Claudia am 25. November 2014 —

Wie Hamster im Rad – eine Warnung von Juli Zeh

Anlässlich einer Krankenversicherung, die günstigere Beiträge für sich selbst überwachende und Daten übermittelnde Kunden anbietet, führte Karin Janker in der Süddeutschen ein Gespräch mit Juli Zeh, das es in sich hat und weit über das Thema „Versicherung“ hinaus reicht. Zitat:

„Die Menschen haben Angst. Wir haben noch immer nicht gelernt, mit der persönlichen Freiheit umzugehen, die uns die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts beschert hat. Je mehr Möglichkeiten uns das Leben bietet, desto lauter klingt uns der Imperativ der Leistungsgesellschaft in den Ohren: Mach bloß keinen Fehler! Sei fit! Jung! Hübsch! Gesund! Leistungsfähig! Dann bekommst du Vorteile – Schnäppchen-Preise bei der Krankenkasse, vielleicht eine Beförderung im Job, ein längeres Leben. Als sei „Glück“ ein Ziel, das sich erreichen lässt, wenn man sich nur an die Regeln hält. Die Leute merken gar nicht, dass sie sich verhalten wie ein Hamster im Rad.“

und

„Menschen ändern automatisch ihr Verhalten, wenn sie überwacht werden. Jeder kann das an sich selbst beobachten. Es reicht, wenn ein Auto anzeigt, wie viel Sprit es gerade verbraucht – schon fahren wir schonender. Steht ein Mensch vor einer Kamera, versucht er, ein liebenswertes oder cooles Gesicht zu machen. Der Mensch ist ein Sozialtier, und soziale Ordnungen beruhen immer auf Hierarchien, also Rankings. Je mehr wir „vermessen“ werden, desto mehr werden wir verglichen. Und desto stärker gehorchen wir Mechanismen, die wir in Wahrheit nicht selbst kontrollieren, weil sie von Krankenkassen, Arbeitgebern, Schulen oder Sicherheitsbehörden entwickelt und angewendet werden.“

Aus: „Wir werden manipulierbar und unfrei“, SZ, 24.11.14

“‘
Schade, dass Kommentare bei der SZ fast ganz abgeschafft bzw. in Mini-Reservate verdrängt und auf vorgegebene, nicht unbedingt tages-brisante Themen eingedampft wurden. Unter diesem Gespräch hätte ich gerne Leserkommentare durchgesehen!

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Diskussion

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25 Kommentare zu „Wie Hamster im Rad – eine Warnung von Juli Zeh“.

  1. Danke für den Hinweis auf das Interview, ist mir doch glatt entgangen.
    Aber: Da ich die Autorin sehr mag und „Corpus delicti“ auch schon im Theater gesehen habe: Sie heißt Juli und nicht Julia! ;-)

  2. @ Ole: Das habe ich gar nicht gelesen, dass Claudia den Namen falsch geschrieben hat. Für mich ist Juli Zeh Juli Zeh, auch wenn man sie Julia schreibt. ;o)

    Und Juli hat recht, wie so oft. Sie gehört für mich mittlerweile zu den führenden intellektuellen Köpfen Deutschlands. Leider sieht es so aus, dass sie mal wieder (fast) alleine dasteht und mahnt.

    Das Dilemma, dass man sich dem „Trend“ nicht oder nur radikal entziehen kann, hat Juli gut benannt. Ich denke da oft drüber nach, schon allein deshalb, weil ich zu jener Gruppe Menschen gehöre, die dann eine hohe Prämie bezahlen müssen, wenn sich dieses (Haha!) Geschäftsmodell durchgesetzt hat. Ich habe keinen Zweifel, dass das passieren wird.

    Die einzige Hoffnung die ich habe, ist, dass die Mühen des Hamsterrades irgendwann so groß werden, dass die Leute massenhaft aussteigen und nicht mehr mitmachen. Aber das wird wie immer eine Weile dauern und ob ich das miterlebe, steht in den Sternen.

  3. @Ole: Ich hab den Namen korrigiert, danke!

    @Olaf: dieser ganze Selbstoptimierungswahn ist m.E. die Folge der immer mehr zunehmenden Machtlosigkeit des Individuums in der Politik und der Wirtschaft. Ich kann mittlerweile auch diese ganzen „Lebensratgeber-Seiten“, das „Coaching“ fürs selbst zu machende glücklichere und bessere Leben nicht mehr lesen. Es nervt, und kaum jemand kritisiert die damit kolportierte und geradezu „eingepeitschte“ Egozentrik. Werbeslogans „Weil ich es mir wert bin“, „Unterm Strich zähl ich“ spielen die Begleitmusik zur Entsolidarisierung. Nochmal Juli:

    „Längst verlieren die meisten Menschen den Sinn für Solidarität. Sie fragen: „Warum soll ich für den Bluthochdruck von dem fetten Kerl da aufkommen? Soll der doch weniger essen!“ Die Leute fangen an zu vergessen, dass persönliche Freiheit nicht aus individueller Höchstleistung resultiert, sondern aus gemeinschaftlichem Zusammenstehen. Denn Freiheit braucht Absicherung, und die gibt es nur durch Solidarität. Der Selber-Schuld-Gedanke macht uns alle unfrei.“

    Es bleibt bzgl. der Versicherung zu hoffen, dass es den Leuten alsbald sauer aufstößt, wenn sie mal eine Zeit lang mitgemacht haben. Wie ich das sehe, ist es ja so, dass viele „Selbstoptimierer“ und auch alle, die das nicht so nennen, sondern sich mittels Ernährung etc. um „gesund leben“ oder „abnehmen“ bemühen, zwischen den Methoden zappen, phasenweise dies, dann wieder jenes praktizieren.

