Claudia am 11. Dezember 2015 —

Schlechte Angewohnheiten aufgeben: Internet deprimiert

Warum nur mache ich das immer wieder? Zum Beispiel morgens erstmal jede Menge News, Infos, Kommentarstrecken und alternative Medien checken? Oder während einer Talkshow, in der sich Menschen mal vernünftig über das Flüchtlingsthema unterhalten auf Twitter die Tweets zu #illner mitlesen? Bei alledem dann WIEDER UND WIEDER jede Menge Scheiße, Hass, Menschenverachtung, Kurz- oder gar nicht Denkende, absolut Unbelehrbare mit ihren ignoranten und aggressiven Ergüssen mitbekommen?

Das bleibt ja nicht wirkungslos, auch wenn ich mir das ungern eingestehe. Meine Meinung über meine Mitmenschen in diesem Deutschland 2015 befindet sich im Sinkflug. Obwohl ich natürlich weiß, dass all die Ignoranten und „Hater“ nicht die Mehrheit darstellen, verstärken ihre Lautstärke, ihre Unzugänglichkeit für Argumente, ihre gleichbleibend dummdreisten Sprüche den Eindruck, von Idioten umgeben zu sein:

  • Steinerne Herzen, die anderen nicht mal ein Feldbett in einer zugigen Turnhalle gönnen, obwohl ihr tägliches Leben nicht die Bohne von irgendwelchen Flüchtlingen eingeschränkt wird.
  • Menschen, die sich von Rechtsaußen aufhetzen lassen und alle Fremden gerne als Sündenböcke dafür hernehmen, dass sie mit ihrem eigenen Leben unzufrieden sind – als könnten die irgendwas dafür!
  • Menschen, die NULL Geschichtsbewusstsein haben, denn sonst würde es sie gruseln angesichts der Parallelen zur NSDAP in der Weimarer Zeit, die genau diesselben „Meme“ verbreiteten wie sie sie heute benutzen.

Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich noch einmal selbst die Wahrheit des oft zitierten Spruchs erlebe: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“

Der Satz bezieht sich in meinem Verständnis eben NICHT auf ein Fortwirken alten Nazitums, sondern auf die immerwährende Gefahr, dass genau diesselben Gedanken und Verhaltensweisen erneut aufkommen, sobald eine relevante Minderheit meint, sich gegen die Komplexität heutiger Lebenswirklichkeit mit dem Rückzug ins Nationale schützen zu können. Dann werden Sündenböcke gesucht und aus tiefstem Herzen gehasst, Unterkünfte angezündet, Menschen überfallen und Busse angegriffen, sogar Kinder gegen Fremde aufgehetzt, die dann ebenfalls zu Tätern werden. Und all jene „aus der Mitte der Gesellschaft“, die sich zu solchen Taten mit Äußerungen wie „Ja schlimm, aber doch kein Wunder, wenn man nicht mal mehr sagen darf…“ zu Wort melden, geben den Brandstiftern, Gewalttätern und Schlägerbanden das Gefühl, stellvertretend für eine gefühlte Mehrheit zu agieren. Genau wie damals…

Himmel nochmal, ich sollte dieses Rumstöbern im Dreck einfach mal unterlassen! Wenn was Wichtiges passiert, wird mich die Nachricht schon erreichen. Statt dessen weniger verdichtet (Brot-)arbeiten und in der gewonnenen Zeit was Schönes, Konstruktives, Freude Machendes unternehmen. Mich nicht runter ziehen lassen und jammern (wie jetzt), sondern mich abwenden von allem, was mich ankotzt, es zumindest nicht mehr mutwillig aufsuchen und anstarren, fassungslos vor soviel Abgrund.

***

Maybritt Illner in der Mediathek – Thema: “ „Obergrenzen, Kontingente – Lösung für das Flüchtlingschaos?“

Beispiel für ein Hass-Blog: http://www.donotlink.com/hlbh.

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Diskussion

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10 Kommentare zu „Schlechte Angewohnheiten aufgeben: Internet deprimiert“.

