wieder weg. Der Blick wird realistisch und sieht den erforderlichen Aufwand, die Ungewissheit einer wie immer gearteten Rendite – und nimmt Abstand von der Umsetzung, denn sooooo wichtig und nötig ist das ja nun doch nicht und ich hab‘ ja schon ohne neue Projekte EIGENTLICH jede Menge zu tun. So dümpelt meine unternehmerische Ader schon seit einiger Zeit vor sich hin, und im Moment – inmitten der Leere – sind große Vorhaben sowieso wenig reizvoll.
Wenn die Erde fehlt
Ich würde mich mit solchen Gedanken gar nicht aufhalten, wenn ich den wilden Garten noch hätte. Der bot täglich ein „Ziel“ in fußläufiger Nähe, brachte mich in Kontakt mit der Erde, den Pflanzen und Tieren, gab Gelegenheit, mich körperlich zu bewegen. Er rettete mich vor der Virtualisierung, vor dem Abdriften in Missbefindlichkeiten, die allein aus Gedanken entstehen. Die „Sehnsucht nach dem nächsten Kick“ taucht nicht auf bzw. ist etwas zum drüber lachen, wenn man nur mal ein bisschen Kompost sieben braucht, um diese Verstiegenheiten aus der Seele zu entlassen.
Das alles ist nun weg. Vor der Reise haben wir den Garten abgeben müssen, da der Nachbar das Grundstück gekauft hat und nun in einen Parkplatz verwandelt. Weil das seit letzten Sommer bekannt war und ich viel Zeit hatte, mich an den Gedanken zu gewöhnen, ist meine Trauer über den Verlust jetzt nicht besonders heftig. Mir kocht keine Wut hoch, wenn ich sehe, dass der neue Besitzer schon die ersten Bäume gefällt hat. Es ist sogar besser, dass etwas passiert, denn wenn der Garten noch unberührt wäre, wäre er ja „theoretisch“ noch nutzbar. Anstatt drastischer Wut und Trauer bemerke ich allerdings zunehmend den tatsächlichen Verlust, den Mangel dessen, was der Garten mir gegeben hat: reales Leben diesseits der Welt der Zeichen, Texte, Bilder und Gedanken. Und das TÄGLICH, nicht nur während eines Wochenendausflugs.
So umfängt mich also die Leere und ich bin gespannt, was sich daraus ergeben wird.
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7 Kommentare zu „Ein Gefühl der Leere“.