    Da stört dann schon (hoffentlich!), dass sie nicht wissen, was die Versicherung „gesund“ findet, bzw. merken, dass das von eigenen Vorstellungen u.U. abweicht. Große Streitfragen wie etwa die, ob kohlehydratlastige oder eiweißlastige Ernährung gesünder ist, sollten/müssten ja dann von der Versicherung entschieden werden – wie absurd! (Und alle, die es um die 50/60 per Marathon-Lauf der Welt nochmal zeigen wollen, würden auf dem falschen Fuß erwischt, wenn die Versicherung ganz „objektiv“ den Marathonlauf mit Minuspunkten und Zuschlägen beantwortet!)

    Und noch etwas: wenn man dann krank, alt, behindert oder arm wird, oder einfach nur im Leben mal andere Priotitäten setzt oder setzen muss – dann wird man mit teureren Beiträgen „belohnt“, toll!

  4. “Warum soll ich für den Bluthochdruck von dem fetten Kerl da aufkommen?“

    Ich find diese Frage erst mal nicht verkehrt Nun kann Bluthochdruck viele Ursachen haben, und so kann ich mir gut vorstellen, dass für einige Ursachen mein Solidargefühl auf einen 0 Punkt fällt, für andere ich dagegen bereit bin, den mir möglichen Beitrag zu leisten.

    Solidarität ist ein weites Feld und leider ohne eigenen Automatismus NICHT gegen Missbrauch geschützt. Und durch Missbrauch verringert sich die Anspruchsmöglichkeit der tatsächlich Bedürftigen.

    Nun geh`ich davon aus, das Frau Juli Zeh zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu den „Bedürftigen“ gehört und ihre Aussagen auch nicht der emotionalen Befürchtung unterliegen, in naher Zukunft eine Person zu sein, die auf die Solidargemeinschaft angewiesen ist.

    „Denn Freiheit braucht Absicherung, und die gibt es nur durch Solidarität.“
    Definitiv ist die Solidarität, die wir derzeit in der Bundesrepublik als Absicherung erhalten, ob durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, auch in Form von Hartz IV, nicht dazu geeignet, ein Gefühl von „Freiheit“ auch nur annähernd entwickeln zu können. Das sich dabei entwickelbare Gefühl dürfte das eines Bittstellers/Bettlers entsprechen.

    Aber kann/muss Solidarität überhaupt den Anspruch erfüllen, dass alle über das gleiche Lebensrepertoire verfügen?

    Solidarität ist für mich ein Notlaufprogramm, dass Menschen zusammenbringt und hält, wenn Schieflagen auftreten. Es kann immer nur Einzelne oder kleine Gruppen über einen absehrbaren Zeitraum untersützten/auffangen.

    Tritt eine gesamtgesellschaftliche Schieflage auf, die existenzbedrohend für die Mehrzahl ist, so ist Solidarität nur noch eine Seifenblase von gestern.

    Dann werden wir zum Wolf. So jedenfalls aus dem Dialog des gestern Abend gezeiten „Zeughaus“ im ZDF:

    Herr Gärnter, KZ-Häftling in Mauthausen, im Dialog zu einer französischen KZ-Überlebenden im Vorfeld der Nürnberger Prozesse:

    Herr Gärtner: „Wie haben sie überlebt?“

    „Ich hatte Arbeit. Auf der Krankenstation. Es war warm und trocken.“

    Herr Gärtner: „Man überlebt, indem man lernt, andere zu überleben.
    Iss dein Brot, und wenn möglich, das deines Nächsten.
    Nimm dir den leichten Stein, soll ein anderer mit dem schweren stürzen.
    Greif dir den guten Schuh, soll sich ein anderer blutige Füße holen….
    Jeder ist des anderen Wolf“

    „Ja!“

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich „Freiheit“, die auf dem dünnen Brett der Solidarität schwankt, mir jemals eine wirklich innere „Freiheit“ zu geben in der Lage wäre.

    Ich kann mir dafür aber gut vorstellen, solange ich selbst Teil einer Solidarität bin, meine Vorstellung von „Freiheit“ ruhen zu lassen.

  5. Es ist erstaunlich, wie aus dem Thema des Anfangsartikel plötzlich eine Debatte über Solidarität wurde.

    Zum Thema Solidarität fällt mir ein, daß es eine Affenart gibt, die solidarisch den Angehörigen ihrer Gruppe Essen verfügbar macht, ohne etwas davon zu haben. Das hat eine Versuchsanordnung gezeigt.
    Es gibt also Affen, die machen das: Die unterstützen ihre Art ohne jedes persönliche Interesse.
    Wieso machen wir das „nicht mehr“? Eine gute Frage.
    Offenbar ist uns etwas abhanden gekommen.