  1. Das ist doch ein guter Vorsatz für 2016.

  2. Ja, warum? Einfach nicht machen. Das geht. Ich habe aufgehört :)

  3. ja.
    und
    ja.
    einfach aufhören zu denken
    weil nehmlich das sein das bewusstsein
    bedingt und .. oder war das andersrum?
    also weil das bewusste sein
    eine bedingung für das sein
    sein sollte?

    mir ist der dreck von anderen mittlerweile
    so egal wie abgeschnittene fingernagelschnipsel.
    es bringt nichts.
    nein.
    es bringt nichts.

    ich sollte meinen vorgarten mehr pflegen,
    sollte überhaupt mal aufräumen und generell
    die richtigen dinge von den unrichtigen dingen trennen

    aber

    das internet hat ansich doch nochn paar überaschungen
    zu bieten, die schönen beine von dolores zum beispiel:)

    sorry,
    gruss aus sz
    ingo

  4. Seltsam. Gut, das du darüber schreibst, Claudia. Mir geht es in der letzten Zeit sehr ähnlich und ich stelle ein verstärktes Problem mit meinen Mitmenschen fest, das meine Kraft und Möglichkeiten der Akzeptanz übersteigt.
    Ich dachte schon, oh, Mist, jetzt werd`ich altersschrubelig. Zuerst habe ich dann immer weniger bis gar nicht mehr in meinem blog geschrieben, dann habe ich sogar fast ganz aufgehört, noch in anderen blogs zu lesen.

    Deinem Beitrag entnehme ich, dass es scheinbar nicht nur mit so geht. Das macht mir Mut zur Situation meiner eigenen Person.

    LG aus Leipzig,
    Menachem

  5. @Ingo: Also was Konstruktives: hast du nicht mal Lust, den Prototyp eines „Aufladeregals“ zu kreieren? Smartphone, Tablet, Dampfe, DigiCam/Akku-Ladegerät- für all das ein zweckmäßiges, regalartiges Kleinmöbel, damit Steckerleiste, Ladegeräte, aufzuladende Geräte übersichtlich platziert sind – und die Kabel sich nicht verheddern… ach seufz, das fehlt!

    @Menachem: Wenn „das Blog als Ventil“ nicht dein Ding ist, warum es dann nicht als Suchwerkzeug nach dem noch erfahrbaren Guten & Schönen nutzen?
    Ich ermuntere mich grade auch selbst… :-)

    Hass kann man nicht mit Hass bekämpfen, heißt es. Deshalb neigen wir eher zum Verstummen, wenns soweit ist. Immerhin besser, als lautstark mithassen und damit alles noch schlimmer machen (als Kämpfer/innen im engeren Sinne sind sowieso eher Jüngere gefragt – und BESSER darin!).

    Uns bleibt nur der immer wieder neue Versuch, Licht gegen das Dunkel zu stellen – bzw. grade nicht „gegen“ irgendwen oder was, sondern einfach nur Licht, Wärme, Helligkeit verbreiten, wo es geht. Jede/r auf eigene Weise, in der Konzentration auf das, was gut tut, was wahr ist und schön.

    Ich vermute mal, dass viele Hassende, die derzeit Sündenböcke suchen und finden, in ihrem je eigenen Leben nicht viel Gutes, Wahres und Schönes vorfinden, bzw. sich für unfähig halten, es selbst zu kreieren.
    Und jene „Mitte der Gesellschaft“, die evtl. bis in unsere Bekanntenkreise reicht: auch die öffnen sich mit ihren Zweifeln und Ängsten eher, wenn sie uns nicht zuvorderst als GEGNER wahrnehmen, sondern als authentische Person, die offen und hilfreich, warmherzig und vorurteilsarm auf sie zugeht.

    Ich freu mich übrigens grad sehr über Kommentare. In dieser kälteren Welt bin ich auch dünnhäutiger in Sachen „0 Kommentare“.

  6. Es gab ja vor Jahren von Dir hier eine Art Aufruf, Positives zu veröffentlichen oder vermehrt auf positive Tendenzen hinzuweisen. Es fing mit einer kleinen Zusammenstellung von Links an. Habe ich das falsch in Erinnerung?

  7. @Gerhard: kann gut sein! Der Sog des täglichen Elends ist halt doch gewaltig..

    Besonders irres Verhalten besteht dann darin, „zur Entspannung“ das Medium zu wechseln und sich Mord & Totschlag per TV reinzuziehen…

  8. Stimmt, Internet deprimiert. Und zwar noch mehr als die Tagesschau früher. Allerdings findet Meinungsfindung darüber statt und insofern kann ich es schlecht bis gar nicht ignorieren. Auch wenn ich es mir immer mal wieder vornehme.

  9. Naja, diese Aussage ist auch mehr aus einem Frust geboren, den ich mir zu Teilen selber einbrocke, wenn ich zu viel und zu lange nur negative Schlagzeilen und Hassreden lese.

    Dein Blog „Gleichheit und Differenz“ und die Geduld, mit der du dort versuchst, diverse Streitigkeiten im aktuellen „Geschlechterkampf“ in ruhigerem Ton debattieren zu lassen, finde ich übrigens großartig!

  10. Oh, Danke!!! Aktuell habe ich aber nicht den Eindruck, dass es viel bringt …