Claudia am 02. April 2008 —

Ein Gefühl der Leere

Grade hab‘ ich die erste ernsthafte „To-Do-List“ geschrieben seit ich wieder zuhause bin. Alle Arbeit dieser ersten Woche war ein eher chaotisches Rumwuseln und Werkeln, reagieren auf das, was sich in den Vordergrund drängt, nicht etwa ein in die Zukunft gerichtetes planvolles Tun. Der Wechsel aus tropischer Hitze in den recht winterlichen deutschen Frühling, dazu die über die Medien herein dräuenden deutschen Stimmungen und Probleme waren als Eindrücke schon ganz für sich so spektakulär „anders“, dass ich mich auf einer ganz basalen Ebene einfach „geplättet“ fühlte und gar nicht erst versuchte, großartig aktiv zu sein.

So langsam lässt das nun wieder nach. Ich bin tatsächlich „angekommen“ in meinem Berliner Heimbüro, doch anders als vor der Reise stehe ich inmitten einer Leere. Kurz nach der Ankunft beschrieb ich den Zustand analog zur Gangschaltung als den Moment mit getretener Kupplung, bevor man den neuen Gang einlegt: Nicht hier, nicht dort, aus allem draußen.

In den ersten Tagen war das angenehm, geradezu selbstverständlich, eine nötige Pause, um den Wechseln zu verarbeiten. Jetzt drängt sich mehr und mehr die Frage auf, welchen Gang ich denn nun einlegen will, einlegen sollte, wollte, könnte, müsste?

Der nächste Kick lässt auf sich warten

Der Vergleich hinkt insofern, dass ich natürlich mein tägliches Geschäft weiter betreibe: die Brotarbeit muss getan werden und wird auch getan. Allerdings hab‘ ich es in meinem gesamten bisherigen Arbeitsleben darauf angelegt, den Bereich der routinierten „Brotarbeit“ klein zu halten und immer mehr von und mit dem zu leben, was aktuell Gegenstand meiner Begeisterung ist. Und im Moment fühle ich keinerlei Begeisterung für irgend etwas. Zwar weiß ich, dass sie sich in der Regel einstellt, sobald ich mich auf eine konkrete Arbeit einlasse, zum Beispiel eine neue Website gestalte. Diese kleinen „Flows“ im konzentrierten Tun meine ich jetzt aber nicht, sondern so ein über das Alltägliche hinaus weisendes Sehnen und Wünschen (manchmal auch Fürchten), das zum Beispiel mit der Reise nach Kambodscha verbunden war, solange sie noch in der Zukunft lag.

Es fehlt mir die Aussicht auf den nächsten Kick, wenn ich es mal genau anschaue. Um Zukunft zu gestalten, braucht es Wünsche nach Veränderung, doch grade fällt mir so gar nichts ein, was ich gerne anders hätte. Mein Ehrgeiz, JEMAND zu sein, ist nicht mehr besonders groß, jedenfalls keine Ressource mehr, aus der ich ständig die Kraft und Lust zur LEISTUNG schöpfen könnte, wie das früher so leicht ging. Ab und an kommen mir zwar Ideen, was die Welt noch brauchen könnte, doch sackt der Teil der Begeisterung, der vor allem damit glänzen will, regelmäßig schnell wieder weg. Der Blick wird realistisch und sieht den erforderlichen Aufwand, die Ungewissheit einer wie immer gearteten Rendite – und nimmt Abstand von der Umsetzung, denn sooooo wichtig und nötig ist das ja nun doch nicht und ich hab‘ ja schon ohne neue Projekte EIGENTLICH jede Menge zu tun. So dümpelt meine unternehmerische Ader schon seit einiger Zeit vor sich hin, und im Moment – inmitten der Leere – sind große Vorhaben sowieso wenig reizvoll.

Wenn die Erde fehlt

Ich würde mich mit solchen Gedanken gar nicht aufhalten, wenn ich den wilden Garten noch hätte. Der bot täglich ein „Ziel“ in fußläufiger Nähe, brachte mich in Kontakt mit der Erde, den Pflanzen und Tieren, gab Gelegenheit, mich körperlich zu bewegen. Er rettete mich vor der Virtualisierung, vor dem Abdriften in Missbefindlichkeiten, die allein aus Gedanken entstehen. Die „Sehnsucht nach dem nächsten Kick“ taucht nicht auf bzw. ist etwas zum drüber lachen, wenn man nur mal ein bisschen Kompost sieben braucht, um diese Verstiegenheiten aus der Seele zu entlassen.

Das alles ist nun weg. Vor der Reise haben wir den Garten abgeben müssen, da der Nachbar das Grundstück gekauft hat und nun in einen Parkplatz verwandelt. Weil das seit letzten Sommer bekannt war und ich viel Zeit hatte, mich an den Gedanken zu gewöhnen, ist meine Trauer über den Verlust jetzt nicht besonders heftig. Mir kocht keine Wut hoch, wenn ich sehe, dass der neue Besitzer schon die ersten Bäume gefällt hat. Es ist sogar besser, dass etwas passiert, denn wenn der Garten noch unberührt wäre, wäre er ja „theoretisch“ noch nutzbar. Anstatt drastischer Wut und Trauer bemerke ich allerdings zunehmend den tatsächlichen Verlust, den Mangel dessen, was der Garten mir gegeben hat: reales Leben diesseits der Welt der Zeichen, Texte, Bilder und Gedanken. Und das TÄGLICH, nicht nur während eines Wochenendausflugs.

So umfängt mich also die Leere und ich bin gespannt, was sich daraus ergeben wird.

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Diskussion

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7 Kommentare zu „Ein Gefühl der Leere“.