  6. @Menachem: du meinst also, wir hätten seit den NullerJahren eine „gesamtgesellschaftliche Schieflage“?? In Zeiten immer höherer Steuereinnahmen und beschleunigtem reicher werden der Reichen?

    „Aber kann/muss Solidarität überhaupt den Anspruch erfüllen, dass alle über das gleiche Lebensrepertoire verfügen?
    Solidarität ist für mich ein Notlaufprogramm, dass Menschen zusammenbringt und hält, wenn Schieflagen auftreten. Es kann immer nur Einzelne oder kleine Gruppen über einen absehrbaren Zeitraum untersützten/auffangen.“

    Das ist bereits die Denke NACH der neoliberalen Umstrukturierung von allem und jedem. Es war nicht immer so, noch gar nicht lange her! Und es ist traurig, wie gut diese schier unmerkliche aber wirksame Gehirnwäsche funktioniert und sich verbreitet hat… „unterm Strich zähl ich“ und ähnliche Werbeslogans sind nur ein kleiner Aspekt davon aber eines unter vielen Symptomen,

    was ich meine, führte etwa Antje Schrupp in ihrem letzen Posting aus:

    Was wirklich an HartzIV falsch war.

    Nämlich dass die Solidarität auf einmal nicht mehr Sicherung des Lebensstandards als Ziel hatte, sondern eben nurmehr das, was du beschreibst: nur denen „ganz unten“ wird noch geholfen. Das wirkt massiv zurück auf alle „oberhalb“ dieser Grenze. Sie müssen jetzt koste es was es wolle im Laufrad strampeln, denn sie wissen: ihnen hilft keiner, bevor sie nicht auch dort angekommen sind. Einen „Freiheitsgewinn“ sehe ich darin nicht, sondern das Gegenteil.

    Selbst in der Gesundheitsversorgung kann man Armut wieder an den Zähnen erkennen – das war nicht immer so!

    @Gerhard: Ja, da ist uns etwas abhanden gekommen, bzw. es wurde uns genommen und wir sind auch noch so folgsam, uns das als „das einzig Richtige/Gerechte“ einreden zu lassen, ja selber zu vertreten!

  7. Eigentlich geht es doch um das zunehmend fehlende Verständnis darüber, wie Solidarität und Freiheit miteinander zusammen hängen und wie sehr das Eine das Andere bedarf.

    Die persönliche Freiheit braucht, wenn ich Juli richtig verstehe, die Hilfe anderer, eigentlich die Hilfe aller. Will sagen: man kann nur dann wirklich frei sein, wenn man auch sicher ist. Ich bspw. klettere gerne, wegen Faulheit aber leider nicht regelmäßig. Wenn ich aber klettere, kann ich mich nur deshalb frei und sorglos in der Wand bewegen, weil unten jemand steht, der mich sichert.

    Würde mich jemand fragen, weshalb er für den Bluthochdruck von dem fetten Kerl da aufkommen sollte, würde ich ihm antworten, dass der fette Kerl ja auch für seinen Sportunfall oder einer anderen eventuell ernsthaften Erkrankung aufkommt. Der Eine hat die Freiheit Sport zu machen und sich dabei zu verletzen oder „abzunutzen“, der Andere hat die Freiheit zu viel zu fett zu essen und danach sitzen zu bleiben.

    Ja, das Beispiel hinkt und es ist fraglich, ob es ein Gleichgewicht zwischen zu dicken Kranken und (ehemals) sportlich aktiven Kranken gibt, aber darum geht es nicht. Es geht darum nicht alles und jeden miteinander zu vergleichen, bemessen und in Konkurrenz zueinander stellen zu wollen. Diese Strategie ist absurd, vor allem aber ist sie von gestern.

    Würde man eine Umfrage machen, ob Konkurrenz oder Kooperation besser für Wirtschaft und Gesellschaft ist, wäre es wohl die Kooperation, für die sich die meisten Menschen mit Herz und Verstand entscheiden würden. Sie lägen damit richtig und würden von der Wirtschaft bestätigt, die immer mehr und öfter miteinander in Kooperation arbeitet, bspw. wie die Autoindustrie, die konkurrierende Marken auf gleichen Plattformen und mit identischen Motoren verkauft.

    Hier offenbart sich wieder so ein Widerspruch unserer Gesellschaften, der sich eigentlich ganz leicht auflösen ließe, woran gewisse Kreise, hier bspw. die Versicherungen, aber kein Interesse haben.

    Kooperation ist ein Kind der Solidarität und Versicherungen sind die Plattformen, auf denen die Menschen mit ihren Beiträgen solidarisch miteinander kooperieren können. Das Problem ist, dass Versicherungen eigentlich Verwalter dieser Plattformen sein müssten, in der Realität aber lediglich nur Milchkühe für Spekulanten sind. An dieser Stelle liegen die wahren Ursachen für das Geschäftsmodell von Generali und allen, die dem noch folgen werden.

