Claudia am 08. April 2008 —

Was ist Wirklichkeit?

Wolf Schneider, der seit mehr als 20 Jahren „Connection – das „Magazin für’s Wesentliche“ heraus gibt, schreibt in seinem aktuellen Blog-Artikel:

„Mystik ist die direkte, unverstellte Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie sie ist.“

Er grenzt diese Wahrnehmung einerseits gegen die Alltagswahrnehmung ab, die er als von Begriffen, Vorurteilen und Erwartungen verstellt beschreibt, andrerseits von der „mystifizierenden“, glorifizierenden und verklärenden Sicht vieler Esoteriker, die mit ihrem kindlichen Bedürfnis nach einer wieder verzauberten Welt nur einen weiteren Schleier über die Wirklichkeit legen.

Ein lesenswerter Artikel, insbesondere für alle, die sich gelegentlich einen Parkplatz zaubern oder beim Universum einen Scheck bestellen.

Dem aufklärerischen Tenor des Artikels schließe ich mich applaudierend an. Ob aber Mystik „die direkte, unverstellte Erfahrung der Wirklichkeit“ ist, weiß ich nicht. Mystisches Erleben wird in großem Konsens als das Rationale übersteigend beschrieben: Erst DANACH schaltet sich der übliche Verstand wieder zu und bemüht sich um Erinnerung und Deutung des Erlebten.

Wie kann man dann aber behaupten, dies sei „eine Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie sie ist“? Ich behaupte, auch die soziale Wirklichkeit, in der wir leben, ist REAL: Wir Menschen und unsere jeweiligen Verhältnisse sind tatsächlich so, wie sie zu sein scheinen – weil und insoweit wir diese Welt in unserer „von Begriffen, Vorurteilen und Erwartungen verstellten“ Sicht so erschaffen und täglich erhalten.

Die (aus Sicht des Absoluten) „verstellte Sicht“ ist wiederum nichts willkürlich Entstandenes, gar frei Gewähltes. Sie hat sich vielmehr aus den physischen Tatsachen unseres Daseins in Millionen Jahren entwickelt. Was lebt, will überleben, damit fängt es ja schon an. Und es endet noch lange nicht bei dem, was wir heute als immer noch gierige und meist auch recht egozentrische Wesen im globalisierten Kampf ums Dasein so abziehen.

Nicht immer schön, aber doch real!

Dass es Momente gibt, in denen sich Menschen mit allem eins fühlen und von diesem Blickwinkel aus alle Bewertungen als müßig erkennen, macht diese Welt, wie sie sich uns üblicherweise zeigt, doch nicht unwahr. Es ist die Welt, in der wir allermeist leben und unseren Geschäften nachgehen – auch jeder „Erwachte“ muss schließlich Miete zahlen.

Gestern hat mich ein lieber Freund zur Kürze ermuntert. Ich mach hier also einfach mal Schluss! :-)

Bayon-Tempel im Morgengrauen

Im Bayon-Tempel im Morgengrauen – noch ganz ohne Touristen (außer uns).

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Diskussion

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24 Kommentare zu „Was ist Wirklichkeit?“.

  1. Ich denke, man kann eine Welt nach der anderen ablegen und darunter ist wieder eine andere Welt. Werden wir krank, ist das gesellschaftliche Leben plötzlich unwichtig, träumen wir im Fieber, entschwindet auch die Krankheit usw. Aus all dem, das wir von Geburt an mitbringen, und alle den Signalen, die wir empfangen, basteln wir immer neue Welten, bis wir sterben, damit aufhören. Die eine wirkliche Welt sehe ich nicht. Vielleicht liegt das an mir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es die wahre Menschenwelt ist, die auf der Erde übrig bleibt, wenn der letzte Mensch gestorben ist, genauso wenig, dass unwirklich sein soll, was dadurch ist, dass einer es sieht. Zwar könnte man sagen, es müsse etwas Gemeinsames geben, etwas, zu dessen Sicht alle Menschen gelangen können, notwendig gelangen, wenn sie alles Individuelle abstreifen, Gültiges. Aber ich kann mir das nur als Elementares vorstellen, Offensichtliches, Unverborgenes, wie Hunger oder Atem. Vor allem kann man nicht redlich davon sprechen, wenn man diese Ebene verlässt. „Dies ist die Wahrheit, die Wirklichkeit, wie sie ist“, egal welche, ist als Aussage eine Bevormundung, wenn nur wenige sie erfahren. Dann frage ich mich gar nicht mehr, ob sie es ist, nur noch, was der Sprecher damit erreichen will, dass er es sagt. Ich habe mich lange mit christlicher Mystik beschäftigt, mit Suso und Mechthild, Hildegard und Teresa, Eckart, Johannes usw., und bin dabei auf die gleiche Schwierigkeit gestoßen wie die Kirche in Rom: sie sagten (auch wenn in tausend schwärmerischen Büchlein das Gegenteil steht) nicht alle das Gleiche. Ich bin bei Mechthild geblieben, weil sie mir Schlüssel gibt, die Weise, in der ich meine Welten baue, zu verstehen – obwohl ich ihre, zumal ich kein Theist bin, kaum begreife. Wenn es für uns nur eine wirkliche Welt geben sollte, dann ist sie nicht sagbar. Denn unser Wesen im Sagen ist das Gespräch.

