Im Artikel „Fuck off, wenn Du nicht meiner Meinung bist“ beklagt Don Dahlmann, dass „all das Geifern, Toben, Ausschließen, Ausgrenzen und Galle spucken zu einer Art Normalität im Netz geworden ist, eine Krankheit, die langsam aber sicher ins analoge Leben übergreift.“
Die folgende Diskussion darüber beschränkt sich weitgehend auf Phänomene der Internet-Kommunikation, doch greift das für mein Empfinden zu kurz.
Mein Kommentar dazu:
Nicht nur die “Debattenkultur” im Netz ist so intolerant und aggressiv, auch in der großen Politik stehen die Zeichen auf Sturm. Ein neuer – für uns noch kalter – Krieg mit recht gefährlichen militärischen Provokationen ist auf einmal wieder drin, die Griechenland/Euro-Krise erscheint unlösbar, die weltweite Verschuldungs/Finanzkrise ebenfalls – die Gefahren von daher sind nicht etwa weniger, sondern mehr geworden. Dass unser Noch-Wohlstand auf dem Rücken der Südstaaten und der gnadenlosen Ausbeutung von Ressourcen weltweit basiert, kann kaum mehr jemand verdrängen – und doch müssen wir faktisch ein “weiter so” präferieren, denn was würde aus diesem ganzen Wirtschaftssystem ohne Wachstum? Von Umwelt & Klima fang ich gar nicht erst an…
Was das alles mit der Debattenkultur zu tun hat? Ich denke, es ist untergründig hoch wirksam, dass es keine Utopien mehr gibt, keine Vorstellungen, wie all diese Probleme zu lösen und die Welt in eine friedlichere und gerechtere transformiert werden könnte. Deshalb ist sich jeder zunehmend selbst der Nächste, man sucht nach Ablenkung in der Unterhaltung, man kreist um den Konsum, der mittlerweile alle Lebensbereiche durchdringt – und surft herum auf der Suche nach Erregungszuständen, die durch noch halbwegs überschaubare Ereignisse vermittelt werden. Ein insgesamt düsteres, Zukunft nurmehr als Verschlechterung fürchtendes kollektives (Unter-)Bewusstsein ergibt dann eine entsprechend fürchterliche Art des Umgangs miteinander:
Wenigstens die Homöopathen, die “Femi- und Masku-Trolls”, die Impfgegner und viele andere Gruppen und Personen mit unliebsamen Meinungen oder individuellem Fehlverhalten kann man noch gradlinig und ohne Ambivalenzen hassen und bashen. Gern auch gleich alle Politiker, die gesamte Presse, alle MultiKulti-Freunde, Gutmenschen und “Wirtschaftsflüchtlinge”, das ganze Gesocks in der sozialen Hängematte sowieso und natürlich die bösen geheimen Mächte, die hinter allem stehen und die Fäden ziehen, wenn sie nicht grad Chemtrails auf uns herab regnen lassen.
Friedliches Geplauder im Netz? Ist ja so 20.Jahrhundert…
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Siehe dazu auch:
- Die Härte – Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach meint auf „Haltungsturnen“: „Härte in der Auseinandersetzung ist ein Zeichen, dass es Ernst wird“.
- Trolle füttern – Was der Tod von Rachel Bryk lehren kann.
- Frauenfeindlicher Literaturbetrieb: Ich mach dich fertig
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23 Kommentare zu „Giftige Endzeitstimmung – zur Debattenkultur im Netz“.