    Die Konsequenz ist, dass die Versicherungen, also Unternehmen, mehr und mehr Details über das Leben des Einzelnen erfahren und früher oder später bestimmen werden, was richtig ist und was nicht. Und die Versicherungen werden mehrfach „die Gewinner“ sein. Sie kassieren von vorne was sie können und pressen von hinten die Rechnungen, die sie zahlen müssen. Sie bekommen unsere detailliertesten intimen Daten, deren hoher monetarer Wert kaum abzuschätzen ist und die ihnen ein viel zu viel an Macht über uns in die Hände gibt.

    Das aber wollen wir nicht wahrhaben, weil uns der von unserem Wirtschaftssystem anerzogene Optimierungswahn den Blick verstellt. Obendrauf kommt, dass auf unseren Köpfen Scheuklappen sitzen die verhindern, dass wir erkennen, wenn die Gesellschaft, wenn Menschen, gespaltet werden. „“Warum soll ich für den Bluthochdruck von dem fetten Kerl da aufkommen?”, „Flüchtlinge wollen es sich doch nur in unserer sozialen Hängematte bequem machen.“, „Ausländer nehmen uns Jobs/Frauen/Autos weg“ usw. usf..

    Wir sitzen da, hören uns das an und fühlen uns machtlos. Weil das kein denkender Mensch glaubt und auf Dauer aushält, haben wir uns die Scheuklappen aufgesetzt. Ich finde das nur verständlich, geht es mir doch oft genug genauso.

    Aber die Scheuklappen fokussieren unseren Blick auf das Wesentliche, nämlich auf das Geld und den eigenen Vorteil – und genau das nutzen die Versicherer aus um uns den Kakao schmackhaft zu machen, durch den sie uns später, jeden einzeln und ganz individuell, ziehen wollen. Marketingtechnisch gesehen ist das genial.

    Das ist es, was diese Entwicklung so gefährlich macht, was Juli meint und wovor ich ehrlich gesagt, ziemlichen Schiss habe. Denn dieses System, was da installiert werden soll ist nicht nur ein System um Menschen zu spalten, es ist vor allem ein System, was Menschen aussortieren wird. Denn wenn es sich eine Versicherung erlauben kann, in das Leben des Individuums einzugreifen, weshalb sollten sie das Gleiche nicht auch mit der Gesellschaft also solcher tun?

    Ich merke selbst, dass das wie eine Verschwörungstheorie klingt, aber wenn ich schaue, wie viel Einfluss einzelne Konzerne auf die Politik haben, dann halte ich so ein Szenario für durchaus möglich.

    Ärgerlich an der ganzen Sache finde ich nur, dass die Widersprüche und Problem relativ einfach gelöst werden könnten. Es bräuchte einfach nur ein bisschen mehr Solidarität.

  8. Auch wenn ich es nicht so benennen würde, ist es doch so, wie Claudia es schreibt:
    „..die unmerkliche aber funktionierende Gehirnwäsche.“

    Was ich allerdings in den letzten Tagen gehört habe ist, das sich nicht nur bei den Deutschen dieses Gefühl verstärkt meldet, sondern auch in den anderen europäischen Ländern.

    Ich habe für mich das Gefühl, dass die Bürger nur noch lästige Anhängsel der regierenden Kaste sind, die es ruhig zu stellen gilt.

    Was sind das für Zeiten, in denen Anschaffungen über 2000,00 Eur nicht mehr bar bezahlt werden dürfen, in denen Finanzämter mit Klick alle deine Konten durchwühlen dürfen, in denen Zahnersatz sich viele Menschen erst dann besorgen wenn sie in HartzIV sind, weil es dann das Amt bezahlt, in denen eine Rekonvalenz nur noch dann von Krankenkassen bezahlt wird, wenn du ein wirtschaftlich akzeptabeler Beitragszahler für die Solidaritätskasse bist, in denen sich Politiker vor die Kamera stellen und uns schlicht weg einfach „belügen“…., in denen Mautentwürfe nicht der Sache dienen, sondern einem Koaltionspapier geschuldet sind, also dem verbrieften Klüngel zur Macht, in denen wider allen besseres Wissens ein Rentenpaket von ungeheurer Wucht eine „Mehrheit“ erhält…

    Ob das alles für das zarte Pflänzchen „Solidarität“ die richtigen Lebensbedingungen sind, glaub ich nicht. Meine innere Solidarität sagt wie Goehte: „Mehr Licht!“

    Aber wo sollte das herkommen?

  9. ah, jetzt dachte ich schon, „hamsterrad? hat juli etwa meinen blog gelesen?“ (hihi) aber okay, sie meint das allgemeiner …

    juli gehört definitiv zu den g*ttinnen des öffentlichen diskurses und kenne eigentlich nichts von ihr, was mir nicht zutiefst aus dem herzen gesprochen käme.