    Wenn es sie aber gäbe, müsste man in ihr handeln können – und damit alle Wirklichkeit aller Menschen verändern. Kann man das nicht, wenn man sie z.B. nur erreicht, indem man, wie Inana beim Abstieg in die Unterwelt, alles bis auf die Knochen ablegt, dann berührt sie keinen, heißt Tod, und es ist müßig, sich damit zu beschäftigen.

    Wie aber das Nachdenken und Sehnen zusammenpassen, was uns antreibt, solche Fragen zu stellen, warum wir im Denken keine gemeinsamen Antworten finden, das Gefühl dafür aber da ist, erklärt Wolf Schneider mit dem Hinweis auf die Kindheit, als der Zauber noch geholfen hat, recht gut. Was für ein Weg – vom Kleinkind, das mit einem Lächeln oder einem Schrei die ganze Welt verändert, zum Alten, der diese ganze Welt in seinem Darm spürt und dem die Kinder von damals wieder erscheinen in der einzigen Frage: sind sie mir gut, bin ich versöhnt. Selbst meine Welt ist viele.

    Natürlich ist alles eins. Das glaube auch ich. Aber Leben heißt, auf Zeit eigen, getrennt zu sein. Vielleicht sind wir diese Zeit. Einen Menschen nenne ich erwachsen, eines Führers nicht bedürftig, wenn er das akzeptieren kann. Auch, dass es endet. Wir waren alles (und das heißt: nichts), wir werden alles sein (und das heißt wieder: nichts), aber jetzt sind wir. Das ist, denke ich, wirklich.

    Da man es aber nicht sagen kann, s.o., sind diese meine Zeilen auch nur Geschwätz. Leider. Oder zum Glück: vielleicht freut sich einer dran oder regt sich auf.

    [Noch eins, wo ich schon ausschweife: dass wir Miete zahlen müssen, ist nicht das Menschenleben an sich, nur das, das wir uns eingerichtet haben. Nicht unbedingt freiwillig. Ebenso wie das Gespräch gehört zu unserem Treiben die Gewalt.]

  2. Für mich ist von Bedeutung, wie ich die Welt wahrnehme und so wie ich wird jeder die Welt auf seine Weise wahrnehmen. In diesem Sinne gibt es so viele „subjektive Wirklichkeiten“ wie Menschen.

    „Objektive“ Wirklichkeit ist für mich die Veränderung der Materie, die (physikalischen) Gesetzen folgt und von der jeder betroffen ist. Stehe ich auf der Oberfläche des Planeten Erde, halte in einen Meter Abstand von dieser einen Apfel in meiner Hand und öffne diese, bewegt der Apfel sich auf die Erdoberfläche zu mit einer bestimmten Geschwindigkeit auf einem bestimmten Weg und unter gleichen Bedingungen werden Weg und Geschwindigkeit immer gleich sein. Ich bin austauschbar, jeder und alles kann das gleiche bewirken, notwendig sind nur zwei Massen in einem bestimmten Abstand.

    Meine Aktion betrifft andere: Jemand kann auf den Apfel treten und ausgleiten, Tiere können ihn verspeisen usw. Grob gesagt, könnte Wirklichkeit das sein, von dem jeder in einem „Wirkungsradius“ betroffen ist.

  3. Grüß Euch Ihr lieben Denker,

    meines Erachtens ist die Wirklichkeit nichts für den Verstand. Er darf sich schlimmstenfalls ein Leben lang die Zähne an ihr ausbeißen. – Bestenfalls lernt er zu vertrauen, dass die Wirklichkeit perfekt organisiert und strukturiert ist, und dass es da nichts zu verstehen gibt. Der Verstand reicht einfach nicht in die Wirklichkeit …

    Ein offenes, liebendes Herz hat da schon eher eine Chance.

