Als bekannt wurde, dass der Copilot des A320 den Absturz willentlich verursacht hat, war die erste Reaktion meines Flugangst-Ichs: Erleichterung! Hätte es nämlich an der Technik gelegen, an Sparmaßnahmen im Billigflieger oder am Fehlverhalten des Piloten in einem allzu automatischen Flugzeugtyp, wäre das eine Bestätigung und Verstärkung der Flugangst gewesen. Eine Angst, die ich weitgehend überwunden hatte, der Urlaubsflug nach Malaga vor zwei Wochen war zu meiner Freude weitgehend angstfrei. Nur in den Momenten, wenn man beim Starten und Sinken den stärksten Schub spürt, wurde ich an sie erinnert, konnte mich aber mit dem Mantra beruhigen:
WANN ist denn jemals eine Maschine in Europa auf dem Weg nach Spanien oder zurück abgestürzt? Noch nie!
Angst vorm Fliegen sei irrational, heißt es (gibt es denn eine rationale Angst?). Und auch bei dieser Katastrophe wurde fortwährend versichert, dass das Fliegen die sicherste Form der Fortbewegung sei, statistisch gesehen. Dass die Chancen, bei Unfällen umzukommen, beim Fliegen mit Abstand größer ist als bei anderen Verkehrsmitteln, behaupte ich jetzt einfach mal, ohne nach Belegen zu recherchieren. Insofern ist die Angst berechtigt, denn wer kann denn sicher sein, nicht den „unwahrscheinlichen Fall“ zu erleben, der statistisch zwar höchst selten ist, aber doch vorkommt?
Dennoch wirkt die Statistik beruhigend, wie ich ja auch selbst erlebte, siehe oben. Ein selbstmörderischer Pilot ändert daran nichts, denn so ein Verhalten erscheint derart einzigartig, dass es die „gefühlte Gefahr“ beim Fliegen nicht verstärkt. Und doch will ich – wie so viele – wissen, was diesen Menschen bewegte, auf diese Art aus dem Leben zu scheiden und dabei 149 andere mit in den Tod zu reissen. Ihr nicht?
Momentan erscheinen viele Artikel, die sich über das Verhalten der Presse aufregen: Zu viele Nicht-Nachrichten allein der Klicks wegen – und dann das Kolportieren des Piloten-Namens, das Zeigen des Wohnhauses, die Interviews mit Menschen, die ihn kannten. Mein ehrliches Mitgefühl ist bei seinen Eltern, Verwandten und Freunden, die nun diesem gewaltigen Druck der Jagd nach Erklärungen ausgesetzt sind. Andrerseits, wenn ich auf mich selbst schaue, kann ich mich von diesem Wissen-wollen nicht frei sprechen: Je ver-rückter ein Verhalten, desto stärker ist der Wunsch nach Erklärung. Die „Presse-Meute“, die in Montabauer eingefallen ist, die Journalisten, die vermutlich jetzt hinter jedem her sind, der irgend etwas dazu sagen könnte – sind sie nicht unser aller Augen und Ohren, die – Ethik hin, Ethik her – überall hin schauen und lauschen, wo es VIELLEICHT etwas aufzuklären gibt?
P.S. Das soll übrigens keine RECHTFERTIGUNG für übergriffiges oder auf andere Art UNTERIRDISCHES Verhalten diverser Presse-Organe sein. Was ich da auf Twitter grad alles angeprangert sehe, ist stellenweise wirklich richtig schlimm…
- Die Mensch-Maschine: Die verlogene Wut beim Posten
„Dann kommen die Leute, die sich öffentlich aufregen, dass deutsche Medien über die Zahl der deutschen Opfer berichten. Es sind die gleichen, die bei einem Doppelanschlag vier Tage zuvor im Jemen mit ebenfalls fast 150 Toten nicht einmal mit der Wimper gezuckt haben dürften.“ - Germanwings-Absturz: Darf man den Co-Piloten-Namen nennen?
- Gemeinsamleben: Traurig, bestürzt und das “Warum“
- BILDBlog: Absturz des Journalismus
- Witwenschütteln – Das wollt Ihr alle nicht erleben.
- Don Dahlmann: Vom Fliegen – (kommentiert)
- Und was, wenn ich nichts fühle?
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4 Kommentare zu „Angst vorm Fliegen und der Wunsch, zu wissen“.