    @menachem

    ich weiss jetzt nicht ganz, ob ich dein zitat aus dem übrigens tollen film von gestern abend so verstehe, wie du es meinst, weil man im grunde in diesem moment in die augen von „herrn gärtner“ blicken muss, um die abgrundtiefe traurigkeit von edgar selge bei diesen worten sehen zu können, der hier – wenn du mich fragst – auf der höhe seiner kunst ist und das formuliert, was ich – wenn ich mal wieder meine von aharon appelfeld inspirierte „viehwagongeschichte“ erzähle: da spricht einer, der sich den rest seines lebens dafür schämt, daß er überlebt hat. ein ganz großer moment im zdf.

    schade daß nicht direkt hinterher auch die verfilmung der arbeit von fritz bauer gesendet wurde, die ja gerade in den kinos läuft

    https://de.wikipedia.org/wiki/Im_Labyrinth_des_Schweigens

    damit, also unserer angeblichen aufarbeitung des ns system, wird es sich wohl just so verhalten wie es sich mit dem verhält, was juli zeh hier anspricht: in 40 jahren sind wir schlauer …

    ich finde übrigens, daß man, wenn man das ns-system verstehen will, man sich eher mit den skulpturen von arno breker befassen sollte …

    https://de.wikipedia.org/wiki/Arno_Breker

    womit ich den bogen zum thema schönst geschlossen habe – es ist der selbe „menschen müssen perfekt sein“ wahn, damals wie heute und das, worüber juli zeh redet ist nationalsozialismus in reinstkultur.

    naja, leben wir damit, daß die dämonen angeblich gebannt sind, weil keine minischnautzer und gestapomäntel mehr auf der strasse sind. nur, ob das den nazi in uns bannt, daran wage ich doch ganz energisch zu zweifeln.

    @claudia

    ich hoffe, ich werde hier nicht auch gesperrt, weil ich wie bei niggemeier darauf hinweise, daß die netzcommunity auf dem besten weg hin zu einem neuen faschismus ist. der war sicher ganz erleichtert über meine nazianalogie ;-)

  10. Hardy, mich erschüttern diese Dinge zutiefst, vor allem, was im Inneren des Menschen für Kräfte herrschen, die wir zu bändigen versuchen. Solange jedenfalls, es das Umfeld dazu hergibt.

    Ich schaue in die Augen meines Vaters, Jahrgang 1920, polnischer Jude, für weit über 8 Jahrzehnte umhüllt vom Mantel des Schweigens. Er hat sich nicht für den Rest seines Lebens geschämt, als Einzigster einer großen Familie überlebt zu haben.
    Er schämt sich jetzt, am Ende seines Lebens. Und das, das tut auch mir weh.

  11. @menachem

    ich habe, weil zu jung, nicht viel zeit und gelegenheit gehabt, in die augen meines großvaters sylvester zu blicken, anhänger der vitus-heller bewegung und als solcher unter den 7%, die gegen das „heim ins reich“ der saar 1933 kämpften, katholischer gewerkschafter und als solcherr kurz nach dem einmarsch in einem kz gelandet, aus dem er nach einiger zeit unbeschadet wieder frei kam.

    aber ich habe erlebt, wie sehr sich seine familie _für ihn_ geschämt hat und dafür, daß die johlende dorfgemeinschaft vor seinem haus auftauchte, eine strohpuppe verbrannte und im januar totentagsgesänge anstimmte …

    der hat auch nicht viel geredet, leider und ich weiss mehr über ihn aus einem buch („milieus und widerstand“ von gerhard paul) als von meinen eigenen leuten.

    demnächst wird seine enkelin, meine mittlere tochter, seine aussagen vor der saarländischen entschädigungskommission einsehen.

    ist schon eine seltsame welt, in der wir leben.

    [..] mich erschüttern diese Dinge zutiefst

    geh mal davon aus, daß das auch für mich gilt.

    mich hat der blick selges tief getroffen und berührt.

    das kann er nur, wenn man versteht, was er bedeutet.

    liebe grüße aus der garage.

  12. Ich bin hier gelandet durch den Net News Express Feed.

    Nicht schlecht, alle Achtung. Auch der Ton, den die Kommentatoren anschlagen , gefällt mir.

    Jetzt werde ich mich weiter durcharbeiten, denn so wie es aussieht lohnt sich das und verdient eine Weiterempfehlung.

    Vielen Dank!

  13. Liebe Ella,

    sei herzlich begrüßt! Ich staune, denn in der Regel verdreifacht zwar ein Link auf NetNewsExpress die Zugriffe hier, aber in aller Regel kommentiert „von dort kommend“ niemand.

    Freut mich, dass dir der hiesige Stil gefällt!

  14. @Hardy, mich bewegt nach deinem Kommentar die Frage:

    „Was werden meine Kinder sehen, wenn sie in meine Augen schauen?“

  15. @ Menachem

    “Was werden meine Kinder sehen, wenn sie in meine Augen schauen?”

    Einen echten Menschen werden sie sehen, der wie alle Menschen in seiner ganz eigenen Welt lebt, weil diese das Ergebnis seiner individuellen Erfahrungen ist. Wir tauschen uns aus und versuchen dadurch, die Schnittmengen an Übereinstimmung zu vergrößern. Dieser Austausch wird umso fruchtbarer, je bewußter sich alle sind, daß keiner die Wahrheit „besitzt“ wir alle uns aber gegenseitig helfen können, fehlende Puzzleteile zu finden.