    Herzlich, Hermann

  4. Herzlichen Dank für Eure engagierten Kommentare!!

    @Dirk,

    die „vielen Wirklichkeiten“ erlebe ich auch – zum Glück!! Da liegt aus meiner Sicht der Schlüssel zur Freiheit: wir brauchen nur den Blick wechseln, schon sieht alles anders aus und wir stehen in einer „anderen Welt“. Die Welt des Fieberkranken ist ein gutes Beispiel, aber auch die Welt der Gärtnerin, des Politikers, des Fond-Managers, der Verliebten, der Eltern, der Kinder, der Bauern – unzählige „Welten“, auch individuell und von Tag zu Tag noch unterschieden.

    Ich frage mich da manchmal, wieviel „Pflicht“ ich habe, mich in dieser oder jener Welt aufzuhalten – letztlich will ich nicht zum Ignoranten werde („…und ich geh Blumen gießen, Blumen gießen, Herz, was willst du noch mehr!“ G. Kreisler)

    Und ja, gemeinsame „Wahrheit“ sehe ich auch nur im Elementaren und in dem, was alle Menschen teilen, z.B. die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung.

    „Dies ist die Wahrheit, die Wirklichkeit, wie sie ist“, egal welche, ist als Aussage eine Bevormundung, wenn nur wenige sie erfahren. Dann frage ich mich gar nicht mehr, ob sie es ist, nur noch, was der Sprecher damit erreichen will, dass er es sagt.“

    Eine Alterserscheinung? :-) Ich erinnere mich durchaus, in jungen Jahren fasziniert den Berichten aus einem „anderen Sein“ gelauscht zu haben. Mal sind die Intentionen voll ok („Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“), manchmal steht allzu Menschliches dahinter, z.B. das schlichte Vorhaben, die Flucht-Tendenzen derer, die mit IHRER WELT unzufrieden sind, zur Kasse zu machen.

    Was die „eine Wahrheit“ der Mystik angeht, so sagen nicht alle das Gleiche, ja. Allerdings frage ich mich, ob das nicht einfach an der unterschiedlichen Interpretation liegt, die all diese „Sehenden“ dem Erlebten gegeben haben. Wir sind uns ja anscheinend einig, dass mystische Erfahrung nicht mit dem Verstand zu fassen ist. Und es scheint auch durchaus VERSCHIEDENE mystische Erfahrungen zu geben!

    „Wenn es sie aber gäbe, müsste man in ihr handeln können – und damit alle Wirklichkeit aller Menschen verändern. Kann man das nicht, wenn man sie z.B. nur erreicht, indem man, wie Inana beim Abstieg in die Unterwelt, alles bis auf die Knochen ablegt, dann berührt sie keinen, heißt Tod, und es ist müßig, sich damit zu beschäftigen.“

    Genau SO sehe ich das – gelegentlich! – auch. Insbesondere dann, wenn Menschen ihre mystischen und anderweitig außerweltlichen Erfahrungen zum Anlass nehmen, ein neues „Paradies auf Erden“ zu prophezeien, wenn nur alle ihren Rezepten folgen. Der „große Bewusstseinssprung“, den viele New-Ager voraus sagen, ist so ein Beispiel, wie im Grunde jeglische Eschatologie einer Religion oder Sekte. All das bekommt schnell eine faschistoide Färbung, dann nämlich, wenn Gruppen gebildet und „ernst gemacht“ wird (fascies = Bündel), wenn es ein „wir“ und all die Ungläubigen gibt…

    Andrerseits kann eine mystische bzw. spirituelle Erfahrung das Individuum von seiner natürlichen Egozentrik befreien! Das „im Leben sterben“ lässt den Ehrgeiz, die Gier, den Hass, die Verblendung verschwinden. Und das hat durchaus WIRKUNG, nämlich durch ein anderes Fühlen, Denken und Handeln dessen, der das erlebt hat. Die Krux ist, dass die Erfahrung auch wieder überschrieben wird und alte Mechanismen und „verstellte Sicht“ sich wieder einfinden (nicht „wie zuvor“, aber tendenziell…). Deshalb die Rede vom „täglichen Sterben und neu geboren werden“, das eigentlich erforderlich wäre, um auch nachhaltig „ganz anders“ DA zu sein.

