Claudia am 27. März 2015 —

Angst vorm Fliegen und der Wunsch, zu wissen

Als bekannt wurde, dass der Copilot des A320 den Absturz willentlich verursacht hat, war die erste Reaktion meines Flugangst-Ichs: Erleichterung! Hätte es nämlich an der Technik gelegen, an Sparmaßnahmen im Billigflieger oder am Fehlverhalten des Piloten in einem allzu automatischen Flugzeugtyp, wäre das eine Bestätigung und Verstärkung der Flugangst gewesen. Eine Angst, die ich weitgehend überwunden hatte, der Urlaubsflug nach Malaga vor zwei Wochen war zu meiner Freude weitgehend angstfrei. Nur in den Momenten, wenn man beim Starten und Sinken den stärksten Schub spürt, wurde ich an sie erinnert, konnte mich aber mit dem Mantra beruhigen:

WANN ist denn jemals eine Maschine in Europa auf dem Weg nach Spanien oder zurück abgestürzt? Noch nie!

Angst vorm Fliegen sei irrational, heißt es (gibt es denn eine rationale Angst?). Und auch bei dieser Katastrophe wurde fortwährend versichert, dass das Fliegen die sicherste Form der Fortbewegung sei, statistisch gesehen. Dass die Chancen, bei Unfällen umzukommen, beim Fliegen mit Abstand größer ist als bei anderen Verkehrsmitteln, behaupte ich jetzt einfach mal, ohne nach Belegen zu recherchieren. Insofern ist die Angst berechtigt, denn wer kann denn sicher sein, nicht den „unwahrscheinlichen Fall“ zu erleben, der statistisch zwar höchst selten ist, aber doch vorkommt?

Dennoch wirkt die Statistik beruhigend, wie ich ja auch selbst erlebte, siehe oben. Ein selbstmörderischer Pilot ändert daran nichts, denn so ein Verhalten erscheint derart einzigartig, dass es die „gefühlte Gefahr“ beim Fliegen nicht verstärkt. Und doch will ich – wie so viele – wissen, was diesen Menschen bewegte, auf diese Art aus dem Leben zu scheiden und dabei 149 andere mit in den Tod zu reissen. Ihr nicht?

Momentan erscheinen viele Artikel, die sich über das Verhalten der Presse aufregen: Zu viele Nicht-Nachrichten allein der Klicks wegen – und dann das Kolportieren des Piloten-Namens, das Zeigen des Wohnhauses, die Interviews mit Menschen, die ihn kannten. Mein ehrliches Mitgefühl ist bei seinen Eltern, Verwandten und Freunden, die nun diesem gewaltigen Druck der Jagd nach Erklärungen ausgesetzt sind. Andrerseits, wenn ich auf mich selbst schaue, kann ich mich von diesem Wissen-wollen nicht frei sprechen: Je ver-rückter ein Verhalten, desto stärker ist der Wunsch nach Erklärung. Die „Presse-Meute“, die in Montabauer eingefallen ist, die Journalisten, die vermutlich jetzt hinter jedem her sind, der irgend etwas dazu sagen könnte – sind sie nicht unser aller Augen und Ohren, die – Ethik hin, Ethik her – überall hin schauen und lauschen, wo es VIELLEICHT etwas aufzuklären gibt?

P.S. Das soll übrigens keine RECHTFERTIGUNG für übergriffiges oder auf andere Art UNTERIRDISCHES Verhalten diverser Presse-Organe sein. Was ich da auf Twitter grad alles angeprangert sehe, ist stellenweise wirklich richtig schlimm…

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Diskussion

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4 Kommentare zu „Angst vorm Fliegen und der Wunsch, zu wissen“.

  1. Nun, „Die Krankschreibung“ …

    Nach jeder neuen Nachricht denke ich, nun kann es aber doch schlimmer nicht mehr kommen. Geirrt.

    Erstaunlich diesmal, wie viele der Spekulationen schon vorab in die scheinbar richtige Richtung deuteten.

  2. Angst vorm Fliegen sei irrational, heißt es

    Der Hinweis ist so sinnvoll, wie einem Frierenden mitzuteilen: Es sind hier 22°, du brauchst wirklich nicht zu frieren!

  3. @Menachem: wieso ist das „noch schlimmer“? Schlimm fände ich es, wenn es keine Erklärung gäbe.

    @Arnd: kürzlich in Spanien liefen etliche Einheimische in dicken Winterklamotten rum – bei für mich angenehm warmen Frühlingstemperaturen.

  4. Das ist für mich auch so, Claudia, das wir eine Erklärung brauchen, die uns zum verstehen führen will.

    Ohne „verstehen“, wie immer das jeder in sein Weltbild individuell einpasst, bleibt eine Hilflosigkeit zurück. Und diese Hilflosigkeit, in der wir nicht mehr selbst aktiv in die Geschehnisse eingreifen können, kann auch zwischen Leben und Tod entscheidend sein. Wie im Flug der 4U9525.

    Nur, jedes weitere neu hinzukommende Puzzleteil zeigt, bei aller Überlegenheit der Technik, wie anfällig das ganze System ist, weil profane und einfachste – menschenmögliche Störungen -, immer unkalkulierbar bleiben werden. Das hat sowohl mit dem Flug 4U9525 zu tun, wie auch mit dem Leben überhaupt.