  16. @ Olaf

    Was Du schreibst, ist sehr nahe an meiner Überzeugung. Ich sehe darin keinesfalls eine VT, sondern eher ein Verstehen von inzwischen deutlich sichtbaren Zusammenhängen.

    Es mußte ein evolutionärer Vorteil sein, uns so werden zu lassen wie wir sind,jeder mit seinem besonderen Blick auf die Welt.

    Scheuklappen können durchaus ihre Berechtigung haben, denn ein Mensch, der funktionieren muß, weil die Kinder ernährt werden müssen,würde mit zuviel Wissen verrückt .

    Außerdem : Auch Menschen ohne erkennbare Scheuklappen sind sich nicht unbedingt einig und können Kräfte bündeln. Erst wenn akzeptiert ist, daß anderes Denken nicht falsch sein muß, sondern möglicherweise nur einen anderen Ausschnitt aus der Wirklichkeit erfasst, kann man sich als ergänzend betrachten und kann aufhören sich zu bekämpfen.

    Jetzt stehen wir an der Schwelle zum Transhumanismus. Der langsame evolutionäre Prozeß wird jetzt exponentiell beschleunigt. Für mich ist das irgendwie das Ende der Menschheit und der Beginn von Biorobotern, die je nach Zweck programmiert werden. Alles andere kann weg.

  17. Ergänzung zum letzten Kommentar:

    Es fehlt das Schlusswort: Leider!

  18. @ Ella

    Da sprichst Du ein Thema an, was mich sehr interessiert und mit dem ich mich auch schon ein wenig auf meinem eigenen Blog beschäftigt habe. Bionik (1), Robotik (2) und darin angeritzt, natürlich auch der Transhumanismus. Ich versuche die Vorteile dieser Entwicklungen zu sehen, weiß aber sehr wohl um die darin liegenden Gefahren, die mich immer wieder spalten. Ich bin mir nie sicher, ob ich dem mit Misstrauen oder Vorfreude begegnen soll. Wenn Du Lust und Zeit hast, würde ich mich sehr freuen, wenn Du mal „vorbei kommst“ und drüber liest.

    (1) http://radwechsel.net/wordpress/2013/02/20/zukunft-fur-behinderte/

    (2) http://radwechsel.net/wordpress/?s=Roboter&search=Suchen

    Ja, das ist der große Kampf in unserer polarisierten Welt, dass es immer drei Wahrheiten gibt: Deine Wahrheit, meine Wahrheit und die Wahrheit. Ein schönes Beispiel ist „die Wahrheit“, dass Frauen anders sind als Männer. Sie fühlen anders, sie denken anders, sie handeln anders als Männer. Wer wollte das bestreiten? Aber sind sie deshalb auch anders? Oder gehen sie nur andere Wege und benutzen andere Strategien um am Ende genau die gleichen Ergebnisse zu erreichen wie Männer? Das ist zumindest meine Erfahrung und ich finde, dass beide „Arten“ erfolgreich sind.

    Das ist wohl die schwerste aller Übungen: zu akzeptieren, dass Anderssein der Anderen nicht als falsch zu deklarieren.

    @ Menachem

    “Was werden meine Kinder sehen, wenn sie in meine Augen schauen?”

    Einen Menschen, den sie lieben und der Vorbild für sie ist. Ich kenne Dich zwar nicht in Persona, aber ich kenne den Teil Deiner Gedanken, den Du öffentlich machst. Und die sagen mir deutlich, dass es von „Deiner Sorte“ ruhig ein paar mehr geben könnte. ;o)

  19. „….je bewußter sich alle sind, daß keiner die Wahrheit “besitzt”

    Aber warum, @Ella, denken trotzdem so viele Menschen, sie wären im „BESITZ“ dieser? Kommst du dir bei dieser Botschaft nicht auch manchmal wie Don Quichotte vor?

    Die Wahrheit des Anderen, so fließt es aus euren beiden Kommentaren in mir ein, hat nichts mit Toleranz gegenüber Andersdenken zu tun, sondern „mit der Akzeptanz meines begrenzten Wissens“.

    Das, die „Wahrheit“, in ihrer möglichen Vielfaltigkeit, hat nur etwas mit mir ganz persönlich zu tun. Irgendwie löst dieser Gedanke, den ich auch richtig spüren und fühlen kann, eine große innere Freiheit in mir aus. Und deshalb, Ella und Olaf:

    „ Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der dritte!“

  20. Hallo Olaf,

    Dein Blog ist interessant und wurde gerade als „Feed“ abonniert.

    Zu den besagten Themen: Für mich ist der menschliche Erfindungsgeist ein Wunder. Einfach grandios oder „göttlich“!

    Allerdings beobachte ich inzwischen die völlige Entwertung des Menschen. Inzwischen ist der Mensch Rohstofflager, auf dessen Organe irgend jemand glaubt, Anspruch erheben zu dürfen.Auch ist der Mensch, seit er zur Human-Ressource mutiert ist, zur Handelsware verkommen. Seit September 2014 steigert Sklaven – und Drogenhandel das BIP! Wir haben Flatratebordelle, wo man für 90 € mit den gekauften Menschen für die bezahlte großzügig bemessene Zeit machen darf , was man will. Sie gehörem einem sozusagen für die bezahlte Zeit und man darf sie entwürdigen wie man lustig ist. Hauptsache die Steuern werden bezahlt!