    „Natürlich ist alles eins. Das glaube auch ich. Aber Leben heißt, auf Zeit eigen, getrennt zu sein.“

    Ja, genau. Und manchmal ärgern mich diejenigen noch, die sich da einfach raus schleichen wollen, bzw. diese Seinsweise als „unwahr“ negieren. Ich sag immer: Wäre die Welt/das Leben wirklich eine „Schule“, in der wir keine andere Aufgabe haben, als von ihr befreit zu werden und wieder „nach Hause“ (ins All-Eine) zu finden, dann hätten wir uns das Ganze doch gespart!

    Und es hat ja auch sein Freuden: „Ich will nicht Zucker SEIN, sondern Zucker essen!“ (Ram Dass).

  5. @Elmar: ja, das ist die Alltagswelt der newtonschen Mechanik, aus der wir als Körper nicht aussteigen können. Allerdings belehrt uns die Wissenschaft, dass es sich hier nur um eine recht beschränkte „Objektivität“ handelt: auf der Quanten-Ebene stimmt das alles schon wieder nicht.

    Weiter belehrt uns die Philosophie seit Kant, dass wir mit unserem Geist die Dinge „erschaffen“: Hätte ich keinen dreidimensionalen Körper, der der Schwerkraft unterliegt, hätte ich keinen Begriff von „unten“ und „oben“ und würde das Verhalten des Apfels gewiss nicht als „fallen“ beschreiben. Natürlich „tut sich da irgendwas“ – aber als WAS es gesehen/erlebt wird, ist nicht absolut wahr, sondern abhängig von unserer Wahrnehmung, die wiederum von unserem tierischen und menschlichen So-Sein abhängt.

    Die ZEN-Variante: Eine Welt ohne hörende Wesen. Ein Ast bricht vom Baum – gibt es ein „Geräusch“?

  6. @Hermann,

    wie recht du hast! Was wir hier machen ist, wie Dirk richtig sagt, Geschwätz! Und doch freue ich mich gelegentlich an solchem „verständigen“ Austausch: Stimmfühlungslaute auf hohem Niveau – auch eine Form des Spielens.

    Es ist auch witzig, mal zu schauen, wie dasselbe Thema 1996/97 in meiner Weblandschaft verhandelt wurde. Ich muss das noch irgendwo auf der Festplatte haben…

  7. Ein Ast bricht vom Baum – gibt es einen Baum? einen Ast? bricht was? wo von? eins oder alles? ist alles nur eins? oder keins? Müßig! Wenn du sagst: „ein Ast bricht vom Baum“, sagst du schon das Geräusch, den Boden, aus dem der Baum sich erhebt, das Wasser, das in seinen Gefäßen aufsteigt, die Wurzeln, die ihn tragen und nähren, die Schwerkraft, die das alles bewirkt, die Kapillaren und die miteinander kommunizierenden Röhren, das Licht der Sonne, die Kraft, die brechen kann usw. usf. ad infinitum. Wir sagen einander die Welt! Egal, ob nun altvorder den Rosinenkuchen oder neuzeitlich die Elektronenhülle oder postmodern den String – das ist nur gradueller Unterschied. Auch wenn eine seinsallangesichtig von Mächten, Kräften, Mondhasen und dem ganzen Krams redet. Oder in der klasssichen Mechanik stecken geblieben ist. Oder Wesensschau betreibt oder Protokollsätze diktiert oder weise raunt oder Intervalle schachtelt oder ihrem Liebsten zärtlich ins Ohr flüstert… Wir können gar nicht anders sprechen – oder eben schweigen.

  8. @Claudia

    Die Quantenphysik ist nicht mit der Intuition zu begreifen. Mit der Mathematik lässt sie sich besser beschreiben, ohne nicht („vollständig“) verstehen. Für unsere riesigen Körper reicht die herkömmliche Mechanik aus zur Beschreibung der Umwelt und deren Gesetze benötigen schon fundierte mathematische Kenntnisse, z.B. die Infinitesimalrechnung.

    ‚Die ZEN-Variante: Eine Welt ohne hörende Wesen. Ein Ast bricht vom Baum – gibt es ein “Geräusch”?‘

    Hat die Welt eine Atmosphäre, werden deren Moleküle in Schwingung versetzt, ein Beobachter ist dazu nicht notwendig. Das Geräusch ist eine Wahrnehmung, ausgelöst durch die Schwingungen und hat keine Relevanz, wenn niemand da ist, der es hört.

    Ich denke, der Mensch und die „Wirklichkeit“ lassen sich besser verstehen durch (Selbst-) Beobachtung als durch Theorien, insbesondere wenn diese lediglich hypothetisch sind und nicht verifiziert werden können.