  1. Wir werden noch dieses Jahr unseren Wohnsitz veraendern. Nach acht Jahren in einem sehr grossen Haus mit 36 Zimmern und 20.000 m2 Land, derzeit aber auf allerkleinster Flaeche lebend, ist unser Ziel eine Wohnung. Hier oder in Europa. Die man abschliessen, und dann einfach auf Reisen gehen kann. Aber da seh ich meine Allerliebste, mit zersaustem Haar und gartenerdeverschmutzten Haenden … und einem gluecklichen Laecheln im Gesicht. Es kommt Nachbar’s Katze, die uns Gesellschaft leistet, und Frau Hund mit Schnauze zwischen ihren Pfoten … Ist es, was wir wollen? In eine Wohnung ziehen? Bequem waer’s, einfach den Schluessel abzuziehen und weggehen. Was aber dann mit dem gluecklichen Gartenlaecheln …? Was ist es, was wir im Leben wirklich brauchen?

  2. Das ist eine sehr gute Frage! Was brauchen wir wirklich im Leben? Anerkennung? Oder einfach nur Zukunft? Wie wichtig ist der Raum in dem wir unser Leben verbringen? Die Bequemlichkeit siegt fast immer!

  3. @Mohnblume: Eine Wohnung „hier oder in Europa“ sagst du so lapidar – ich fass es nicht!! :-)) Das ist ja wohl der Gipfel der gerühmten amerikanischen „Mobilität“!! Für mich wär es schon ziemlich undenkbar, nach Zehlendorf oder Marzahn zu ziehen (zwei Stadtteile gänzlich anderer Art innerhalb Berlins) – und für dich ist ganz „Europa“ ein möglicher Wohnort – wow!!!
    In „Europa“ würde sich sicher auch ein kleines Haus mit Garten finden – in einer Wohnung würde deine Liebste sicher sehr viel entbehren! Warum willst du überhaupt weg???

  4. @Dara: Bequemlichkeit und ihre Bekämpfung ist – zum Glück – für mich meist kein Thema. Nicht, weil sie mir fremd ist, sondern weil sie aus meiner Sicht nur eine Folgeerscheinung ist, keine Ursache an sich. Geht man genug in sich, zeigt sich irgendwann doch wieder „die Flamme des Begehrens“ – manchmal ist das sogar eine Frage des Wetters oder anderer, im einzelnen nicht bewusster Faktoren. Plötzlich geht dann wieder alles „wie von selbst“… (toi toi toi!)

  5. Die Bequemlichkeit kann nur siegen, wenn man nicht genug Selbstdisziplin zeigt. Man muss sich einfach nur selber in den Hintern treten und das arbeiten zur Routine werden lassen.

  6. @Jacques: unterschiedlicher könnten Intentionen kaum sein! Wenn Arbeit ganz zur Routine wird, verliere ich das Interesse. Es geht dann nur noch ums Geld verdienen, was für mich (sobald mal die Grundversorgung gesichert ist) alleine kein Motiv ist, mich mit der Sache noch freiwillig weiter zu befassen. Ich halte dann Ausschau nach neuen, spannenderen Herausforderungen.

    Mit „Selbstdisziplin“ ändert sich jedenfalls an der MOTIVATION (die Flamme des Begehrens) gar nichts! Sie kann höchstens Mittel sein, um die „Brotarbeit“ über die Bühne zu bringen und/oder ständige Übung, um z.B. den Tag oder die Woche sinnvoll zu strukturieren.

  7. … es geht mir wie Claudia. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung, ein weiterer Schritt ins Unbekannte. Nur so macht mir die Arbeit Spass. Und hab ich die Routine im Griff, kommt irgendwann der Gedanke, wie man Dinge anders, oder besser handhaben kann. Auch als einfache Lohnempfaengerin, wie ich es derzeit bin. Es ist einfach der Spass, die Herausforderung! Das Grinsen, wieder eine Klippe geschafft zu haben. Aber ebenso ein Grinsen, wenn die Sache schief geht. Beides hab ich hinter mir.

    Man koennte nun sagen, dass ich aus der Vergangenheit nicht lernen koenne. Das hat sicher seine Bereichtigung. Aber am Ende meines Lebens muss ich, und nur ich alleine, auf meine Jahre zurueckschauen.

    Nicht viel anders geht es mir – Claudia – mit der Wahl des Wohnortes und der entsprechenden Dauer. Klar gibt es unterschiedliche Motive, die das Herumzigeunern verursachen koennen. ((… oder musst nur mal die Steuern nicht bezahlen *grins*)) Mal in Paris leben? Oder Italien … oder Deutschland? Sind die Lebensbedingungen in unseren Breitengraden nicht aehnlich? Ist es ein so grosser Unterschied, in welchem Teil Europa’s du lebst? … Kaum. Im einen hast hoehere Heizkosten, im anderen bist du mit einer viel konservativeren Gesellschaft konfrontiert. Hinzu kommen Mentalitaetsverstaendnisse. Musst mit denen halt fertig werden … ist denn auch wie eine neue Herausforderung. Die erst noch Spass macht.

    Beispiel: Hier in den USA ist die Sache mit den Steuern eine recht ernste Sache und du tust gut daran, dich an die Richtlinien zu halten. Im suedlichen Teil Europas meinte mal ein Steuerberater zu mir: „Der Staat vermutet, dass du ihn betruegst. Deshalb betruegt dich der Staat. Also warum betruegst du ihn nicht?“

    Jeder Tag kann eine neue Herausforderung sein. Wie wunderbar. Und wie schrecklich diese Routine, durch welche die Farben verblassen, alltagsgrau werden und einem doch so abstumpfen laesst.

    Schon klar, ich koennte mir mein Leben einfacher gestalten. Warum tu ich es nicht? Waere doch logisch!