    Eine Gesellschaft, die so organisiert ist, wird für die Alphas künftig alles bereitstellen, was die Alphas zu Alphas Doppelplus macht, vielleicht noch für die Betas, aber unter keinen Umständen mehr für die weiteren Kategorien. Ist auch nicht nötig, denn ein Menschenleben ist kein Wert an sich , sondern definiert sich über seine Funktion.

    Wir sind in einer Übergangszeit, aber die Vorbereitungen Übermenschen zu produzieren, laufen auf Hochtouren.

    In USA wurde es Arbeitgebern gerichtlich erlaubt, vom Arbeitnehmer zu fordern, daß er immer sein eingeschaltetes Handy bei sich trägt und somit der lückenlosen Kontrolle ausgesetzt ist. Wenn in wenigen Jahren nach einer gewissen Weichklopfphase implantierte Chips als Voraussetzung für bezahlbare Krankenkassenbeiträge, gesetzlich erlaubt sein werden, dann ist der Schritt nicht mehr weit, daß von außen die totale Verhaltenssteuerung übernommen wird.Von weiteren Steuerungen will ich erst gar nicht reden.

    Allmächtige, mit allen erdenklichen Waffen ausgestattete „weltliche Götter“ haben kein Interesse an der Menschheit um des einzelnen Menschen willen. Wir sind mögliche Kollateralschäden, die man für ein höherwertiges Ziel in Kauf nimmt. Als Realistin gehe ich davon aus, daß Ikarus (Elite) gerade dabei ist, mit seinen Wachsflügeln sich mal wieder der Sonne zu nähern.Wenn er dann feststellt, daß das Wachs immer noch nicht gut genug ist, um der Hitze stand zu halten,wird es für einen großen Teil der Menschheit zu spät sein.

  21. Hallo Menachem,

    Olaf hat den schönen Satz über die 3 Seiten der Wahrheit ins Spiel gebracht.“Deine Wahrheit, meine Wahrheit und die Wahrheit.“ Ich möchte den Satz etwas modifizieren: …. und die Wahrheit, die wir beide nicht kennen!

    Paul Watzlawick hat ein wunderbares Buch herausgegeben über:
    Die erfundene Wirklichkeit! Das war ein interessanter Augenöffner bereits vor vielen Jahren. Bei youtube gibt es einige Watzlawick-Videos, die sich mit der Thematik beschäftigen.

    Eine weitere ausgezeichnete Einsicht in die Kompliziertheit der Wahrheitsfindung liefert das 4 -Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun. Wenn man sich dessen bewußt ist, daß man nur bedingt Einfluss darauf hat, wie jemand objektiv Formuliertes durch subjektives, interpretierendes Hören irgendwie verändert, dann wird einem klar wie schwierig sich die „Wahrheitssuche“ gestaltet. (Schulz von Thun – Kommunikationsmodell gibt es ebenfalls bei youtube).
    Mich hat das alles auf jeden Fall geduldiger gemacht, weil ich inzwischen glaube, daß diese Entwicklung ja von der Evolution als etwas Vorteilhaftes für die Menschen betrachtet wurde. Bisher!!!

    Mit der Geschichte :
    http://www.gekreuzsiegt.de/2012/09/22/die-blinden-manner-und-der-elefant/

    gelingt es mir übrigens immer, Diskussionen, die durch Rechthaberei unversöhnliche Fronten erzeugen, wieder auf den Teppich zu holen.

    By the way: Willkommen im Club!

  22. @alle: wie spannend dieses Gespräch weiter gegangen ist – auch ohne mich, die ich grade ziemlich mit Arbeit zugeschüttet bin! :-)

    @Ella: ja, hier geht es deutlich entschleunigter zu, deshalb gibt es auch noch die eigentlich aus der Mode gekommene Möglichkeit, den Kommentarfeed zu einem Gespräch zu abonnieren.

    Nun zu ein paar Punkten:

    * der „Transhumanismus“ war für mich ein Hype der 90ger Jahre, als es im Web sehr schillernde Seiten dazu gab. Aktuell hab ich die Entwicklung lange schon nicht mehr wahrgenommen und ans Einfrieren und wieder auferstehen lassen (Kyronik ?) glaube ich nicht.

    * den Trend zum Cyborg (Mensch mit Maschine) halte ich für realistischer, allerlei Krücken, Ersatzteile und nun auch Mess- und Kommunikationsgeräte werden wohl zunehmend eingebaut, freiwillig gern genommen. Abgesehen vom Medizinbetrieb sehe ich das aber nicht so schnell zum Massenphänomen werden. Merkwürdig finde ich allerdings schon, dass „Sicherheit“ und „Gesundheit“ in Gesellschaften, in denen beides vergleichsweise hoch ist, so sehr zum obersten Wert werden konnte.