  9. Hi, Leute,

    viel richtiges ist schon gesagt. Ich mach´ es kurz:

    Wahrheit ist das, was ich für wahr halte. Je wahrer ich es empfinde, desto wahrer ist es. Eine objektive, allgemeingültige Wahrheit für alle gibt es nicht.

    Ich wünsche Euch allen viel Freude und Liebe mit Euren Wahrheiten!

  10. Daüber kann man philosophieren, sein ganzes Leben lang.
    Aber das was dabei heraus kommt wird immer das selbe seinen.
    Wir sind alle unterschiedlich und unsere Ansichten und Gefühle auch.

  11. kann da daniel nur zustimmen.

    da könnte man unendlich drüber philosophieren, zu einem schluss dem jeder zustimmt wird man garantiert nicht kommen.

  12. Muß denn alles Reden zu einem Schluß kommen, dem jeder zustimmt? Das ist mir eine Vorstellung, vor der mir graust!

  13. Marcel hat ja nicht gesagt, dass das sein muss.

    Ich betreibe einen solchen Austausch im gleichen Geiste, wie man sich z.B. die jeweiligen Lieblingslieder vorsingen würde – (mal angenommen, singen wäre Teil unserer Kultur.) Also nicht mit einer Problemlösungsabsicht oder gar als Suche nach einer letzten Anwort.

  14. Es geht doch nicht darum, „ein einmaliges Erlebnis“ zu haben. Viele suchen nach „der“ Erleuchtung, dabei wird sie so als einziges Erlebnis fast nie gefunden.

    Wer will sich schon in die „Taeler“ menschlicher Emotion aufmachen (wobei die Beantwortung der Frage, ob das Tal nun ein Tal ist oder nicht in Wirklichkeit auch ein Berg, vom Leser abhaengt). Und trotzdem finden die meisten Menschen wenn ueberhaupt dann nur nach drastische(re)n Erfahrungen heraus, dass das was sie suchten eh schon da war (nur wussten sie es nicht). Aber ganz ohne Mut (oder in seltenen Faellen: das Aufgeben des Versuchens Kontrolle auszuueben), auch „Taeler“ beliebiger Art in Kauf zu nehmen, geht es dann eben doch nicht.

    Dass ein Wechsel zwischen versch. subjektiven Realitaeten durchaus nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes gefuehlte Unterschiede ausmacht, ist ja nichts wirklich neues. Dass aber dieser gefuehlte Unterschied durch das andere „Niveau des gefuehlten Gefuehls“ auch die Realitaet „da draussen“ anders erscheinen und reagieren zu lassen scheint, ist selbst in der angesprochenen Parkplatz-Beschwoerung ;) immer nur abhaengig vom Betrachter seiner Realitaet und nie von etwas „da draussen“.

    Naja, wie oben schonmal jemand gesagt hat, wen interessieren solche Sachen wirklich? Ist es „wirklich“ so? Scheint so. Kann man das auch „rational“ „sinnvoll“ nutzen? Scheint so. Heisst das, dass man die Aepfel ab heute hochschweben lassen kann? Kannst du denn daran glauben?

    In diesem Sinne, genug palavert, gleich ist der 1. Mai ;)
    Frederic

  15. Nun bin ich gerade unverhofft auf diese Seite gestolpert und als Reaktion auf manche Vorschreiber und Vordenker möchte ich sagen dass ich persönlich sehr froh bin, dass wir versuchen, uns in unserer sehr realen Welt zu erkennen. Die Realität von Geräuschen und Schwerkraft besteht für mich sehr wohl (auch wenn ich gerade nicht dort bin wo etwas bricht oder herabfällt), die Hände vor die Augen zu halten und anzunehmen die Welt wäre dann nicht mehr da – oder plötzlich wäre die Welt dunkel – das schaffe ich einfach noch nicht.
    Zum Thema Mystik (der Rote Faden zieht sich vom Eingangszitat über den Verweis auf den Zucker bis zur „Transzendierung des Alltags“) fällt mir die jüngst aufgegabelte Seite von Jürgen Hawlitzki ein. Man folge dem Link. Seine Unterscheidung und Abgrenzung des Mystischen vom Okkulten finde ich genial, weil einfach, strukturiert und klar.
    Und auch der Dalai Lama sagt: „Wir müssen denken, denken, denken. Erkennen und Verstehen.“ Das freu mich, der ich ebenfalls zur Geschwätzigkeit und Grüblerei neige, sehr :)
    Ich wünsche uns Wahrheit ohne Augenzuhalten.
    Wie auch immer man das verstehen möchte :)
    Erik