    * Übermensch: Nietzsche-Freunde würden evtl. einwenden, dass der Begriff sehr verschieden interpretierbar ist. Man kann darunter auch jenen Menschen verstehen, der endlich seine Tiernatur weitgehend überwunden hat, wovon aktuell ja noch keine Rede sein kann. Der Übermensch ist insofern das Gegenbild zum „letzten Menschen“, den der vollendete Nihilismus gebiert

    „Wir haben das Glück erfunden“ – sagen die letzten Menschen und blinzeln.
    Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.
    Krankwerden und Misstrauen-haben gilt ihnen als sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Thor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!
    Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.
    Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt dafür, dass die Unterhaltung nicht angreife.
    Man wird nicht mehr arm und nicht mehr reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. Kein Hirt und Eine Herde! Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig in’s Irrenhaus.
    „Ehemals war alle Welt irre“ – sagen die Feinsten und blinzeln.“

    Das kommt doch viel eher hin, schaut man sich heutige Entwicklungen an. Selbst das verwunderliche „jeder ist gleich“, das man zuerst aufgrund der allgemeinen Individualisierung zurückweisen will, klingt sehr stimmig, wenn man es in Bezug auf den zunehmenden Unwillen bezieht, das Anderssein des Anderen zu akzeptieren (nicht „normschöne“ Menschen, Andersgläubige, andere Etnien, etc.)

    Mir persönlich lag immer die Analogie zum Ameisenstaat nahe: Wenn Gott tot ist und die Zivilisierung von innen (= „Gott siehts“) nicht mehr funktioniert, tritt Überwachung und Gleichschaltung von außen an dessen Stelle. Wie bei den Ameisen weiß dann jeder in jedem Moment, was zu tun ist – ganz ohne das eigene Hirn besonders zu benötigen.

    Dem allem entgegen steht, dass eigentlich niemand wirklich und bis in die Tiefe „so“ ist bzw. das will. Nicht mal die „Alphas“…

  23. Wow, Claudia, was für ein geiler Kommentar! Und danke für Zitat und Link.

    @ Ella

    Das von Dir gezeichnete aktuelle Abbild der Gesellschaft und die zukünftige Dystopie, in die wir scheinbar gehen, müssen nicht unbedingt genau so eintreffen. Es ist sogar eher unwahrscheinlich. Wir machen immer den Fehler, die Dinge geradlinig weiter zu denken – und lassen die Unwägbarkeiten, den Zufall und, ganz besonders, die kritischen Massen ausser acht.

    Hätte man im Mai 1989 eine gelernten DDR-Bürger gefragt, wie lange die in jeder Hinsicht bankrotte Diktatur noch durchhält, dann hätte man, hinter vorgehaltener Hand, sicher zu hören bekommen, dass es gärt im Volk, es aber bestimmt noch 20 Jahre dauert, bis sich etwas Wesentliches tut. Und das dann unter großen Opfern.

    Ein paar Monate später viel die Mauer und kein einziger Schuss.

    Ich war 17 als die Mauer fiel und stand in Erfurt auf dem Domplatz. Diese Erfahrung hat mich gelehrt wie wenig Macht „die da oben“ haben. Und wie stark ein Volk werden kann, was die Schnauze von den real existierenden Umständen voll hat. Vor allem aber habe ich gelernt, dass die Menschen, persönlich und in der Gemeinschaft, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen müssen.

    Ja, das hat etwas mit Evolution zu tun. Die ist aber kulturell und nicht individuell. Da müssen wir hin: eine von Menschen geschaffene Kultur, die menschlich ist.

    Nietzsches letzte Menschen geben uns da, wie ich finde, eine schöne Utopie an die Hand. Wenn wir uns dahin aufmachen, stimmt die Richtung. Der Rest ist Zufall.

  24. @Olaf: danke fürs Lob! Da hab ich glatt mal die Rechtschreibfehler korrigiert… :-)

    deinen letzten Satz kannst du doch eigentlich nicht ernst meinen! Bzw. du hast den Text nicht gekannt und das Verlinkte nicht gelesen. Für Nietzsche/Zaratustra war der „letzte Mensch“ das verächtlichste Wesen unter der Sonne.

    Der Text beginnt so:

    Der letzte Mensch

    Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinauswirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat zu schwirren!
    Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.
    Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann.
    Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.

    „Was ist Liebe? Was ist Hoffnung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?“ – so fragt der letzte Mensch und blinzelt.
    Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der Alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar, wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.““

    Im oben verlinkten Text finden sich auch erläuternde Kommentare zu den einzelnen Absätzen.

  25. Mal wieder viel zu spät hier alles entdeckt, aber ich hatte nicht wirklich Lust auf Internet in den letzten Wochen…

    @Olaf
    leider scheinst du bei einer erneuten Auflehnung (die ich für unumgänglich halte) gegen „die da oben“ nicht davon auszugehen, das unsere sauberen, sprich gewählten Demokraten nicht davor zurückschrecken werden, auf brutalste Art und Weise diese Demos niederzuknüppeln, bzw. auch nicht davor zurückschrecken werden, den Schußwaffengebrauch zu erlauben….