  16. Eric: mir scheint, du hasst das, was mit dem Beispiel vom brechenden Ast und seinem Geräusch wirklich GEMEINT ist, nicht verstanden.
    Es geht dabei nicht darum, dass etwas, das vorher da war, verschwindet, wenn wir weg schauen, sondern dass es ohne uns SO erst gar nicht „da“ wäre. Natürlich wären die Elementarteilchen genauso am wirbeln, aber wir sind es doch, die durch unser Bewusstsein ein Phänomen vom großen Rest der Welt abgrenzen, es definieren und so die Welt erst erschaffen, die es SO ohne uns nicht gäbe. Wären wir z.B. nicht körperliche Wesen, die der Schwerkraft unterliegen, wo wäre denn „oben“? Was hätte das Wort für einen Sinn?
    Im übrigen ist das eine recht alte, auch westlich-philosophische Diskussion, die weder mit dem Mystischen noch gar mit „Okkultem“ etwas zu tun hat.

  17. oh schöne neue welt, die solche Bürger trägt.
    da kommt noch mehr, noch mehr und mehr
    und hinter jeder grenze sind andere, 
    GRENZEN und ANDERE.
     
    Sie Ihr Wir sind überall, jederzeit,
    unmittelbar- wirihrsie bedingen diese welt
    mit besprochenen taten.
     
    Alles ist eins, alles Einzelne teilt sein
    Einzelnes mit all den umgebenden 
    Seinskugeln, durchlässige Wirklichkeitsschichten
    schimmernde Taten, lässliche begebenheiten,
    in den tiefen des Alltags, tag für Tag.
     
    Mein Kaffee kostet, Deiner auch.
    Bittere Tautropfen in den dicht gesponnenen
    Netzen all der Wirklichkeiten, Sonnenstrahlen
    werden in ihnen eingefangen, lichtern umher und 
    verbreiten sanften Glanz im Nebel unserer Existenz.
     
    WIRIHRSIE gehen voran, unsere Wege
    kreuzen all die ungezählten Wahrscheinlichkeiten,
    ab und an ein helles Leuchten auf den Wegen
    durch unsere bemessene Zeit.
     
    Tod, Gewalt, Herrschaften Lust und Eitelkeit
    mengen wir in nahtloser Reihe Tag auf Tag;
    die Perlenschnur unserer Wirklichkeit
    bietet uns Sicherheit in den Netzen
    die dieWelt bedeuten.
     
    ist dieser Ast derjenige, der den Bruch
    rief? ist er nur zufällig hier, steckt ein Plan
    hinter all dem? ist blinder ZuFall Grund
    all der Stuerze durch die Unendlichkeit
    von einst bis übermorgen?
     
    oder fliegen wir nur, gehüllt in Watte,
    Kabelverbindungen, synapsenverstöpselt
    und die rote Pille wäre wahr gewesen?
     
    keine wirklichkeit ohne Drehbuch,
    kein plan ohne tat, keine tat ohne plan.
    meine ration wirklichkeit nehm ich mir 
    heute, so auch gestern und solange es
    geht.
     
    gruss
    ingo
     

  18. @Ingo: bin beeindruckt!

  19. Zu demThema ein Zitat des Science-Fiction-Schriftstellers Philip K. Dick:
    „Reality is that which, when you stop believing in it, doesn’t go away.“

    Und Woody Allen sagte einmal sinngemäß:
    „Vielleicht existiert die Welt um mich herum nur in meinem Kopf? Dann habe ich entschieden zu viel für meinen Teppich bezahlt.“

    BTW: Ich verfüge über einen recht persönlichen Beweis für die objektive Existenz einer außer mir und ohne mich vorhandenen Außenwelt: meine Mutter.
    Was sie sagt und denkt,  ist mir so fremd – das kann nicht von mir stammen!

    Gruß
    Ralf,
    kommt mit der Außenwelt gut zurecht,
    solange man sie nicht zu ernst nimmt

  20. Ein wichtiges und interessantes Thema, zu dem ich auch manchmal etwas schreibe. Ich glaube, es ist einfach schwer auszuhalten, dass es vielleicht gar keine feste, objektive Realität gibt, sondern nur ein dauerndes, fließendes, wandelndes Etwas. Von Detlev Bartel gibt es ein gutes Buch dazu, neuerdings mit einer CD, wo man ganz deutlich den Unterschied zwischen dem Selbst und dem Ich erleben kann.
    Aufschlussreich fand ich auch das Buch „Die Entstehung der Realität. Wie das Bewusstsein die Welt erschafft“ von einem Diplom-Ingenieur -:)

  21. ‚Danke Euch für die interessanten Beiträge! Gerade die übliche Trennung zwischen „Innenwelt“ und „Außenwelt“ wird alsbald problematisch, wenn man beginnt, das eigene Innenleben zu beobachten – also ohne damit identifiziert zu sein einfach zu betrachten. Dann ist z.B. ein Gefühl, eine Empfindung, eine Laune, ja sogar ein Gedanke auch nichts WESENTLICH anderes als ein x-beliebiges Phänomen „da draußen“, z.B. das Wetter.

    Zum außen: Was der Kaffee kostet (Bezug: Ingos tolles Gedicht) trifft mich komplett anders als jemanden, der keinen Kaffee mag, ihn womöglich gar nicht verträgt – und nochmal anders ist jemand dran, der Kaffee mag, ihn sich aber nicht mehr leisten kann. Dasselbe Phänomen (Kaffeepreis X) wird also bei drei Leuten zu ganz unterschiedlichen Wirklichkeiten.

    Ich bedaure, dass wie allermeist bei wichtigen Fragen die Leute in den jeweilige Extremen der möglichen Meinungsbandbreite klebe bleiben – also entweder glaubt man an eine „feste“ Wirklichkeit, die alle gleichermaßen trifft, oder man glaubt (wie viele Esoteriker) an die totale Macht des Bewusstseins, das angeblich ganz alleine alles erschafft.

    Dabei liegt die Wahrheit in der Mitte, es sind interaktive Prozesse zwischen physischen Kleinteilchen und dem Bewusstsein, die eine je persönliche Wirklichkeit entstehen lassen. Wobei umso mehr Gemeinsamkeiten mit den Wirklichkeiten anderen Individuen vorhanden sind, je basaler die Dinge durch unsere Lebewesen- und Tiernatur präfiguriert sind (wir unterliegen z.B. alle den Notwendigkeiten unseres Stoffwechsels, da lässt sich nicht dran deuteln…).

    Auf der sozialen bzw. psychischen Ebene sieht es aber ganz anders aus, da dominiert die persönliche Sicht der Dinge, entstanden aus Prägung, Umwelt, Erfahrung etc. und erschafft komplett verschiedene „Wirklichkeiten“, wie wir es in Beziehungen, im sozialen Miteinander oft schmerzlich erleben.

  22. Von Ernest Gellner, „Pflug Schwert und Buch“ (Internet gab es damals nicht) möchte ich hinzufügen: Die Welt entsteht im Kopf. Jeder erschafft sich seine eigene Wirklichkeit. fertig.

    Die lokale sogenannte Wirklichkeit wird vom Gehirn kunstvoll in alle Richtungen (egal welcher Dimension) weiterentwickelt, daher können wir in die Vergangenheit und in die Zukunft sehen.

    mfg GH

  23. ‚Wirklichkeit‘ ist zunächst mal ein Wort. EIn Wort bei dem sich viele nicht klar sind was es wirklich bedeutet. In der <a href=“http://webways.blogspot.com/2009/01/die-kreisrunde-ffung-des-verschlusses.html“>Realität</a> ist die Wirklichkeit manchmal verborgen, doch nicht notwendigerweise.

  24. Der Einstieg ins Thema über Philip.K.Dick’s Satz:
    „Wirklichkeit ist das, was (übrig) bleibt, wenn man nicht mehr daran glaubt.“ ist mir sehr sympathisch. Er stellt sofort klar, daß die von ihm (und jedem?) so „verstandene“ Wirklichkeit eine subjektive ist. Gleichzeitig verlangt er zum Verständnis der Wirklichkeit die Elimination der Subjektivität. Also ein – für Dick typisches – Paradoxon. Etwas, das ein Subjekt unmöglich leisten kann. Jedenfalls nicht mit dem Verstand. Vielleicht aber durch Innewerdung, durch mystische Erfahrung, durch Erleuchtung?
    Das führt mithin unmittelbar zu der weiteren Frage: Für wen oder was gibt es dann Wirklichkeit? Wer oder was erlangt durch welche Mittel die „Erkenntnis“ der Wirklichkeit?

    Nun, Dick hätte also hinzufügen sollen: „….und die Sichtweise nicht mehr durch systemimmanente Beschränkungen getrübt ist.“ Subjektive Wirklichkeit entsteht nur deshalb genau so in unserem Kopf, weil wir in unserer Wahrnehmung beschränkt sind.

    Mithin wäre Aufhebung aller Beschränkungen Voraussetzung für Erkenntnis und Existenz objektiver Wirklichkeit! Objektive Wirklichkeit wäre nur dann gegeben, wenn sie ohne jede Einschränkung alles umfaßte! Diese zu erfassen, wäre nur einem von allem ungetrennten, also nicht einmal Gott (im monotheistischen Sinn eines Schöpfergotts) möglich. Nur einem Etwas, das allem unmittelbar innewohnt. Wenn es eine Begrifflichkeit gibt, welche in diese Richtung tendiert, so könnte man dafür annähernd den Terminus „Urgrund des Seins“ verwenden. Einige sehen es auch mit dem Begriff des „Atman“ erfaßt. Ihm sind jedenfalls die Attribute „ungeschaffen“ und „ewig“ im Sinn von unzerstörbar zuzumessen. Von allen weiteren Definitionen seiner Eigenschaften sei hier abgesehen.

    Sicher ist aber eines: wenn nicht einmal für einen immerhin annähernd vorstellbaren „allmächtigen“ Schöpfer-Gott objektive Wirklichkeit erfaßbar wäre, dann auch nicht für eine seiner Teilmengen.

    Bewußstein im Sinne einer getrennten Existenz von dem insgesamt Existierenden kann nur entstehen um den Preis der Abspaltung davon. Alles was ungetrennt von der Gesamtmenge des Existierenden bleibt, kann nicht als ein Bewußtsein in unserem Verständnis gelten, da es ohne Ausnahme immer alles umfaßt und somit notwendig unterscheidungslos bleiben muß. Es besitzt nicht die Fähigkeit der Gegenüberstellung, welche Voraussetzung für Bewußtwerdung ist. Diese entsteht nur durch Abspaltung, welche immer auch eine Einschränkung darstellt, weil sie stets weniger als das Ganze ist. Aber natürlich entsteht im Augenblick einer Abspaltung vom Ganzen (Schöpfungsakt) insgesamt auch ein neues Ganzes insoweit, als es (mehr als) die Summe seiner Teile umfaßt.

    Tatsächlich geschieht jedoch alles gleichzeitig und von Anfang an. Wir benennen es nur anders, um überhaupt einen Ansatz zum Verständnis zu finden. Die präzisesten Benennungsversuche finden sich wohl in der physikalischen Mathematik: Teilchenphysik, Quantentheorie, Stringtheorie etc.

    Selbst ein Schöpfergott (als Trenner durch den Schöpfungsakt) ist als solcher aber (in diesem Moment) selbst getrennt vom Ganzen (und zwar insoweit und solange er als Schöpfergott existiert). Schon er kann also keine objektive Wirklichkeit mehr erkennen, sondern nur noch erahnen. Gleichgültig, wie nahe er ihr kommen mag.

    Erst recht kann also weder eine Kreatur dieses Gottes noch irgend eine andere vorstellbare, jedenfalls weniger umfassende Abspaltung vom Ganzen dazu in der Lage sein.

    Alle welche behaupten, daß Wirklichkeit nur im eigenen Kopf entsteht, haben also dann recht, wenn sie hinzufügen, daß es eine eingeschränkte subjektive Wirklichkeit bleibt. Das sollte hier belegt werden. Von diesen subjektiven Wirklichkeiten gibt es möglicherweise unendlich viele.

    Bleibt noch die Möglichkeit der Erleuchtung, mystischen Erfahrung, Innewerdung etc., wenn sie denn tatsächlich kein Wahn sein sollte. Soweit wir es aus Überlieferung wissen, sind dies (geschenkte oder erarbeitete) Momente, keine Dauerzustände. Man kann also wohl eher von einer erhaschten Momentaufnahme von einem großen Ganzen, denn von einem echten Erfassen der Wirklichkeit sprechen. Tatsächlich beantworten könnte das nur ein wahrhaft Erleuchteter – wenn denn die Erfahrung mitteilbar sein sollte.

    Den hier verwendeten Bewußtseinsbegriff zugrundegelegt, besteht also die starke Vermutung, daß es objektive Wirklichkeit im umfassenden Sinne für nichts und niemanden gibt, außer für den Urgeund des Seins selbst (welcher aber eben nicht über ein Bewußtsein in diesem Sinn verfügt).